So sehr sich Toto Wolff nach dem Qualifying auch darum bemüht hatte, den Eindruck zu erzeugen, seine Piloten hätten immer noch ein unbelastetes Verhältnis - keiner wollte ihm wirklich glauben. Doch nach dem Rennen gab selbst der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG die Zurückhaltung auf.
"Zwischen den Fahrern knistert es nicht ein bisschen, sondern heftig. Das treibt mich in den Wahnsinn, aber so ist Racing eben", sagte Dieter Zetsche und bestätigte die Vorurteile über seine Fahrerpaarung: "Es mag sein, dass Lewis auf eine Runde eine Zehntel schneller ist und es mag sein, dass Nico konstanter ist."
Wie gut sich Rosberg und Hamilton noch verstehen, zeigte eine kleine Episode nach dem Monaco-GP, als sich die Stimmung eigentlich beruhigt hatte. Reden sie noch miteinander? "Natürlich", bekundete der deutsche Sieger, der immer noch versucht, das Bild von zwei Freunden aufrecht zu halten, die um den WM-Titel kämpfen. "Nein", antwortete sein englischer Teamkollege.
Wolff: "Die beiden können nicht Freunde sein"
Hamilton kocht. Er ist Racer. Er will vorne sein. Ein zweiter Platz ist nicht gut genug. Schon gar nicht, wenn der eigene Teamkollege vor ihm liegt und er sich um die Pole-Position betrogen fühlt. Dass er nach seinem zweiten Platz nicht gratuliert, dass er auf dem Siegesfoto des Teams widerwillig lächelt, überrascht sein Team nicht.
"Was erwarten Sie? Wenn die zwei sich um die gleiche Frau streiten würden, wäre es auch nicht anders", sagt Wolff: "Die beiden können nicht Freunde sein, auch wenn sie das am Saisonbeginn behauptet haben." Gut, dass beide Fahrer fest vergeben sind.
Monaco-GP-Analyse: "Leider hat Nico keinen Fehler gemacht"
So kann zumindest Niki Lauda hoffen, dass sich Hamilton bis zum Kanada-GP wieder beruhigt. "Lewis hat Nico Absicht unterstellt, als er sich in der Mirabeau-Kurve verbremst hat. Nico sagt, er hat einen Fehler gemacht, und er hat sich bei Lewis entschuldigt. Lewis wird jetzt drüber schlafen, mit seiner Nicole eine Party feiern und irgendwann einsehen, dass Nico die Wahrheit sagt", hofft der Aufsichtsratschef des F1-Teams auf die Wirkung von Hamiltons US-amerikanischer Lebensgefährtin Nicole Scherzinger.
Die Formel-1-Legende aus Österreich ist eigentlich selbst der ausgleichende Faktor zwischen den beiden Fahrern, die ihn zutiefst respektieren. Doch selbst Lauda ist mittlerweile mit seinem Latein am Ende. Schon vor dem Wochenende sagte er, ein Crash werde immer wahrscheinlicher.
Lauda: "Froh, wenn die zwei Hallo sagen"
"Ich bin schon froh, wenn die zwei wenigstens noch Hallo sagen. Wenn das mal nicht mehr der Fall ist, kann die Situation außer Kontrolle geraten", sagt Lauda mittlerweile. Für den Kanada-GP in Montreal kündigte er ein Gespräch mit Hamilton an. Er wolle ihn fragen, wo sein Problem liegt.
"Sie sind sehr verschiedene Charaktere", versuchte Wolff die Differenzen zu erklären und verkomplizierte sich anschließend: "Sollte es zu einer Situation kommen, bei der man ganz klar sagen kann, dass einer beiden einen Unfall produziert hat, würde das heißen, dass unser System gescheitert wäre, beide frei fahren zu lassen. Dann würden wir intervenieren und die Sache langweiliger machen."
Im Klartext: Wenn die Silberpfeil-Piloten sich wie Ayrton Senna und Alain Prost gegenseitig abschießen, wenn die Situation endgültig eskaliert, führt Mercedes die Stallorder ein. "Ich werde zumindest versuchen, respektvoll zu bleiben", lenkt Hamilton etwas ein: "Ich glaube, das gilt für beide Seiten der Garage: Wir wollen einen fairen Fight."
Erstes Verbot für Hamilton und Rosberg
Damit der Kampf wirklich fair und mit gleichen Waffen erfolgt, schreitet Mercedes schon jetzt ein und spricht ein erstes Verbot aus. Ab sofort ist es keinem der beiden mehr erlaubt, nach eigenem Gutdünken die Motorleistung am Lenkrad zu steigern. "Das wird definitiv nie wieder passieren", sagte Wolff: "Sie probieren wohl aus, wie weit sie die Linie übertreten können und was die Konsequenzen sind."
Lauda verriet in Monte Carlo, dass Rosberg nach dem Spanien-GP sauer war. Hamilton hatte mit einer aggressiveren Einstellung der Motorsoftware seinen Sieg gesichert - entgegen der Ansage des Teams. Dasselbe Mapping hatte Rosberg allerdings offenbar in Bahrain für seine Jagd benutzt.
Zumindest der Deutsche war sich keiner Schuld bewusst. "Ich weiß nicht, worauf sich Niki bezieht. Es ist total normal, dass wir zwischen den Einstellungen wechseln. Das machen wir immer im Rennen. Es ist nichts ungewöhnliches", sagte der 28-Jährige, der sein Ziel beim Heimspiel umgesetzt hat: "Lewis hatte das Momentum auf seiner Seite und ich musste das wirklich brechen. Das habe ich dieses Wochenende geschafft."
Hamilton hatte kein Recht auf den ersten Stopp
Zum Ärger von Hamilton, der schon im Rennen fluchte, weil er nicht vor der Safety-Car-Phase an die Box durfte. Dabei hätte er es besser wissen müssen. "Wir haben eine Regel, dass derjenige zuerst an die Box darf, der vorne liegt", gab er später zu. Trotzdem forderte er das Recht für sich.
Mercedes hat ein Luxusproblem. Das Auto ist meilenweit überlegen. Red Bull und Ferrari sind wohl bis zur Sommerpause abgeschlagen. Die restlichen Teams können nur auf Glanzleistungen ihrer Piloten hoffen, um sich dahinter einzuordnen. Mittlerweile spielen deshalb beide Mercedes-Piloten mit Psychostricks. Hamilton attackierte in Interviews, Rosberg verzichtete bei der eigentlich gemeinsam abgehaltenen Nachbesprechung des Qualifyings auf Hamilton.
"Du musst ein Bastard sein, wenn du in der Formel 1 Erfolg haben willst. Nette Jungs gewinnen nichts. Deshalb nutzen sie alle Tricks", sagt Lauda und schließt sich Zetsche an: "Wir haben zwei grundverschiedene Fahrer, die zum gleichen Resultat kommen. Lewis ist ein bis zwei Zehntel schneller, wenn es um die Chaosrunde im Training geht. Nico muss das mit mehr Arbeit kompensieren."
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