Die Formel-1-Saison 2015 verspricht Spannung: Fünf Weltmeister, drei Deutsche, ein Haufen talentierter Neulinge. SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen von Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Fernando Alonso und Co. und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 8: Der Österreich-GP in Spielberg.
Platz 1, Nico Hülkenberg: Muss ich noch erwähnen, dass der 27-Jährige für mich der Pilot ist, der seit Jahren einen Vertrag mit einem Top-Team verdient hat? Eigentlich nicht. Das habe ich lange genug gesagt. Nach dieser Woche ist es wohl wieder nötig - und zwar nicht nur, weil Hülkenberg sehr gut fuhr. Nach dem Kanada-GP jettete er direkt nach Le Mans, absolvierte dort eine Woche Programm und krönte den Ausflug zur WEC mit dem Sieg beim legendären 24-Stunden-Rennen.
Vor Le Mans: Hülkenberg in der WEC - Rettungsanker Porsche
Doch damit nicht genug. Hülkenberg kehrte zur Formel 1 zurück und schaffte die schwierige Umstellung reibungslos: Statt Allradantrieb und Traktionskontrolle gab es plötzlich wieder die gesamte Leistung auf der Hinterachse. Nach der Umgewöhnung im 1. Training drehte der Hülkinator auf. Platz 5 holt er in Q1 auf nasser Strecke, während Teamkollege Sergio Perez als 16. rausflog.
Startplatz 5 war weit mehr, als der Force India eigentlich leisten konnte. Die Le-Mans-Euphorie schien einen Zeitbonus zu verleihen. Hülkenberg ließ sogar Valtteri Bottas im wesentlich schnelleren Williams hinter sich. Auch im Rennen hatte der Finne arge Probleme: Bottas musste ihn gleich zweimal überholen, weil Hülkenberg ihn per Undercut wieder hinter sich ließ. Mehr als Platz 6 war für den Deutschen unter keinen Umständen drin, eigentlich sind auch die Lotus derzeit besser.
Platz 2, Felipe Massa: Felipinho hatte den richtigen Riecher. Er sagte am Sonntagmorgen voraus, dass sein Papa Startposition 4 in Platz 3 verwandeln würde. Das stimmte. Weil Massa ein fehlerfreies Rennen ablieferte und den Abstand zu Sebastian Vettel so klein hielt, dass er von der klemmenden Radmutter am Ferrari des Deutschen direkt profitierte und nebenbei den 1000. WM-Punkt seiner F1-Karriere holte.
Zwar lief das Qualifying für den Polesitter des Vorjahres nicht perfekt, weiter vorne wäre er aber auch nicht gestanden, wenn seine besten Sektorenzeiten addiert würden. Massa tütete schon am Samstag seinen Sieg im teaminternen Duell ein. In der Schlussphase des Rennens spielte er seine Routine aus, als Vettel ihn einen Fehler hetzen wollte. So viele Pluspunkte rechtfertigen für mich Platz 2.
Platz 3, Nico Rosberg: Der Sieger fuhr am Sonntag herausragend hatte seinen Teamkollegen komplett im Griff. Lewis Hamilton kam nicht heran, weil Rosberg am Limit fehlerfrei fuhr. Ein Rennen, in dem beide Mercedes-Piloten derart ans Limit gehen, gab es in dieser Saison noch nicht.
Rosberg setzte sich zur Mitte des ersten Stints ab und bremste sich bei der Einfahrt zur Box brachial die Führung in Sicherheit. Die Bereitschaft, dieses hohe Risiko zu gehen, eine Strafe für zu hohe Geschwindigkeit in der Boxengasse zu kassieren und sie dann doch durch perfektes Timing zu verhindern, sticht für mich heraus.
Der Vizeweltmeister wollte den Sieg in Spielberg unbedingt. Er holte ihn sich mit einem Blitzstart, während Hamilton sich vom Startprogramm irritieren und die Räder durchdrehen ließ. Dass Rosberg die Pole Position in der letzten Kurve wegschmiss, glich er so für mich aus. Es war sein einziger Fehler in Österreich.
Platz 4, Sebastian Vettel: Wie der vierfache Champion sein Rennen den Medienvertretern am Sonntag beschrieb, nötigt Respekt ab. Statt wie sein Teamkollege auf die Fehler der Scuderia hinzuweisen, sagte Vettel, dass es genauso gut ihm hätte passieren können. Dabei hatte er ein fehlerfreies Wochenende abgeliefert.
Er fuhr den ersten Startplatz im Feld der Silberpfeil-Verfolger heraus, er blieb so nah an den Mercedes dran, wie es ging. Er setzte Felipe Massa unter Druck, kam durch dessen stärkeren Mercedes-Motor aber nicht vorbei? Was soll ich Vettel vorwerfen? Er hat nichts falsch gemacht. Ein bisschen mehr Risiko beim Kampf gegen den Brasilianer, die Andeutung eines Überholmanövers hätte ich mir aber gewünscht.
Platz 5, Max Verstappen: Die spektakulärste Szene am Sonntag war für mich nicht der Unfall von Kimi Räikkönen und Fernando Alonso, der mit 34 G in die Leitplanke knallte. Es war das Ausweichmanöver von Pastor Maldonado, der Max Verstappen überholen wollte. Was der Venezolaner sich dabei gedacht hat, dem Niederländer mit deutlichem Geschwindigkeitsüberschuss in einem Meter Abstand zur Innenbahn zu folgen und dann ruckartig das Lenkrad herumzureißen, verstehe ich immer noch nicht.
Glücklicherweise blieb das Manöver ohne Folgen und Verstappen brachte den achten Platz ins Ziel. Verdient. Der 17-Jährige fuhr mit viel Abtrieb trotz der Renault-Schwäche Startplatz 7 heraus und kam nach dem Start an Bottas vorbei. Er fuhr abermals an der Grenze der Verträglichkeit bei seinen Verteidigungsmanövern, aber er machte dabei einen guten Job.
Seite 1: Besser als das Auto, Hülkinator.
Seite 2: Untauglich, Räikkönen.
Platz 6, Lewis Hamilton: Der Brite hat ein Verliebe für die Zahl 4. 44 ist seine Startnummer aus Kart-Zeiten, die er auch für die Formel 1 gewählt hat. In Spielberg hatte er gleich 4 Probleme: Der Dreher in Q3, der zu seinem Glück ohne Folgen blieb; der verpatzte Start; der fehlende Pace-Vorteil im Rennen gegenüber Rosberg; der Aussetzer nach dem Boxenstopp, als er die weiße Linie überfuhr. Passenderweise gaben die Stewards die Fünf-Sekunden-Strafe dann auch noch mit ihrem 44. Dokument des Österreich-Wochenendes bekannt.
Doch vorerst genug der Zahlenspiele. Hamilton muss ich an diesem Wochenende ankreiden, was bisher auf Rosberg zutraf: Er konnte seinem Teamkollegen an diesem Wochenende nicht das Wasser reichen. Der Deutsche war bis auf die eine Runde zu Beginn von Q3 in jeder einzelnen Session schneller. Dass Hamilton trotzdem die Pole holte, war ein kurzes Aufblitzen seiner Klasse. Es war aber einfach nicht genug.
Trotzdem konnte der Brite einen Erfolg feiern. Er sammelte beim 17. Rennen in Folge Führungskilometer und zog so mit Jackie Stewart gleich, der dieses 1969/1970 vollbracht hatte. Kaum ein Formel-1-Rekord ist so alt - abgesehen von Ferraris Erfolgen in Serie mit zwei Autos auf dem Podium. Aber dazu mehr in Silverstone...
Platz 7, Daniel Ricciardo: Durch die Strafversetzung auf Position 18 und die zusätzliche Fünf-Sekunden-Strafe waren die Aussichten des Australiers eigentlich schon von vornherein miserabel. Wie ohne Motorenpower überholen? Mit der umgedrehten Taktik!
Ricciardo stoppte erst kurz vor Ende des Rennens und brauste dann auf den supersoften Reifen an den langsameren Rivalen vorbei. Hört sich einfach an. Doch 50 von 70 Runden auf den soften Reifen auszuhalten und trotzdem ein passables Tempo anzuschlagen, war kein Kinderspiel.
Platz 8, Roberto Merhi: 1,3 Sekunden Vorsprung auf Will Stevens im Qualifying. Eins. Komma. Drei. Auch wenn der Engländer es auf seine Verunsicherung durch den Dreher zu Beginn und den Kampf um das richtige Timing mit Ricciardo und Massa zurückführte, scheint mir ein Sonderlob für den Spanier angebracht.
Merhi brachte es fertig, mit einem Blitzstart auf Rang 13 vorzustoßen - an Kvyat und Ericsson vorbei. Klar, dass er den Platz im unterlegenen Manor nicht bis zum Ende halten konnte. Doch auch Ricciardo musste sich fünf Runden lang anstellen, bis er einen Weg vorbei fand. Der 24-jährige Ex-DTM-Fahrer scheint endgültig in der Formel 1 angekommen.
Platz 9, Valtteri Bottas: Als die erste Runde vorbei war, machte es beim Finnen endlich 'Klick'. Mit blitzsauberen Manövern schnappte sich Bottas die vor ihm fahrenden Verstappen und Hülkenberg. Doch der 25-Jährige war selbst schuld, dass er sie nötig hatte.
Platz 6 im Qualifying war zu schlecht. Er hätte vor Hülkenberg stehen müssen. Zudem zog nach dem Start auch noch Verstappen vorbei. Der Finne hatte schon wesentlich bessere Wochenenden. Immerhin betrieb er erfolgreich Schadensbegrenzung.
Platz 10, Felipe Nasr: Er mag nur Elfter geworden sein, doch der Brasilianer war eigentlich besser. Die Bremsen des Saubers überhitzten im Rennen plötzlich wieder. Nasr musste einen Gang zurückschalten.
Gut war einmal mehr die Leistung im teaminternen Vergleich: Marcus Ericsson zeigte, wie es bei Sauber nicht geht: 0,7 Sekunden in Q2 auf Nasr verloren, dann ein Fehlstart, der sämtliche Chancen raubte. Nasr machte das (mal wieder) besser.
Härtefall, Pastor Maldonado: Die Kämpfe mit Verstappen und Ricciardo war gut. Maldonado führte sie klasse und setzte sich durch. Er behielt einen kühlen Kopf und brachte das Auto heil ins Ziel. Es war erst das zweite Mal in seiner seit 2011 andauernden Formel-1-Karriere, dass der 30-Jährige zwei Rennen nacheinander unter den ersten zehn abschloss. Doch Punkte bekommt er dafür von mir nicht.
Er selbst sagte, sein Fehler in der vorletzten Kurve kostete die sichere Q3-Teilnahme, in Wirklichkeit kostete sie wohl einen Startplatz in den ersten beiden Startreihen. Lotus hatte das Potenzial, Williams Konkurrenz zu machen. Doch Maldonado bekam es nicht auf die Reihe.
Untauglich, Kimi Räikkönen: Dem Iceman klebt das Pech am Schuh. Erst das falsche Timing im Qualifying und dann der Unfall mit Fernando Alonso direkt nach dem Start. Räikkönen hatte schon am Samstag gewarnt, dass bis zu Turn 3 ein Unfall passieren könnte. Erhöhen eigentlich negative Gedanken die Chance auf ein Unglück? Das würde wohl zu weit führen. Doch bei zwei Rennen in Folge mit kühlen Reifen den gleichen Fehler beim Herausbeschleunigen zu machen, ist schon fast peinlich - zumal Vettel offenbar überhaupt keine Probleme hat.
Routinier Räikkönen sammelt im Kampf um seine Vertragsverlängerung seit Bahrain keine Pluspunkte mehr. Er muss gute Resultate vorweisen, wenn er wirklich in der Formel 1 bleiben will - nicht die eigenen Ingenieure kritisieren, nicht Unfälle bauen, nicht Dreher im entscheidenden Moment produzieren. "Seine Zukunft hängt von ihm selbst ab. Er muss entscheiden, ob er Ergebnisse abliefert oder aufgibt", sagte FIAT-Konzernchef Sergio Marchionne im Fahrerlager.
Bei Ferrari winkt der Boss mit Gartenzäunen statt mit einzelnen Pfählen. Ich finde keinen einzigen Punkt, der gegen den letzten Platz für Räikkönen im Driver-Ranking spricht. Bottas soll angeblich der Wunschnachfolger heißen, ich würde mir Hülkenberg wünschen. Nach der unrühmlichen Absage per SMS vor der Iceman-Verpflichtung wäre das ein passendes Happy End.
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Der Formel-1-Kalender 2015 im Überblick