Wer so fährt, darf gerne mal crashen!

Alexander Maack
16. April 201512:30
Max Verstappen beeindruckt in seiner ersten F1-Saison mit spektakulären Manövernred bull content pool
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Die Formel-1-Saison 2015 verspricht Spannung: Fünf Weltmeister, drei Deutsche, ein Haufen talentierter Neulinge. SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen von Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Fernando Alonso und Co. und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 3: Der China-GP in Shanghai.

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Platz 1, Lewis Hamilton: Hand aufs Herz, wer sollte im Driver-Ranking zum Wochenende in Shanghai ganz oben stehen, wenn nicht der Weltmeister? Bestzeiten in allen Trainings, Pole Position, schnellste Rennrunde und ein taktisch ausgezeichnet herausgefahrener Rennsieg - welche Steigerung sollte da noch möglich sein? Um es klar zu sagen: Hamiltons Leistung schrammte an der Perfektion vorbei, wenn sie nicht sogar perfekt war.

Der 30-Jährige wusste, dass er die weichen Reifen möglichst lange konservieren muss. Er machte es perfekt. Der Weltmeister ist in Topform. Dass Nico Rosberg das nicht gefällt, dürfte klar sein. "Unnötig" war Hamiltons langsame Fahrt aber sicher nicht. Mercedes fürchtete, dass die Reifen wieder schneller abbauen würden als bei Ferrari. Deshalb fuhr Hamilton nur so schnell, wie er musste. Er hätte schneller sein können. Nur wozu? Ihm drohte keine Gefahr durch schnellere Konkurrenten, sondern durch eigene Fehler. Die schloss er durch sein Vorgehen aus.

Ohne Probleme erhöhte Hamilton sein Tempo, als das Team ihn nach dem ersten Stopp und Rosbergs anschließendem Funk-Schrei darum bat. Er fuhr direkt eine halbe Sekunde schneller als zuvor, Rosberg kam nicht hinterher. Als der Deutsche stoppte, folgten zwei Runden im unteren 1:42-Minuten-Bereich - knapp 1,5 Sekunden schneller als Rosbergs beste Zeiten vor dem Reifenwechsel. Ein klares Zeichen für Hamiltons Überlegenheit. Es schien, als hätten die beiden Mercedes-Fahrer verschiedene Autos.

Platz 2, Max Verstappen: Ich komme einfach nicht darum herum: Der Teenie aus den Niederlanden (oder besser: Der Teenie aus den Niederlanden, dessen Mutter darauf besteht, dass er Belgier ist) überflügelt die meisten Rookies, die es in die Formel 1 geschafft haben. Die Vergleiche zu Schumacher, Senna und anderen Größen häufen sich, doch auch wenn es dafür noch zu früh ist: Verstappen kann Dinge, von denen andere nicht mal zu träumen wagen.

Seine Überholmanöver in Shanghai - alle am Ende der längsten Gerade im Kalender - hätten niemals passieren dürfen. Verstappen hatte eins der langsamsten Autos im Feld. Im Qualifying lag er beim Ranking der höchsten Geschwindigkeiten auf dem 1,2 Kilometer langen Vollgasabschnitt mit 324,3 km/h auf Rang 13. Marcus Ericsson und Felipe Nasr waren in ihren Sauber acht Stundenkilometer schneller.

Verstappen hatte so viel Vertrauen in seinen Toro Rosso, dass er hohes Risiko ging und gefühlt 50 Meter später bremste. Er war nicht mal in aussichtsreicher Position und kam trotzdem an den Sauber-Piloten vorbei. Von Startplatz 13 arbeitete er sich auf Rang 8 vor. Nur sein Motorplatzer drei Runden vor Schluss kostete ihm die vier Punkte. Dieser Teenie gehört mit seinem abgeklärten, butterweichen Fahrstil zwingend in die Formel 1 - selbst wenn er irgendwann einen Unfall bauen sollte. Das Risiko lohnt sich! SPOX

Platz 3, Sebastian Vettel: Jetzt wird's kritisch. Warum ist Vettel nur Dritter? Er leistete sich doch genauso wenig Fehler wie Verstappen? Stimmt. Sein Wochenende verlief nach Plan, er holte mit Platz 3 das Maximum aus dem Ferrari raus. Mehr war gar nicht möglich. Doch Verstappen hat den Bonus der Unerfahrenheit. Er ist ein Rookie, der gerade in einer Lernphase steckt - oder stecken sollte.

Zurück zum vierfachen Weltmeister: Nach einem durchwachsenen Freitag fing Vettel nicht nur seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen im Qualifying mit einer fehlerfreien Leistung ab. Er schaffte es auch, so viel Druck auf Rosberg auszuüben, dass die Rivalität der beiden Mercedes-Piloten ein weiteres Mal zu einem kleinen Eklat führte. Bekommt der Weltmeisterrennstall die Situation nicht unter Kontrolle, dürfte Vettel der Nutznießer sein.

Platz 4, Felipe Massa: Der Williams-Pilot hätte den Sprung aufs Podium ebenfalls verdient. Seine Runde in Q3 war außergewöhnlich. Doch durch Kleinigkeiten schafft er es in meinem Ranking nicht ganz. Der Start war nicht optimal, Massa ließ sich von Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen überholen.

Massa ließ sich glücklicherweise nicht beunruhigen und schnappte sich später seinen Teamkollegen ohne DRS in Kurve 6. Der Brasilianer hat seinen hochveranlagten Teamkollegen aus Finnland aktuell unter Kontrolle. Den Unfall am Freitag rechne ich ihm übrigens nicht negativ an. Es gab einen Strömungsabriss am neuen Heckflügel, wodurch der Williams nicht mehr zu kontrollieren war.

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Platz 5, Romain Grosjean: Der Franzose kommt wieder an das Niveau heran, auf dem er in der zweiten Hälfte der Saison 2013 fuhr. Sicher, der Lotus ist wesentlich besser als im Vorjahr. Doch Grosjean setzt das Potenzial perfekt um. Platz 8 im Qualifying war keine Selbstverständlichkeit, was Teamkollege Pastor Maldonado als Elfter zeigte.

Grosjean fuhr in China seine ersten Punkte seit dem Monaco-GP im Vorjahr ein und widmete sie direkt nach der Zieldurchfahrt seinem Landsmann Jules Bianchi. Ein starkes Zeichen und deutliches Indiz, wie gereift der 28-jährige Familienvater mittlerweile ist.

Platz 6, Sergio Perez: Dafür, dass der Mexikaner schon vor dem Wochenende zugab, vom langen Warten auf Verbesserungen am nicht konkurrenzfähigen Force India frustriert zu sein, schlug er sich erstaunlich gut. In Q1 schaffte er es auf Platz 13, während Nico Hülkenberg als 17. mit fast vier Zehntelsekunden Rückstand auf den Teamkollegen die Segel strich.

Im Rennen setzte Perez die von Force India vorgegebene Dreistopp-Strategie gut um, legte sich mit den Red Bull und Sauber an und brachte Rang 11 ins Ziel. Keine Punkte für die Fahrerwertung, trotzdem sollte seine gute Vorstellung nicht untergehen. Deshalb bekommt er von mir Punkte. SPOX

Platz 7, Kimi Räikkönen: Was der Iceman direkt nach dem Start zeigte, war fast genial. Er nutze wunderbar aus, dass sich die beiden Williams gegenseitig ausbremsten, ging in Turn 3 am ersten vorbei und schnappte sich beim Herausbeschleunigen auch den zweiten. Für eine Spitzenplatzierung reicht es aber schon wieder nicht. Im dritten Rennen der Saison bekommt Räikkönen zum dritten Mal sechs Punkte von mir.

Warum? Weil er auch in China einen entscheidenden Fehler einbaute: Platz 6 in der Startaufstellung resultierte aus seinem Missgeschick, als er in Turn 3 im Qualifying viel zu weit nach außen kam. Für Räikkönen geht es wie für jeden anderen Formel-1-Fahrer zunächst darum, seinen eigenen Teamkollegen zu besiegen. Das hat er wieder nicht hinbekommen.

An Vettel kam er gegen Rennende nur heran, weil der Deutsche von Ferrari auf eine aggressive Strategie mit frühen Stopps geschickt wurde, um Mercedes unter Druck zu setzen. Dadurch bauten dessen Reifen gegen Ende der Stints stark ab. Räikkönen muss noch mehr Potenzial aus dem Auto herausholen, um mit dem vierfachen Weltmeister mitzuhalten.

Platz 8, Nico Rosberg: Was für den Iceman gilt, trifft auch auf Rosberg zu. Der 29-Jährige kommt auf der Strecke einfach nicht in Tritt. Hamilton im Rennen anzugreifen, scheint keine Option, weil der Engländer zu gut ist. Rosberg reagierte frustriert in der Pressekonferenz nach dem Rennen. Ich denke, weil er seinen eigenen Ansprüchen hinterherhinkt.

Die Situation könnte komplett anders aussehen, wenn Rosberg im Qualifying schneller gewesen wäre als der Weltmeister. Aber auch seine größte Stärke der letzten Saison scheint aktuell verpufft. Was also soll der Vizeweltmeister machen? Konzentration aufs Qualifying oder aufs Rennen? Rosberg braucht aus meiner Sicht eine Steigerung in allen Bereichen, um nach vorn zu kommen.

Platz 9, Felipe Nasr: Der Sauber-Pilot bekam im Gegensatz zu seinem Teamkollegen den neuen Frontflügel, trotzdem bekam er Probleme mit dem Reifenverschleiß auf der Vorderachse. Offenbar hat der Sauber immer noch zu wenig Anpressdruck auf der Vorderachse und rutscht in den schnellen Kurven zu stark.

Nasr holte trotz der Probleme alles aus seinem Auto raus. Startplatz 8 war sein bestes Samstagsresultat bisher. Er ließ sich am Sonntag zwar von Verstappen übertölpeln, doch der Niederländer fuhr außergewöhnlich. Ein besseres Resultat wäre für Nasr nicht möglich gewesen.

Platz 10, Will Stevens: Bevor der Engländer in Abu Dhabi erstmals ein Formel-1-Rennen fuhr, mussten selbst Insider seinen Namen googlen. Mittlerweile macht er sich zurecht einen Namen. Er war im Qualifying acht Zehntel schneller als sein Manor-Kollege Roberto Merhi.

Zur Erinnerung: Der Spanier holte als Mercedes-Junior immerhin einen Formel-3-Euroseries-Titel, sammelte zwei Jahre DTM-Erfahrung und beendete die Renault-World-Series 2014 auf dem dritten Gesamtrang hinter Carlos Sainz jr. und Red-Bull-Junior Pierre Gasly.

Nach einem durchwachsenen Start kämpfte sich Stevens am Sonntag wieder an Merhi vorbei und zeigte eine gute Pace. Und das bei seinem ersten Start in dieser Saison, nachdem er in Australien und Malaysia aufgrund der Manor-Probleme zuschauen musste. Alles in allem war es ein gutes Wochenende für den 23-Jährigen.

Härtefall, Daniel Ricciardo: Zwei Plätze verlor der Red-Bull-Pilot im Rennen. Das könnte noch für Punkte reichen, immerhin kämpfte er sich durchs halbe Feld und qualifizierte sich als Siebter so gut, wie es aktuell in seinen Auto irgendwie geht.

Sein Pedalfehler beim Start war aber zu schwerwiegend. Nur deshalb bekam er die Möglichkeit zu einer spektakulären Aufholjagd. Hätte er ihn nicht gemacht, er hätte mit Massa und Bottas um Platz 5 gekämpft.

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