Prophet Vettel entkräftet seine Skeptiker

Alexander Maack
05. November 201211:57
Nachdem er aus der Box aufs Podest fuhr, feierte Sebastian Vettel seine Leistung ausgiebigGetty
Werbung
Werbung

Mit seiner doppelten Aufholjagd in Abu Dhabi hat Sebastian Vettel allen Kritikern bewiesen, dass er ein echter Racer ist. Schon bei der Premiere in Austin könnte die Entscheidung im Kampf um die Fahrer-WM fallen. Ferrari ärgert sich über die verpasste Chance von Fernando Alonso, Lewis Hamilton wird zur tragischen Figur und Kimi Räikkönen krönt sein Comeback.

"Einmal das Feld von hinten aufzurollen, reicht normalerweise, aber wir haben es heute zwei Mal gemacht", erzählte Vettel nach dem Rennen in Abu Dhabi erleichtert: "Die ersten Runden waren nicht ganz einfach. Ich wollte so schnell wie möglich an den Autos vor mir vorbei, um den Anschluss an die Spitze nicht zu verlieren. Dabei habe ich mir den Frontflügel beschädigt, was nicht ideal war."

Dennoch fuhr er weiter und machte Platz für Platz gut, bis er in der Safety-Car-Phase auf Daniel Ricciardo traf. Der Australier im kleinen Red-Bull-Team bremste seinen Toro Rosso extrem ab, Vettel gab im selben Moment Gas und musste ausweichen. Die rechte Endplatte seines Frontspoilers machte Bekanntschafft mit einem Styroporschild am Streckenrand.

"Wäre das 50 Meter weiter vorne oder hinten passiert, hätte ich meinen Frontflügel nicht beschädigt. Dann mussten wir das Feld noch einmal von hinten aufrollen. Da hieß es dann: Alles oder nichts", so Vettel, der nach dem Wechsel der Nase seines RB8 eine zweite furiose Aufholjagd hinlegte.

Es wurde zu einer Demonstration seiner fahrerischen Klasse. Viele Kritiker hatten Vettel immer wieder vorgeworfen, er könne nur überholen, wenn sein Auto überlegen sei. Eine Unterstellung, die dem WM-Führenden durchaus missfallen haben dürfte.

Vettel kündigte Podestplatz vor dem Rennen an

So war es an seinem Teamchef, nach dem Rennen eine Lanze für den deutschen Doppelweltmeister zu brechen. "Heute hat er gezeigt, dass er ein fantastischer Racer und ein fantastischer Champion ist", sagte Christian Horner bei "RTL".

Später offenbarte Horner im Interview bei "Sky Sports F1", dass Vettel seinen Triumph vorausgeahnt hatte: "Als ich vorher in seinem Zimmer war und er Schlagzeug gespielt hat, sagte er: 'Ich sehe dich später auf dem Podium.' Ich dachte, er macht einen Witz, aber er war überzeugt davon."

Immer wieder betont Vettel, welch gute Arbeit sein Team leistet. Er stellt seine Leistung nie über die der Crew an der Strecke und in der Fabrik im britischen Milton Keynes. Selbst nach seiner doppelten Aufholjagd lobte er das Team: "Wir haben ein fantastisches Auto, das Team ist in Superform, so kann es weitergehen."

Kein Wort des Vorwurfs zur Tankpanne im Qualifying, die wie bei Lewis Hamilton in Barcelona zur Streichung der Rundenzeiten geführt hatte und Vettel durch die Strafversetzung ans Ende der Startaufstellung fast um wichtige WM-Punkte gebracht hätte.

Kaum Änderungen in der Fahrer-WM

Die Wichtigkeit von Vettels Parforceritt offenbart sich erst beim Blick auf den Stand in der Fahrer-WM. Vor dem Rennen hatte der Heppenheimer 13 Punkte Vorsprung auf Fernando Alonso, der vor der Sommerpause schon fast uneinholbar schien.

Weil Vettel in Abu Dhabi nur einen Platz schlechter war als Alonso, schmolz das Mini-Polster nur um drei auf jetzt zehn Zähler. Bei einem Alonso-Sieg ohne Punkte für Vettel wäre der Ferrari-Pilot mit zwölf Punkten in Führung gegangen.

"Ferrari und Fernando hatten eine große Chance, aber wir haben sie nicht zugelassen. Ich habe es heute sehr genossen, mehr als alles andere", sagte Vettel. Nach der Bekanntgabe der Spritpanne im Qualifying hatte sich Vettel jeglichen Interviews verweigert. Horner erklärte das Ausrollen des Autos mit menschlichem Versagen.

Ferrari und Alonso schöpften daraufhin Mut. "Wenn so etwas passiert, dann ist das im ersten Moment natürlich eine gute Sache für uns, sagte Teamchef Stefano Domenicali gegenüber "Sky Sports F1". Alonso, der wie Vettel bis zur Bekanntgabe der Strafe in der Boxengasse ausgeharrt hatte, war wesentlich deutlicher in seiner Wortwahl.

Alonsos Plan geht nicht auf

Er sei zufrieden, erklärte der WM-Zweite und fügte an: "Diese Chance muss ich nun aber auch nutzen." Ein Plan, der trotz seiner guten Leistung nur bedingt aufging. Der Spanier dürfte sich aber wesentlich mehr erhofft haben als mickrige drei Punkte.

"Wenn man mir diese Frage gestern nach dem Qualifying gestellt hätte, dann wäre ich mit den drei gewonnen Punkten zufrieden gewesen. Wenn ich aber die Startposition von Sebastian bedenke, dann hätten wir schon gehofft, dass wir mehr Punkte holen", gab Domenicali zu.

Auzustecken kommt für Alonso immer noch nicht in Frage. "Ein Samurai arbeitet ohne Unterlass, ohne die geringste Ermüdung oder sich im geringsten entmutigen zu lassen, bis er das Ziel erreicht hat", twitterte der Ferrari-Pilot nach dem Grand Prix.

Ferraris Teamchef setzte sich derweil bis zum Rennen in den USA dieselben Ziele, die die Scuderia schon nach dem Indien-GP ausgegeben hatte: "Es ist wichtig, dass wir jetzt am Auto weiterarbeiten, damit wir verstehen, warum uns im Qualifying die Performance fehlt. Heute im Rennen war die Leistung auf der Reifenmischung medium gut, aber man darf nicht vergessen, dass Hamilton ausgefallen ist."

Hamilton als tragische Figur

Der McLaren-Pilot war die tragische Figur des Wüsten-GP. Er führte das Rennen souverän an und tritt doch ohne einen einzigen WM-Zähler im Gepäck die Abreise an. Beim Abschied von McLaren wiederholt sich die Geschichte für Hamilton. Schon in Singapur schied er in Führung liegend aus. In Abu Dhabi erneut das Pech: Die Benzinpumpe versagte.

"Bis zu diesem Punkt hatte er das Rennen im Sack und es steht außer Frage, dass das gesamte McLaren-Team absolut enttäuscht ist, dass er nicht in der Lage war zu gewinnen, obwohl er sich keinen Fehler geleistet hat", sagte Teamchef Martin Whitmarsh geknickt.

SPOXspox

Sein Fahrer schlich enttäuscht zurück in die Box. Es wird wohl noch einige Tage dauern, bis Hamilton den Ausfall verdaut hat: "Es ist niederschmetternd, denn wir hatten wirklich einen tollen Speed. Es war fast sicher, dass wir hier einen Sieg feiern würden."

So aber bleibt das McLaren-Problem. Schon zum fünften Mal kam Hamilton nicht ins Ziel. Die WM-Führenden Vettel und Alonso fielen beide je zweimal aus. Ohne Zuverlässigkeit gewinnt aber niemand in der heutigen Formel 1 die Weltmeisterschaft.

Räikkönens Zuverlässigkeit macht sich bezahlt

Der Inbegriff der Verlässlichkeit ist unterdessen zu seinem ersten Sieg in diesem Jahr gefahren. Keinen einzigen Kilometer verpasste Kimi Räikkönen in dieser Saison. Nur der Speed fehlte dem Iceman bei einigen Rennen. Trotzdem stand er in Abu Dhabi bereits zum siebten Mal in seiner Comebacksaison nach dem zweijährigen Rallyabstecher auf dem Podium.

"Ich hatte gehofft, schon früher ein Rennen zu gewinnen, sagte Räikkönen: "Ich hoffe, dass sich heute das Blatt gewendet hat und wir noch viele gute Rennen und Siege erleben werden. Wenn nicht in dieser Saison, dann in der nächsten."

Der aktuelle Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM