Max Verstappen ist ein außergewöhnlicher Formel-1-Pilot. Wahrscheinlich gehört er schon jetzt zu den Besten, die dieser Sport jemals gesehen hat. Mit Sicherheit aber ist er der beste Fahrer seiner Generation sowie des aktuell 20-köpfigen Feldes. Der Niederländer bringt unheimlich viele Dinge mit, die es in der Königsklasse benötigt: Talent, einen starken Grundspeed, extremen Ehrgeiz sowie die in den entscheidenden Momenten nötige Kaltschnäuzigkeit.
Gleichzeitig aber kann Verstappen eines überhaupt gar nicht - und zwar verlieren. In der Vergangenheit kam es deshalb nicht selten vor, dass ihm in hitzigen Situationen gerne Mal die Sicherungen durchbrannten. Völlig aussichtslose Manöver auf der Strecke, unfaires Verhalten im Zweikampf und sogar handgreifliche Auseinandersetzungen mit anderen Piloten standen auf der Tagesordnung. Der Spitzname "Mad Max" zierte damals zuhauf die Titelseiten der Gazetten.
Zu seinem Glück nahmen solche Situationen im Laufe der Jahre kontinuierlich ab. Der Niederländer wirkt mittlerweile deutlich reifer, ruhiger und abgeklärter. Oder zumindest tat er das in der Wahrnehmung vieler Fans und Experten. Denn beim Großen Preis von Mexiko am gestrigen Sonntag sahen wir wieder diese "dunkle" Seite Verstappens. Die, die man in einem engen und nervenaufreibenden WM-Kampf eigentlich nicht sehen möchte.
Max Verstappen in Mexiko zwei Mal unfair gegen Lando Norris
Die erste Attacke von Kontrahent Lando Norris in Kurve vier der zehnten Runde, die wehrte Verstappen noch in typischer Manier ab, nur war er dieses Mal im Vergleich zum Aufreger von vor einer Woche in Austin den Bruchteil einer Sekunde zu spät dran und hätte dem McLaren-Piloten, der am Scheitelpunkt klar vorne lag, deshalb den nötigen Platz zum Überleben auf der Außenbahn lassen müssen. Schwamm drüber, hätte man da noch sagen können. Solche Sachen passieren halt im Eifer des Gefechts.
Wirklich drüber war dann aber das Manöver einige Augenblicke später. In Kurve sieben startete der Niederländer einen mehr als nur übermotivierten und schlichtweg sehr gefährlichen Versuch, innen am Engländer wieder vorbeizukommen. Er verbremste sich stark, bekam die Kurve nicht und drängte Norris, der nur um ein Haar eine Kollision bei Tempo 200 verhinderte, weit nach außen. Die von der Rennleitung daraufhin ausgesprochene 20-Sekunden-Zeitstrafe mag sich nach viel anhören, war der Situation entsprechend aber absolut korrekt.
War das ganze Gerede von einem "Reifeprozess" also nur dummes Geschwätz? Wurde Verstappen nur deshalb eine Besserung seines Verhaltens attestiert, da er in den letzten Jahren einfach nicht an sein Limit gehen musste und nur aufgrund des deutlich überlegenen Fahrzeugs auch mal zurückstecken konnte? Zumindest macht es diesen Eindruck. Hat er RB-Pilot nicht mehr ein Auto unterm Hintern, welches ihn mit einer Spazierfahrt nach der anderen von Sieg zu Sieg trägt, packt er die unfaire Brechstange aus. Komme, was wolle.
Experten kritisieren Verhalten von Max Verstappen: "Er ist besser als das"
Wenn selbst die treusten Fürsprecher im eigenen Rennstall, unter anderem Teamchef Christian Horner und Motorsportberater Dr. Helmut Marko, keine verteidigenden Worte mehr finden, dann muss erfahrungsgemäß schon wirklich einiges passiert sein. Während Horner das Manöver ein wenig liebevoll als "Divebomb" bezeichnete, hielt Marko lediglich die harte Strafe für ungerecht. Ein "Exempel" wolle man am RB-Piloten statuieren, so der 81-Jährige.
Deutlich heftiger fiel die Kritik dann beim etwas unbefangeneren Publikum aus. "Ich hasse es, wenn er solche Sachen macht. Er ist besser als das", schimpfte Ex-Pilot Martin Brundle. Weltmeister Damon Hill legte sogar noch einen drauf: "Max könnte seinen Ansatz ändern. Aber ich denke, bevor das passiert, wird eher die Hölle zufrieren."
An Verstappens Verhalten wird das freilich nichts ändern. Weder bekommt man nach dem Rennen eine Entschuldigung oder irgendeine Art der Einsicht serviert, noch wird er sich auf der Strecke anpassen. "Wenn man langsamer ist, kommt man in diese Situationen. Ich gebe nicht so einfach auf", meinte der Niederländer nach Zieleinfahrt. Die Zeitstrafe sei am Ende ohnehin nebensächlich gewesen, denn: "Auch ohne die Strafe hätten wir überhaupt keine Chance gehabt, um den Sieg zu kämpfen. Es war ein wirklich schlechter Tag für uns."
Dennoch, und das muss man deutlich festhalten, ist Red Bull hinter Ferrari und McLaren nur noch drittstärkste Kraft und muss seine technischen Defizite dringend beseitigen. Verstappen kann durch seine Klasse Defizite wie im Qualifying kaschieren, frei von Fehlern ist der Weltmeister aber nicht. Norris kann trotz eines Rückstands von 47 Punkten zuversichtlich auf die verbleibenden vier Rennen blicken. Die Sorge vor weiteren Szenen wie in Mexiko und auf eine damit einhergehende Eskalation des WM-Kampfes, sie wächst allerdings auch.
Formel 1: Stand in der Fahrerwertung und der Konstrukteurswertung nach 20 von 24 Rennen
Fahrerwertung:
Pos. | Fahrer | Pkt. |
1. | Max Verstappen | 362 |
2. | Lando Norris | 315 |
3. | Charles Leclerc | 291 |
4. | Oscar Piastri | 251 |
5. | Carlos Sainz | 240 |
6. | Lewis Hamilton | 189 |
7. | George Russell | 177 |
8. | Sergio Perez | 150 |
9. | Fernando Alonso | 62 |
10. | Nico Hülkenberg | 31 |
11. | Lance Stroll | 24 |
12. | Yuki Tsunoda | 22 |
13. | Kevin Magnussen | 14 |
14. | Alexander Albon | 12 |
15. | Daniel Ricciardo | 12 |
16. | Pierre Gasly | 9 |
17. | Oliver Bearman | 7 |
18. | Franco Colapinto | 5 |
19. | Esteban Ocon | 5 |
20. | Liam Lawson | 2 |
21. | Guanyu Zhou | - |
22. | Logan Sargeant | - |
23. | Valtteri Bottas | - |
Konstrukteurswertung:
Pos. | Team | Pkt. |
1. | McLaren | 566 |
2. | Ferrari | 537 |
3. | Red Bull Racing | 512 |
4. | Mercedes-Benz | 366 |
5. | Aston Martin | 86 |
6. | Haas | 46 |
7. | Racing Bulls | 36 |
8. | Williams | 17 |
9. | Alpine | 14 |
10. | Sauber | - |