Sebastian Vettel nahm ganz in Schwarz gekleidet auf einem Hocker Platz, blickte in die Kamera, atmete einmal tief durch - und sprach dann die Entscheidung aus, die in den vergangenen Monaten gereift war. "Ich werde meine Zeit in der Formel 1 am Ende des Jahres beenden", sagte der viermalige Weltmeister in einer äußerst emotionalen Video-Botschaft, welche er auf seiner eigens dafür eingerichteten Instagram-Seite verbreitete.
Vettel und die Formel 1 - das war über weite Strecken der insgesamt 15 gemeinsamen Jahre eine äußerst erfolgreiche Liebesbeziehung. Viermal hintereinander krönte sich der Heppenheimer zwischen 2010 und 2013 zum Weltmeister, darüber hinaus feierte er 53 GP-Siege, 122 Podiumsplatzierungen und 57 Pole Positions. "Ich liebe den Rennsport noch immer. Er war im Zentrum meines Lebens, seit ich denken kann", bekräftigte er in seinem Abschieds-Video.
Diese gegenseitige Liebesbeziehung bekam in den vergangenen Jahren jedoch immer größere Kratzer. Abseits von einigen Ausreißern sorgte der Deutsche im Laufe der jüngeren Vergangenheit immer seltener für positive sportliche Schlagzeilen. Nach einem insgesamt enttäuschenden Ferrari-Engagement fuhr er zuletzt im Aston Martin den Spitzenplätzen nur noch hinterher. Die Hingabe zum Sport wurde mit der fehlenden Kompetitivität weniger, ein Fahren nur um des Fahrens Willen war mit Vettel nicht zu machen. "Ich ziehe nicht viel Freude und Motivation daraus, einfach nur dabei zu sein", sagte er.
Darüber hinaus änderte sich auch Vettels persönliche Einstellung gegenüber der Formel 1. Offen sprach der Heppenheimer Missstände und Unzulänglichkeiten der Rennserie bezüglich der globalen Klimakrise an, entwickelte sich zu einer Art "gutem Gewissen" in einer oft nur an Profit interessierten Branche. Leidenschaftlich sammelte er an Rennwochenenden Müll ein, baute Hotels für Bienen und setzte sich für Minderheiten ein.
Vettel und Formel 1 entfernen sich immer weiter voneinander
Dass das nicht immer mit seinem F1-Engagement einherging, ist selbstredend. Ohne jegliche Hemmungen expandierte die Königsklasse in den vergangenen Jahren mit Grands Prix in Saudi-Arabien und Katar in den arabischen Markt - dorthin wo Menschenrechte und menschengemachter Klimawandel maximal an zweiter Stelle stehen.
Auch den unbedingten Willen der F1-Bosse, einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung dieser Krisen zu leisten, sah Vettel nicht mehr ausreichend vertreten. "Meine Leidenschaft bringt bestimmte Aspekte mit sich, die ich gelernt habe, nicht zu mögen. Sie könnten in der Zukunft gelöst werden, aber der Wille, diese Veränderung umzusetzen, muss viel, viel stärker werden und muss heute in die Tat umgesetzt werden."
Sogar selbst hielt er sich den Spiegel ein ums andere Mal vor. Erst vor wenigen Monaten bezeichnete er sich im britischen Fernsehen als Heuchler, weil er sich öffentlichkeitswirksam für die Umwelt einsetzt, während er in einer benzinfressenden, weltumspannenden Rennserie fährt und mit dieser sein Geld verdient. Mit Aramco zierte zu allem Überfluss ein saudi-arabisches, staatliches Öl-Unternehmen den Boliden Vettels als Hauptsponsor, wofür er in der Öffentlichkeit teils heftige Kritik einstecken musste.
Sebastian Vettel: Karrierestatistiken
Aktive F1-Jahre | 15 (2007-2022) |
Teams | BMW Sauber (2007), Toro Rosso (2008-2009), Red Bull (2010-2014), Ferrari (2015-2020), Aston Martin (2021-2022) |
Weltmeisterschaften | 4 (2010, 2011, 2012, 2013) |
Siege | 53 |
Podestplätze | 122 |
Pole Positions | 57 |
Schnellste Rennrunden | 38 |
WM-Punkte | 3.076 |
Vettel: "Habe jetzt andere Interessen und Ansichten"
Diesen Spagat will Vettel künftig nicht mehr meistern müssen. "Ich habe das Gefühl, dass wir in sehr entscheidenden Zeiten leben, und wie wir alle diese nächsten Jahre gestalten, wird unser Leben bestimmen", führte er in seinem Statement aus. "Ich habe jetzt andere Interessen und Ansichten und kann diese Stimmen nicht ignorieren. Die Fragen sind größer und größer geworden und kamen irgendwann an einen Punkt, an dem ich die Entscheidung getroffen habe."
Mit seiner enormen Reichweite und Beliebtheit wird Vettel in den kommenden Jahren alles daran setzen, seine Botschaft, nämlich den dringend benötigten Wandel, den diese Welt braucht, zu verbreiten. Dieses Vorhaben ist mit dem Engagement als F1-Fahrer nur noch schwer unter einen Hut zu bekommen. Man kann ihn zu seiner Entscheidung deshalb nur beglückwünschen und ihm alles erdenklich Gute für die Zukunft wünschen.
Oder um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: "Mein bestes Rennen? Liegt noch vor mir. Ich glaube an das Morgen. Ich freue mich auf das Unbekannte und neue Herausforderungen." Die Formel 1 wird ihn als Legende des Sports vermissen.