Durch einen Sieg beim Großen Preis von Japan krönt sich Red-Bull-Pilot Max Verstappen zum zweiten Mal in seiner Karriere zum Formel-1-Weltmeister. Überschattet wird der Triumph jedoch von der Verwirrung unmittelbar nach dem Rennen, wofür einmal mehr die FIA aufgrund unsinniger und komplizierter Regularien die Hauptverantwortung trägt. Ein Kommentar.
Max Verstappen ist Weltmeister 2022 - das ist nach dem Großen Preis von Japan in Suzuka nun endlich Gewissheit. Darüber, dass dieser Titel unglaublich verdient ist, müssen wir an dieser Stelle auch überhaupt nicht diskutieren. Der Niederländer ist in der laufenden Saison der klar beste Pilot im Feld, dominiert die Szene in kaum vergleichbarer Manier und macht überdies praktisch keine Fehler.
Und doch muss und wird man leider - wie bereits im vergangenen Jahr, als sein Titel aufgrund der individuellen Leistung nicht weniger gerechtfertigt war - erneut über das Zustandekommen und die Umstände seines Triumphes sprechen. Denn nach der siegreichen Zieleinfahrt waren nicht wenige, inklusive seines eigenen Teams und er selbst, erstaunt drüber, dass das F1-Moderatoren-Team ihn vor laufender Kamera kurzerhand zum Weltmeister erklärte.
In den Hochrechnungen der meisten Journalisten und Experten hätte sein Sieg ohne den Extrapunkt für die schnellste Rennrunde nämlich bei einem zweiten Platz von Teamkollege Sergio Pérez sowie dem dritten Platz Charles Leclercs (Ferrari) nicht für den Titel gereicht - vorausgesetzt, man rechnet mit den für die der Renndistanz entsprechenden Punkten (in diesem Fall 75 Prozent).
Die FIA verkündete stattdessen nach Rennende, dass an die sich in den Top Ten befindlichen Piloten die volle Punktzahl ausgeschüttet wird. Der Grund: Nach Artikel 6.5 des sportlichen Reglements wird nach einem Rennen die volle Punktzahl vergeben, wenn es nach einem Abbruch unter grüner Flagge beendet werden kann. Verminderte Punkte treten hingegen lediglich nach einem endgültigen Abbruch ohne Wiederaufnahme des Rennbetriebs in Kraft.
imago imagesKritik am Reglement: "Müssen einen besseren Job machen"
Dass das gesamte Fahrerfeld sowie die Teams nichts von besagtem Paragrafen wussten und sich die Siegeszeremonie Verstappens deshalb weniger euphorisch, sondern vielmehr peinlich und blamabel anfühlte, ist schon schlimm genug. Die Kommunikation war katastrophal.
Deutlich verheerender ist aber noch die Grundidee sowie Umsetzung der Regel. Denn nicht nur ist Artikel 6.5 für den Zuschauer ohne vorherige Kenntnis nur schwer nachvollziehbar, er ist aus sportlicher Sicht auch kompletter Unsinn.
Demzufolge könnte ein Rennen rein theoretisch nach lediglich zwei gefahrenen Runden (Einführungsrunden ausgeklammert) mit voller Punktzahl gewertet werden (eine Runde vor dem Abbruch und eine Runde nach dem Abbruch), während ein GP mit beispielsweise 30 gefahrenen Runden und anschließendem Komplett-Abbruch nur mit halber Punktzahl honoriert wird. Die zurückgelegte Renndistanz spielt dann überhaupt keine Rolle mehr, hinsichtlich der erbrachten Leistung ist das nur schwer zu verargumentieren.
"Ich denke, das ist ein Fehler", übte auch RB-Teamchef Christian Horner Kritik. "Wir waren uns ziemlich sicher, dass nur volle Punkte vergeben werden, wenn 75 Prozent des Rennens absolviert sind." McLaren-Teamchef Andreas Seidl sprach von einem "übersehenen Schlupfloch", welches man stopfen müsse: "Da müssen wir einen besseren Job machen."
Titelträger Verstappen wird das alles herzlich egal sein: In den kommenden vier Rennen kann er sich getrost zurücklehnen und genießen. Was bleibt, ist aber ein erneut fader Beigeschmack bei seinem Triumph an einem Tag, der eigentlich nur ihm und seiner herausragenden Leistung gehören sollte. Und es bleibt die Erkenntnis, dass FIA und Rennleitung nach wie vor zu häufig daneben liegen, wenn es um das sportliche Reglement der Formel 1 geht.
Formel 1: Der WM-Stand (nach 18 von 22* Rennen)
- Fahrerwertung:
Platz | Fahrer | Team | Punkte |
1 | Max Verstappen | Red Bull | 366 |
2 | Sergio Perez | Red Bull | 253 |
3 | Charles Leclerc | Ferrari | 252 |
4 | George Russell | Mercedes | 207 |
5 | Carlos Sainz | Ferrari | 202 |
6 | Lewis Hamilton | Mercedes | 180 |
7 | Lando Norris | McLaren | 101 |
8 | Esteban Ocon | Alpine | 78 |
9 | Fernando Alonso | Alpine | 65 |
10 | Valtteri Bottas | Alfa Romeo | 46 |
- Konstrukteurswertung:
Platz | Team | Punkte |
1 | Red Bull | 619 |
2 | Ferrari | 454 |
3 | Mercedes | 387 |
4 | Alpine | 143 |
5 | McLaren | 130 |
6 | Alfa Romeo | 52 |
7 | Aston Martin | 45 |
8 | Haas | 34 |
9 | AlphaTauri | 34 |
10 | Williams | 8 |
*Der Russland-GP wurde aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ersatzlos gestrichen. Ursprünglich hatte die Formel 1 für die Saison 2022 23 Rennen eingeplant.