Sternstunden erlebt Lewis Hamilton derzeit nur außerhalb des Cockpits. Als kritischer Geist ist der Formel-1-Rekordweltmeister ein gefragter Mann - und er liefert. Im Weltverband FIA gebe es "keine Transparenz" und "keine Rechenschaftspflicht", der Sport werde immer noch "von Männern dominiert", prangerte Hamilton in Melbourne an. Ob FIA-Präsident Mohamed Ben Sulayem noch seine Unterstützung habe? "Er hatte sie nie."
Hamilton drückte damit öffentlichkeitswirksam seine Unterstützung für Susie Wolff aus, die juristisch gegen die FIA vorgeht nach einer fragwürdigen und schnell wieder eingestellten, aber nie erläuterten Ermittlung gegen sie und ihren Ehemann Toto Wolff. Der wiederum ist Mercedes-Motorsportchef und damit, zumindest bis Jahresende noch, Hamiltons Boss.
Für Toto Wolff kann Hamilton derzeit wenig tun, was allerdings auch umgekehrt zutrifft. Der W15 von Mercedes, das wird immer deutlicher, ist keineswegs ein Rennwagen, mit dem Hamilton und Mercedes ihre "unglaubliche gemeinsame Reise auf einem Hoch beenden" können. So hatte Wolff es pathetisch formuliert, als er Anfang Februar Hamiltons Sensationswechsel zu Ferrari zum 1. Januar 2025 erklären musste.
Nimmt man die noch junge Saison als Referenz, könnte das zwölfte Jahr im einstigen Weltmeisterteam allerdings das schlechteste für Hamilton werden. Die Plätze sieben und neun in den ersten Rennen waren enttäuschend, die Freitagstrainings zum Großen Preis von Australien (Sonntag, 5.00 Uhr MEZ/Sky) geben keine Hoffnung auf schnelle Besserung: Hamilton, 103-maliger Grand-Prix-Sieger, belegte nur Rang 18. Angesichts des enormen Rückstands auf die Spitze funkte der Brite resigniert: "Irgendetwas läuft hier falsch."
Man habe beim Set-up an Hamiltons Silberpfeil etwas probiert, das "massiv nach hinten losgegangen ist", räumte Wolff ein. Im dritten Jahr nacheinander muss Mercedes experimentieren und kann nicht mehr - wie in der dominanten Ära zwischen 2014 und 2021 - im Training bis zur Perfektion verfeinern. "Uns fehlt Performance, über eine Runde sind wir etwas besser, aber insgesamt war es kein guter Tag", erklärte Wolff.
Womöglich blickt Hamilton (39) in diesen Tagen mit einer Mischung aus Neid und Vorfreude zu seinem künftigen Team. Charles Leclerc, sein Teamkollege ab dem kommenden Jahr, und Carlos Sainz, der für den größten Namen der Branche weichen muss, konnten zumindest unter Trainingsbedingungen mit Weltmeister Max Verstappen und Red Bull mehr als nur mithalten.
Doch die große Hamilton-Euphorie hat auch in Italien schon ein wenig nachgelassen. Die Breaking News, dass der erfolgreichste Fahrer mit der erfolgreichsten Marke der Formel 1 eine Traumehe bildet, ist längst überlagert worden vom Trouble bei Red Bull, durch den womöglich auf einmal auch Verstappen auf den Markt kommen könnte. Oder vom beachtlichen Debüt des 18-jährigen Oliver Bearman als Sainz-Ersatzmann in Saudi-Arabien.
Zwei Ereignisse, nach denen passierte, was passieren musste: In verschiedenen Medien wurde diskutiert, ob Ferrari sich durch die frühzeitige Verpflichtung des Topverdieners Hamilton womöglich smarterer Optionen beraubt hat.