Aus deutscher Sicht war das Rennen auf dem Hungaroring eine einzige Enttäuschung. Die schwarz-rot-goldene Startreihe eins verwandelte sich in die Plätze vier und siebter. Statt mit einem positiven Abschluss der ersten Saisonhälfte verabschiedeten sich Rosberg und Vettel am Sonntag mit Rückschlägen in die Pause bis zum Belgien-GP Ende August.
ANALYSE Drama! Ricciardo nutzt das Regen-Chaos
Der Frust war riesig. "Beim Restart haben wir es klasse hinbekommen und man hat mich in einem Mapping gelassen, bei dem ich keine Batterie hatte. Im Prinzip hatte ich nur die Leistung vom Motor, was natürlich grandios war, um zwei Plätze zu verlieren", flüchtete Vettel in Sarkasmus: "Dann kommt mein Dreher dazu. Ich wusste, dass ich früher aufs Gas muss, um den Mercedes hinter uns zu halten, und es war dann etwas zu weit."
Der Grund für die erneute Niederlage im teaminternen Duell war aber ein anderer als der Dreher, bei dem der 27-Jährige gerade noch den Einschlag in die Mauer verhinderte. Die Safety-Car-Phase nach dem Crash von Marcus Ericsson zerstörte alle Hoffnungen auf das beste Resultat der Saison 2014 oder zumindest den dritten Besuch auf dem Podium.
Horner: "Sebastian ist ein fantastisches Rennen gefahren"
"Es war einfach ein sehr unglückliches Rennen für Sebastian", nahm Red-Bull-Teamchef Christian Horner das Aushängeschild seines Teams in Schutz: "Als das Safety Car kam, war er schon an der Box vorbei und dann hatte er auch noch den Dreher, bei dem er den Reifen kaputt gemacht und die Strategie zerstört hat. Er ist dennoch ein fantastisches Rennen gefahren."
Mit Wut im Bauch sicherte sich der Heppenheimer letztlich Platz sieben. Mehr war nach dem unglücklichen Verlauf einfach nicht drin. Dabei schien Vettel in Ungarn endlich erstmals mit seinem RB10 zufrieden. Nach dem zweiten Platz im Qualifying lief der Beginn des Rennens zufriedenstellend. Ohne Probleme wäre endlich das erlösende Ergebnis drin gewesen, dem Vettel seit Saisonbeginn hinterherrennt.
Stattdessen war es einmal mehr sein Teamkollege, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. "Dass er heute weit genug hinten war, um an die Box zu fahren, zeigt, dass alles derzeit in seine Richtung läuft", unterstreicht Horner, dass der zweite Saisonsieg von Daniel Ricciardo mehr Glück als Verstand war.
Newey: "Daniel hat seine Klasse gezeigt"
Doch der Australier überzeugte auch persönlich. Nach seinem dritten Stopp überholte er Lewis Hamilton in dessen Mercedes vor Turn 2. "Er hat am Ende einen großartigen Job gemacht und die zwei Autos vor ihm überholt", lobte Technikdirektor Adrian Newey. "Daniel hat heute wirklich seine Klasse gezeigt", sagte Horner.
Nachdem er an Hamilton auf der Zielgeraden einfach nicht vorbeikam, nahm er ihn sich zweimal hintereinander in der zweiten DRS-Zone vor. Der erste Versuch scheiterte, beim zweiten Mal legte er eins der schönsten Überholmanöver des Jahres hin. "Es gab nur diese eine Möglichkeit zu gewinnen", sagte Ricciardo später lapidar. Fernando Alonso war anschließend lediglich Kanonenfutter. "Es war eine unglaubliche Leistung, dieses Rennen mit Perfektion und Brutalität zu gewinnen", lobte selbst Niki Lauda als "RTL"-Experte.
Rosberg von Scheitern enttäuscht
Ähnlich hätte der Mercedes-Aufsichtsratschef seinen Schützling Hamilton loben können, der Rosberg in der Schlussrunde über den Randstein drängte und so Rang drei verteidigte. "Ich dachte: 'Scheiße'", gab der WM-Führende später zu Protokoll. Seinem Teamkollegen wollte er dafür aber keine Vorwürfe machen.
"Es liegt an dem Fahrer außen, sich richtig zu positionieren, dass er nicht rausgefahren werden kann", erklärte Rosberg: "Ich habe es nicht geschafft, Lewis zu packen, das nervt mich extrem. Es war volle Attacke, alles was geht und wenn es sein muss auch noch obendrüber. Ich bin enttäuscht, denn die Chance war da und ich habe es nicht geschafft."
Noch mehr als über das nicht geglückte Manöver ärgerte er sich allerdings über die Weigerung seines Teamkollegen, ihn auf den schnelleren Reifen vorbeizulassen. Rosberg wollte sich zwar nicht genau äußern, doch seine Verärgerung war ihm anzusehen. "Wir werden uns zusammensetzen und analysieren, wo wir stehen, wie wir es in der Zukunft machen wollen und was es bedeutet hat. Dann schauen wir", wich auch Motorsportchef Toto Wolff aus.
Hamilton über Mercedes schockiert
Ganz anders beurteilte die Situation der, der den Fuß vom Gas nehmen sollte: "Ich war geschockt, als mir das Team gesagt hat, ich soll ihn durchlassen. Ich bin dasselbe Rennen wie er gefahren. Wenn ich ihn durchgelassen hätte, wäre er weggezogen. Er war nicht nah genug zum Überholen dran. Ich wolle nicht vom Gas, um dann auf Fernando und Daniel zu verlieren."
Auch wenn Lauda die Entscheidung als richtig einstufte, blühen Hamilton für seine Weigerung noch einige Auseinandersetzungen. "Aus emotionaler Sicht kann ich seine Entscheidung als Rennfahrer auf der Strecke verstehen", sagte Technikchef Paddy Lowe: "Wir müssen das analysieren und wir müssen das Rennfahren der beiden diskutieren. Es wird intensiv."
Der Funkspruch des Teams war mehr als verständlich: Zum Zeitpunkt der Anweisung war Rosberg klar schneller "Wir hatten nie Stallorder. Es war keine klare Stallorder", versuchte Wolff die aufkommenden Diskussionen zu unterbinden. Hätte Rosberg sein Tempo beibehalten, wäre es interessant geworden. Hätte Hamilton sich weiter verteidigt und damit die Strategie seines Teamkollegen zunichte gemacht?
Wolff über Zweikampf: "Wir sind an der Grenze"
Letztlich geht es für Mercedes nicht nur darum, seine Fahrer mit offenem Visier gegeneinander kämpfen zu lassen. Hamilton drohte Rosbergs Siegambitionen zu zerstören, die zu diesem Zeitpunkt vorhanden waren. "Wir müssen zugeben, dass wir an der Grenze dessen sind, was wir Anfang der Saison entschieden haben", gab selbst Wolff angesichts der teaminternen Reibereien zu.
"Jetzt ist erstmal die Sommerpause. Und die Fahrer vergessen schnell", scherzte Lauda. Vielleicht sollten es alle Beteiligten einfach mit Christian Horners Einschätzung halten: "Es war ein unglaubliches Rennen. Das war die Formel 1 at it's best", sagte der Red-Bull-Teamchef und freute sich, unter ein Thema vorerst einen Strich machen zu können: "Sebastian hatte in der ersten Hälfte so viel Pech. Ich bin sicher, dass er in der zweiten Saisonhälfte mit einem Knall zurückkommt."
Stand in der Fahrer- und Kontrukteurs-WM