Die Formel-1-Saison 2015 verspricht Spannung: Fünf Weltmeister, drei Deutsche, ein Haufen talentierter Neulinge. SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen von Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Fernando Alonso und Co. und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 1: Der Australien-GP in Melbourne.
Platz 1, Lewis Hamilton: Der Weltmeister startet die Saison 2015, als hätte es keine Winterpause gegeben. Beim Australien-GP knüpfte er nahtlos an seine Topform der letzten Rennen im Vorjahr an und entschied das interne Duell bei Mercedes schon am Samstag mit der Pole Position für sich. Ich klopfe mir an dieser Stelle für meine Behauptung im Torque Talk auf die Schulter.
Im Ernst: Hamilton hat das Qualifying genutzt, um sich auf einer überholunfreundlichen Strecke die bestmögliche Ausgangslage zu sichern. Nach seinem guten Start drohte dann wenig Gefahr. Er erarbeitete sich einen angebrachten Vorsprung von zwei Sekunden, wobei er weniger Benzin verbrauchte als Teamkollege Nico Rosberg. Dann konnte er mit Halbgas zum Sieg cruisen.
Dass Hamilton am Freitagabend das Setup seines Teamkollegen kurzerhand übernahm, weil der schneller war, könnte ich ihm negativ auslegen. Sein Erfolg baute schließlich auf Rosbergs Arbeit auf. Aber warum? Mercedes ist ein Team, die Informationen werden geteilt. Dass der Engländer sich bedient, ist also nicht verwerflich. Hält Hamilton seine Topform, wird es ganz schwer für Rosberg, einen Stich zu machen.
Platz 2, Felipe Nasr: Ein Herz für Paydriver! Nasrs Sponsor bekam im Gegenzug für seine Millionen einen Platz für seinen Fahrer und obendrein die Sauber-Lackierung. Und der Brasilianer zeigte gleich bei der ersten Gelegenheit, dass kaum ein aktueller Bezahlfahrer eine Niete ist. Dass sich Daniel Ricciardo, Carlos Sainz Jr. und Kimi Räikkönen rundenlang im Formationsflug die Zähne an ihm ausbissen, ist keine Selbstverständlichkeit. Platz 5 trotz des Ferrari-bedingten Aufschwungs ebenso wenig.
Nasr profitierte dabei aber nicht von Problemen. Er sicherte seinen überragenden Einstand mit der besten Platzierung eines debütierenden Brasilianers in der gesamten Formel-1-Geschichte durch einen Blitzstart und ein gutes Qualifying, bei dem er nur um eine Zehntel Q3 verpasste.
Der Brasilianer war für mich auf einem Niveau mit Hamilton. Nicht zuletzt, weil ihm als Rookie, der zuvor nie im Albert Park fuhr, aufgrund des Vertragsstreits von Giedo van der Garde und Sauber auch noch das 1. Freie Training geklaut wurde. Halten wir fest: Blitzsaubere Leistung, hoffentlich wiederholt er nicht die Geschichte von Kevin Magnussen. Die Williams-Testfahrerschule macht sich bisher mal wieder bezahlt.
Platz 3, Nico Hülkenberg: Auch Hülkenberg ist einer dieser ehemaligen Testfahrer des Teams von Frank Williams. Dass der Deutsche fahren kann, hat er schon mehrmals bewiesen. Wie gut, zeigte er auch in Melbourne. Sicher, sein Rennen war unauffällig. Aber verglichen mit Teamkollege Sergio Perez war Hülkenberg eine Wucht.
Während der Mexikaner sich abquälte, um zumindest am chancenlosen McLaren-Honda von Jenson Button vorbeizukommen, spulte Hülkenberg konzentriert seine Runden ab und fuhr dabei von Startplatz 13 auf Rang 7 vor. Angesichts der späten Fertigstellung seines Force Indias ein mehr als akzeptables Ergebnis. Mehr war nicht zu holen.
Platz 4, Sebastian Vettel: Der vierfache Weltmeister konnte mit seinem Ferrari-Debüt zufrieden sein. Es lief schließlich alles nach Plan. Felipe Massa fing er ab, in dem er seine Reifen im ersten Stint im Schatten des Williams schonte und drei Runden länger draußen blieb.
Normalerweise wird im Pirelli-Zeitalter von den Strategen nur noch der Undercut eingesetzt: Früher reinkommen, den Vorteil der neuen Reifen nutzen, vorbeifahren. Der Offset, bei dem man länger draußen bleibt und dann mit den frischeren Reifen gegen Ende des nächsten Stints den Vorausfahrenden überholt, ist mittlerweile beinahe ausgestorben.
Vettel nahm Massa nach dessen Boxenstopp direkt 0,8 Sekunden pro Runde ab. Als der Brasilianer dann auch noch Ricciardo überholen musste und weitere 1,5 Sekunden verlor, war Vettel nicht mehr aufzuhalten und kam nach seinem Stopp vor dem Williams auf die Strecke zurück. Perfekt umgesetzte Strategie, den maximal möglichen dritten Platz gesichert.
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Platz 5, Carlos Sainz Jr.: Achter am Start, Fünfter nach der ersten Runde - Lampenfieber hatte der amtierende Champion der Renault World Series eindeutig nicht. Zwar beendete Sainz Jr. das Rennen nur als Neunter, doch weder der Platzverlust beim Re-Start noch die Wartezeit beim Boxenstopp waren sein Fehler.
Ohne den 30-sekündigen Zeitverlust beim Reifenwechsel wäre der Spanier direkt hinter Daniel Ricciardo ins Ziel gekommen. Und das mit der laut Red Bull unsäglich schlechten Renault-Powerunit in einem Mittelklasse-Chassis. Nicht schlecht! Zumal Wunderkind Max Verstappen nicht mithalten konnte.
Platz 6, Felipe Massa: Dass er Platz 3 nicht bis ins Ziel brachte, lag nicht am Brasilianer. Doch dass er überhaupt dort hingekommen war, ist im Nachhinein eher als Glück einzuordnen. Massas Runde in Q3 war schwach, das gab selbst das Williams-Team zu.
Vettel hätte ohne eigenen Fehler vorbeifahren können, auch Räikkönen hatte die Chance. Wenn Teamkollege Valtteri Bottas bis zum Malaysia-GP wieder fit ist, muss Massa seine Leistung deutlich steigern.
Platz 7, Kimi Räikkönen: Der Iceman war selbst unzufrieden über seine Leistung am Freitag und Samstag. Ich will ihm da nicht widersprechen, auch wenn er im Qualifying nur ein wenig langsamer war als Vettel.
Die Aufholjagd im Rennen war dafür aller Ehren wert. Räikkönen, der vermeintliche Reifenflüsterer, blieb als einziger Pilot nach der frühen Safety-Car-Phase auf der Zwei-Stopp-Strategie und arbeitete sich wieder auf Rang 5 vor, bis das lockere Rad ihn zur Aufgabe zwang.
Platz 8, Jenson Button: Mehr als der letzte Platz war für den Engländer nicht zu holen. Aber immerhin: McLaren hat das Ziel erreicht. Daran hatte Button einen großen Anteil. Er lieferte Perez zwar einen rundenlangen, fairen Kampf und hielt den Force India mit Mercedes-Power erfolgreich hinter sich. Als der Mexikaner ihm allerdings übermotiviert in die Seite fuhr, ließ ihn Button ziehen.
So hätte der 35-jährige Routinier fast das schier Unmögliche geschafft: Einen Punkt mit dem aktuell meilenweit unterlegenen Honda zu holen. Nur ein weiterer Ausfall fehlte. Klar, sein Anspruch kann das nicht sein. Aber Button hatte seinen Teamkollegen Kevin Magnussen klar im Griff und fuhr überlegt mit nachvollziehbarer Taktik, was für mich eine gute Leistung war.
Platz 9, Daniel Ricciardo: Es ist schwer, den Australier bei seinem Heim-GP zu bewerten. Für ihn spricht, dass der Renault dauerhaft Probleme machte, ihm viel Trainingszeit raubte und dann auch noch Sainz Jr. und Nasr ernsthafte Konkurrenten waren. Hätte er daran etwas ändern können? Wohl kaum. Trotzdem schien er mir an diesem Wochenende nicht herausragend.
Platz 10, Nico Rosberg: Der Vizeweltmeister hat das Sieger-Setup entwickelt, ansonsten aber kaum Pluspunkte gesammelt. Im Qualifying distanziert, im Rennen ohne Chance - so wird es nichts mit dem Titel. Wäre der Australien-GP ein normales Formel-1-Rennen gewesen, Rosberg hätte wohl keinen Punkt von mir bekommen.
Bei nur 15 startenden Fahrern reichte es gerade so noch für einen Platz unter den besten Zehn. Ich bete, dass dieser Zustand nicht zur Gewohnheit wird. Nicht die Mercedes-Dominanz sorgt für Langeweile, sondern ein viel zu kleines Starterfeld.
Untauglich 1, Sergio Perez: Checo knüpfte in Melbourne an alte Zeiten an - es waren die schlechten bei McLaren. Seinen ehemaligen Teamkollegen Button rammte er fast von der Strecke, in der Safety-Car-Phase überholte er. Nein, Punkte hat der Mexikaner eindeutig nicht verdient.
Untauglich 2, Kevin Magnussen: Für McLaren gab es in Australien nur ein Ziel: Kilometer abspulen, um weitere Probleme der Honda-Antriebseinheit auszumerzen. In dieser Situation ist es höchst unbefriedigend, wenn der Fahrer sein Auto im Training aus eigener Unfähigkeit in die Mauer setzt. Der Unfall des Dänen raubte McLaren wichtige Testkilometer.
Ein Jahr nach seinem Fabeldebüt hat Magnussen die Entscheidung seines Arbeitgebers im Nachhinein begründet, Jenson Button den Vorzug zu geben. Der 22-Jährige braucht für die Zukunft wohl einen neuen Arbeitgeber. Dass er nach einem Jahr als Ersatzfahrer noch mal ins Cockpit zurückkehrt? Unwahrscheinlich, zumal mit Stoffel Vandoorne nach dieser Saison das nächste, wohl größere Talent aus dem McLaren-Nachwuchs bereit für die Formel 1 ist.
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