Nico Rosberg: Der Klügere verliert

Alexander Maack
28. September 201515:20
Nico Rosberg musste Lewis Hamilton in Suzuka bei Fahrerparade und Start den Vortritt lassengetty
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Die Formel-1-Saison 2015 verspricht Spannung: Fünf Weltmeister, drei Deutsche, ein Haufen talentierter Neulinge. SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen von Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Fernando Alonso und Co. und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 14: Der Japan-GP in Suzuka.

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Platz 1, Nico Hülkenberg: Seinen Force India bewegte der 28-Jährige am Sonntag ohne Feindkontakt im Niemandsland um die Strecke. Und er machte das ausgezeichnet. Von Startplatz 13 schob er sich schon in der ersten Runde auf Rang 8 vor. Pastor Maldonado und Romain Grosjean knackte er mit einem Undercut beim ersten Stopp. Danach war der Weg zu Platz 6 frei.

Hülkenberg ließ den Lotus keine Chance für ein Überholmanöver. Er kontrollierte den Zug als Lokomotive, bis er zum zweiten Reifenwechsel abermals früher in die Box einbog und sich so ein 8-Sekunden-Polster erarbeitete, dass er bis zum Rennende hielt. Ein besseres Resultat wäre unter keinen Umständen drin gewesen. Bestnote.

Platz 2, Lewis Hamilton: Kompromisslos, sauschnell, fehlerfrei - drei Worte, die das Japan-Wochenende des Weltmeisters ziemlich gut zusammenfassen. Zwar verlor er zum zweiten Mal in dieser Saison das Qualifying-Duell gegen Teamkollege Nico Rosberg, doch als Malus rechne ich ihm das nicht an. Schließlich wurde die Zeitenjagd mit der Roten Flagge beendet.

So blieb Hamilton Startplatz 2, den er mit einer entschlossenen Startphase in den achten Saisonsieg ummünzte. Das Manöver gegen Nico Rosberg war keinesfalls überhart, aber eben doch fragwürdig. Dass es für ihn der 41. in der Formel 1 war und er so mit Ayrton Senna gleichzog, geschenkt. Hamilton überzeugte mit einer unerreichten Pace an der Spitze. Selbst die überhitzende Antriebseinheit stoppte ihn nicht.

Fehlerfrei war allerdings auch der Brite nicht. Hamilton bremste sich den Medium-Slick zu Beginn des zweiten Stints platt. Mercedes musste ihn früher zum zweiten Reifenwechsel an die Box beordern, weil die Vibrationen zu stark waren. Das sorgte für Stirnrunzeln am Kommandostand, weil Ferrari beinahe zum Nutznießer geworden wäre.

Platz 3, Sebastian Vettel: Der Deutsche verlor Platz 2 an Rosberg, weil Ferrari ihn zu spät zum zweiten Stopp holte. Aber ohne Aufmerksamkeit der TV-Kameras fuhr er danach die Lücke zum Silberpfeil zu, bis er im DRS-Fenster war. Sogar Siegchancen waren da.

Mercedes ließ Hamilton bis zum Schluss Vollgas geben. Warum? Der Kommandostand fürchtete eine Safety-Car-Phase, wie sie Will Stevens mit seinem Dreher beinahe ausgelöst hätte. Vettel hätte sich einen neuen Satz Mediums holen können und wäre weiter hinter den Silberpfeilen gelegen. Ein Albtraumszenario für Mercedes, da eine Abwehrreaktion für sie unmöglich gewesen wäre.

Die Rennleitung versagte Vettel allerdings den Angriff auf den schnelleren Reifen, weil Stevens den Manor gerade noch unter Kontrolle bekam. So blieb ein Wochenende, dem der Schein anhängt, dass mehr möglich gewesen wäre. Die Qualifying-Niederlage gegen Valtteri Bottas scheint zumindest vermeidbar gewesen zu sein.

Platz 4, Romain Grosjean: Der Franzose fühlte sich an seine Teenager-Zeiten erinnert, weil er sich durch Lotus' Finanzprobleme das gesamte Wochenende über unter freiem Himmel oder in der Garage aufhalten musste. Geschadet haben die ungewöhnlichen Umstände seiner Leistung keinesfalls.

Grosjean legte abermals eine beeindruckende Performance im Qualifying hin und schaffte bereits zum fünften Mal nacheinander den Sprung ins Q3. Mit dem im Grenzbereich unbeherrschbaren Lotus, der bei hohen Geschwindigkeiten wie ein Mustang auf Speed herumbockt, eine hoch einzuschätzende Leistung. Grosjean hat sein Auto unter Kontrolle und holt das Maximum heraus.

Platz 5, Nico Rosberg: Aus meiner Sicht hätte der Vizeweltmeister beim Start draufhalten müssen. Hamilton hatte die Innenbahn, ja. Trotzdem muss er genug Platz lassen. Und das hat er zum wiederholten Male vergessen. Wäre Rosberg auf seiner Linie weitergefahren, es wäre zum Crash gekommen. Das wäre Hamiltons Fehler gewesen. Ein alleiniges Anrecht auf die Kurve hatte er nämlich nicht. Beide gingen gleichauf hinein.

Mercedes kann sich freuen. Zwei schnelle Fahrer fahren für die Silberpfeile. Der eine ist ein knallharter Kämpfer, der andere ein bedachter Teamplayer. Für Rosberg ist es trotzdem schade. Die Aggressivität von Hamilton kann er nicht mitgehen, sonst würde sich der Spa-Crash der Saison 2014 immer wiederholen. Der Klügere verliert. So bringen auch Pole Position und ein starkes Rennen mit dem bockstarken Überholmanöver gegen Valtteri Bottas nicht die mögliche Spitzenplatzierung im Driver-Ranking.

Den Start verpatzte Rosberg übrigens nicht. Er kam ausgezeichnet weg, hatte dann aber weniger Leistung in den ersten Kurven, weil der Motor überhitzte. Da das Problem blieb und auch Hamiltons Antrieb überhitzte, ist wohl davon auszugehen, dass Mercedes die Temperaturen in Japan unterschätzte und zu kleine Kühllufteinlässe gewählt hatte.

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Platz 6, Fernando Alonso: Der Spanier hat es schon wieder getan! Nein, ich meine nicht die unnötige und moralsenkende Meckerei über Funk. Ich meine, dass Alonso schon wieder mit einer guten Leistung im unterlegenen McLaren-Honda für Aufmerksamkeit gesorgt hat.

Traurigerweise bezeichnete er seine Runde in Q2 als die beste, die er jemals in Suzuka gefahren ist. Traurig, weil sie nur für Startplatz 14 reichte. Immerhin mal wieder vor Teamkollege Jenson Button. Im Rennen kämpfte Alonso einen aussichtslosen Kampf und musste sich selbst den Renaults geschlagen geben. Dass der Spanier da Schaum vor dem Mund bekam, kann ich nachvollziehen.

Platz 7, Valtteri Bottas: Der dritte Startplatz ließ bei Williams die Hoffnungen auf einen Podiumsplatz aufkommen. Doch in Suzuka wollte das Team aus Grove endlich mehr erreichen. Rosberg mit einem Undercut abzuwehren, war riskant. Kein Team wusste ganz genau, wie lange die Reifen bei deutlich höheren Temperaturen am Sonntag halten. Bottas blieb zwar nach dem Stopp vorn, ließ sich aber von Rosberg überrumpeln.

Ein Mittagsschlag zur Unzeit. Während das Überholmanöver vor der Schikane Platz 2 für den Vizeweltmeister erst möglich machte, verbaute es Bottas die Chancen. Vettel hatte das Duell schon beim Start für sich entschieden, Kimi Räikkönen kassierte ihn beim zweiten Boxenstopp per Undercut. Der Samstag mag sehr gut gewesen sein, am Sonntag war Bottas für mich nur mittelmäßig unterwegs.

Platz 8, Sergio Perez: Ähnlich wie Alonso fuhr auch der Mexikaner am Samstag eine starke Q2-Runde. Perez kam weniger gut mit der mangelhaften Balance des Force India zu Recht als Teamkollege Hülkenberg.

Das wurde im Rennen deutlich. Nach der Startkollision mit Carlos Sainz jr., bei dem sein Auto nur einen Reifenschaden davontrug, arbeitete sich Perez ordentlich durchs Feld. Um an Marcus Ericsson vorbeizukommen, brauchte er aber zu lang.

Platz 9, Kimi Räikkönen: Der Iceman bekommt mal wieder einen Punkt von mir. Zwar verlor er auch in Suzuka das Qualifying-Duell gegen Vettel, allerdings war der Rückstand vollkommen vertretbar. Noch besser wäre es gewesen, wenn er wie üblich eine Steigerung zwischen Q2 und Q3 geschafft hätte.

Das Rennen gestaltete Räikkönen ruhig und abgeklärt. Als er endlich an Bottas' Williams vorbei war, hielt er mit Vettels Tempo mit. Die Qualifying-Niederlage gegen Bottas, Vettel und Felipe Massa war allerdings einmal mehr kostbar. Das Podium war somit schon vor dem Start fast ausgeschlossen.

Platz 10: Daniel Ricciardo: Dass der Australier nur auf Platz 15 ins Ziel kommt, ist die Schuld von Felipe Massa. Der Brasilianer beendete beim Start sämtliche Punktchancen Ricciardos, der fantastisch wegkam und schon neben dem Williams fuhr, als der plötzlich rüberzog.

Die Konsequenz: Je ein platter Reifen bei beiden Autos und ein langer, zeitintensiver Weg zum Boxenstopp. Anschließend hatte er keine Chance, sich nach vorne zu arbeiten.

Härtefall, Pastor Maldonado: Der Venezolaner hätte für seinen Auftritt in Japan eigentlich auch einen Sprung in die Driver-Ranking-Top-10 verdient. Zum einen, weil er kein Kleinholz produzierte. Zum anderen, weil er sich den Anweisungen des Teams selbstlos fügte. Als bei Grosjean gegen Rennende die Reifen abbauten, bekam Maldonado den Nichtangriffsbefehl. Er bestätigte und ließ sich zurückfallen. Unglaublich: Ich lobe Crashtor!

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