Zumindest eine Übergangslösung. Seitdem Renault-Konzernchef Carlos Ghosn die Trennung von Red Bull bekanntgab, um den Österreichern die Deutungshoheit über die Beziehung der ehemaligen Verbündeten abzunehmen, ist es ruhig um den Vorgang geworden. Der bis Saisonende 2016 datierte Vertrag gilt noch. Die Auflösung ist nicht erfolgt.
Dafür gibt es einen Grund: Renault ist mittlerweile die einzige Option für Red Bull, um zur Saison 2016 überhaupt in der Formel 1 starten zu können.
Die Verhandlungen mit sämtlichen anderen Herstellern sind im Sande verlaufen. Der Vorwurf ist klar: Red Bull würde mit identischen Powerunits die Werksteams von Ferrari, Mercedes und Honda in Gefahr bringen, deshalb will keiner liefern.
McLaren-Chef Ron Dennis soll sein Veto gegen die Red-Bull-Honda-Kooperation eingelegt haben, nachdem die Verantwortlichen sich in den USA getroffen hatten. Aus Sicht des Briten ist die Entscheidung verständlich: Red Bull Racing, das Überteam der Prä-V6-Turbo-Hybrid-Ära mit identischen Motoren wie das eigene Auto? Die Gefahr, dass das Kundenteam aus Milton Keynes mit dem für den Exklusivpartner aus Woking entwickelten Antrieb bessere Resultate holt, wäre zu groß. Dennis wäre in Erklärungsnot.
Die ganze Red-Bull-Mercedes-Geschichte
Bei den anderen Herstellern ist die Situation aber nicht so einfach. Gerade der Fall Mercedes ist vielschichtig.
Die Stuttgarter waren der Auslöser für die immer intensiver werdenden Red-Bull-Attacken gegen Renault, die in einer PR-Kampagne beim Österreich-GP Ende Juli 2015 gipfelten. Die Verantwortlichen der Silberpfeile waren zu Gesprächen bereit. Allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Erster Kontakt in Silverstone
Mateschitz' Team war schon beim Großbritannien-GP Anfang Juli an Mercedes herangetreten. Teamchef Christian Horner und Motorsportberater Helmut Marko hatten einen Brief verfasst. "Ich habe gesagt: 'Ja, aber vorher müssen wir mit Herrn Mateschitz reden, denn Herr Mateschitz mochte Mercedes aus irgendeinem Grund nie'", offenbarte F1-Aufsichtsratschef Niki Lauda in Austin gegenüber Sky Sports F1 die Abläufe.
Lauda wurde mit Zustimmung des Daimler-Aufsichtsrats als offizieller Vertreter von Konzernoberhaupt Dieter Zetsche zum Unterhändler bestimmt. Er traf sich mit Landsmann Mateschitz und redete. Sie fanden einen vermeintlich gemeinsamen Nenner. Mercedes war bereit, die eigene sportliche Dominanz im Tausch für genau definierte Gegenleistungen aufs Spiel zu setzen. Es kam zu einem Handschlag. Red Bull sah ihn als mündlichen Vertrag an, Mercedes nur als Verabschiedung vor weiteren Gesprächen.
Mercedes wollte Red Bull nutzen
Die Einigung scheiterte keinesfalls an potenziellen Niederlagen gegen Red Bull auf der Rennstrecke. Der sportliche Nachteil der größeren Konkurrenz sollte durch eine langfristige Zusammenarbeit im Marketing ausgeglichen werden. "Wir würden ihnen einen Motor geben, weil wir wollen, dass die jungen Red-Bull-Kids eine A-Klasse fahren", erklärte Lauda.
Wolff machte die Gedanken öffentlich: "Wenn wir schon in der Formel 1 beschädigt werden, wie viel können wir dann auf der globalen Bühne von den Red-Bull-Erfolgen profitieren? Können wir ein Sondermodell bringen? Können wir gemeinsame Events durchführen? Können wir gemeinsame Plattformen aufbauen? Wir haben zu ihnen gesagt: 'Bitte gebt uns den Namen einer Person, mit der wir darüber sprechen können.'"
Aston Martin wurde als möglicher Sponsor ins Spiel gebracht, der Infiti ablösen könnte. Schließlich entwickelt Mercedes seit Ende 2013 die Motoren für die Straßenautos der englischen Traditionsmarke und erhielt dafür bis zu fünf Prozent der Firmenanteile. Bei Aston Martin arbeiten mittlerweile die Leute, die schon den Marketing-Deal zwischen Renault-Nissan und Red Bull Racing eingefädelt hatten, und Ingenieurgenie Adrian Newey entwickelt als Aushängeschild der Schwesterfirma Red Bull Technology mit Aston Martin einen Supersportwagen für die Straße.
Ein folgenschweres Missverständnis
Doch so logisch die Verbindung auch schien, Lauda wartete vergeblich auf Mateschitz' Reaktion bezüglich Mercedes' Marketing-Wünschen: "Aber er kam nie auf uns zurück, also haben die Verhandlungen nie offiziell begonnen. Damit war die ganze Sache gestorben."
Das folgenschwere Missverständnis: Für Mercedes mussten Motorenlieferungen und Marketingabkommen Hand in Hand gehen. Red Bull wollte es wie mit Renault und Infiti machen: Erst die Antriebe, dann die gemeinsamen Vermarktung.
Bernie Ecclestone klinkte sich ein. Gesprächsbereitschaft war vorhanden, aber das Problem war akut. Es fehlte ein Blankoscheck. "Ende Juli fand eine Telefonkonferenz mit Bernie, Christian und mir selbst statt", verriet Wolff: "Dabei haben wir hervorgehoben, dass es nach dem Treffen von Niki und Dietrich Mateschitz zwei Punkte gibt, die für uns sehr wichtig sind. Das eine wäre das Einverständnis von Renault."
Der fehlende Blankoscheck von Renault
Verhandlungen mit Red Bull seitens Mercedes wären sonst einer Kriegserklärung gleichgekommen. "So lange uns Renault nicht das Go gegeben hatte, konnten wir nichts unternehmen. Das wäre ein Vertragsbruch gewesen und es gibt ein sehr viel größeres Bild als die Formel 1, was Renault und Mercedes angeht - etwa gemeinsame Fabriken in Mexiko", erklärte Wolff.
Die Kooperation der beiden großen Automobilkonzerne währt seit April 2010 und wurde Ende 2011 intensiviert. Mercedes borgte sich die französischen Range Extender, um seine Kompaktklasse kostengünstig mit Hybrid-Technik auszurüsten, dafür entwickelte Infiniti als Luxusmarke der Renault-Nissan-Allianz seinen Kompaktwagen auf Basis der B-Klasse aus Stuttgart. Einen Partner des eigenen Verbündeten in der Formel 1 abzuwerben, war daher undenkbar.
Horner erkannte trotzdem die Chance. Er machte ernst und setzte seit dem Ungarn-GP Ende Juli alle Hebel in Bewegung, um den gültigen Vertrag mit Renault zu zerstören. Das Problem: Er war wasserdichter als gewünscht. Die Franzosen mussten der Trennung vom früheren Weltmeister zustimmen, damit Mercedes überhaupt in Gespräche über eine Zusammenarbeit mit Red Bull treten konnte. Erst im September machte Ghosn die geplante Trennung öffentlich.
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