Auf der perfekten Rille

Von Vom Red Bull Ring berichtet: Alexander Maack
Wie ein Kind: Nico Rosberg freute sich in Spielberg ausgelassen über seinen Sieg
© getty

Die herausragende Dominanz der Silberpfeile hat auch beim Österreich-GP angehalten. Nico Rosberg gewann mit seinem Überholmanöver nach dem Start in Spielberg mit an Perfektion grenzender Leistung. Weltmeister Lewis Hamiton war dieses Mal kein Gegner - weil er sich falsch irritieren ließ.

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Es waren nur zwei kurze Perioden, in denen Rosberg um seinen Sieg zitterte. Am Ende seiner beiden Stints trat Graining auf. Durch die Blasen auf den Reifen verlor er Grip und warnte mehrfach per Funk eindringlich seinen Renningenieur.

Der aber blieb ruhig. "Wir haben nichts bei den Daten gesehen", erklärte Motorsportchef Toto Wolff später: "Wenn du am Ende in Führung liegst, hast du alle möglichen Gremlins. Deshalb haben wir dann ein bisschen das Tempo zurückgenommen."

So blieb Hamilton nichts übrig, als seine Niederlage einzugestehen. Ausgerechnet als Rosberg zur Hochform auflief, leistete sich der Champion gleich zwei Fehler. Zuerst ging der Start nach hinten los. Dass Hamilton die Probleme auf die seit Barcelona getauschte Kupplung schob, irritierte Wolff.

"Was wir gemacht haben, weiß er nicht. Wir haben zusammen mit den Fahrern eine Veränderung der Drehzahlentwicklung vorgenommen. Das war für ihn anders als erwartet. Es hat ihn überrascht", sagte der Österreicher.

Hamilton ereilt das Rosberg-Problem

Im Anschluss ereilte Hamilton das Problem, das Rosberg in dieser Saison zur Genüge aushalten musste: Er fuhr schnell und gut, kam aber nicht heran. Zwei Fahrer auf einem Niveau, Kleinigkeiten geben den Ausschlag - oft schon am Samstag im Qualifying.

Ein Zustand, der die Mercedes-Verantwortlichen erfreut. "Dass die Beiden sich matchen, sehen wir fürs Team positiv. Sie verschieben die Benchmark immer weiter", so Wolff: "Die Leistung wird immer besser, wenn dein Teamkollege im gleichen Auto gut performt. Das bringt uns als Team weiter."

Doch Hamilton trieb der Druck in einen Fehler. Der 30-Jährige überfuhr die weiße Linie am Boxenausgang. Eine Fünf-Sekunden-Strafe war die Folge. Er habe keine Ahnung, warum das passiert sei, sagte Hamilton: "Ich denke, ich habe gar nichts überfahren."

Mercedes erinnerte sich an Monaco-Patzer

Hatte er. Die Strafe brachte anschließend den Mercedes-Kommandostand ins Schwitzen. Was, wenn es einen Unfall gibt und das Safety Car auf die Strecke kommt? Der sicher geglaubte Doppelsieg wäre verbaut gewesen. "Wir haben heftig herumdiskutiert", sagte Wolff: "'Machen wir einen Safety-Pitstopp und sitzen die fünf Sekunden ab? Da sind die Deja-Vus zu Monaco aufgeflackert."

Im Gegensatz zu Hamilton kam Rosberg endlich an die Perfektion heran, mit der sein Teamkollege ihn bisher fast zur Ratlosigkeit trieb, was der Deutsche am Samstag andeutete. Bezeichnend die Anfahrt zum Boxenstopp: Rosberg bremste auf allerletzter Rille herab, riskierte seinerseits, bestraft zu werden. Er traf die Linie optimal, war nicht zu schnell unterwegs, machte Zeit gut.

Rosberg: "Herausgefunden, was letztes Jahr fehlte"

"Ich glaube, ich habe dieses Jahr herausgefunden, was mir letztes Jahr im Rennen gefehlt hat. Ich mache es im Rennen einfach ein bisschen besser. Das läuft bei mir dieses Jahr einfach gut", gab sich Rosberg nach seinem dritten Saisonsieg selbstbewusst.

Er kann sich sicher sein, nur einen Gegner zu haben: Hamilton. Von Ferrari und der übrigen Konkurrenz geht keine ernstzunehmende Gefahr aus. "Wir sind die ersten 15 Runden volle Pulle gefahren und haben dann die Leistung zurückgenommen", sagte Wolff über seinen Heim-GP. Knapp ein Fünftel der Renndistanz, dann fühlte Mercedes sich sicher.

Auch die guten Zeiten von Ferrari und Williams in den Freien Trainings an Freitagen und Samstagen ändert nichts an der Überlegenheit von Mercedes. Wenn es darauf ankommt, haben die Silberpfeile eine riesige Leistungsreserve.

Warum lobt Wolff dauerhaft die Gegner?

Und trotzdem wird Wolff an jedem einzelnen Rennwochenende nicht müde zu betonen, dass besonders die Leistung von Ferrari die Alarmglocken schrillen lasse. "Man muss aufpassen, dass man den Boden unter den Füßen nicht verliert", begründet er das: "Wenn man nachlässig wird, ist die Chance groß, dass man Auto und Team nicht mehr so weiterentwickelt, dass man siegfähig bleibt."

Deswegen wolle er den Druck im System hoch halten - öffentlich in den Medien und intern bei Teamsitzungen. "Wenn ein Team wie Ferrari, mit all den Ressourcen, die sie haben, sich weiterentwickelt, kann der Tag kommen, an dem wir nicht mehr gewinnen", machte der Österreicher denen Hoffnung, die sich einen Kampf verschiedener Marken um die Weltmeisterschaften wünschen: "Das passiert nicht von heute auf morgen. Das ist ein schleichender Prozess, weil man selbstzufrieden wird."

Ferraris Fehler verzerren das Bild

Wolff denkt, dass bei Ferrari nur noch nicht alle Zahnräder ineinander greifen. Der Österreich-GP lieferte den Beweis: Die gute Longrun-Pace spielte die Scuderia wieder nicht wirklich aus. Einmal, weil das Team das Timing im Qualifying nicht auf die Reihe bekam, weshalb Kimi Räikkönen von weit hinten starten musste. Andererseits, weil ein Boxenstopp schief ging und Vettel so schon wieder hinter einem Williams festhing.

"Es war die Radmutter - und das nicht zum ersten Mal. Deshalb müssen wir jetzt sicherstellen, dass das nicht noch einmal passiert. Es war nicht der Mechaniker schuld, sondern die Technik", fasste Teamchef Maurizio Arrivabene das Missgeschick zusammen, das dem Heppenheimer Platz 3 kostete.

Bis es also soweit ist, dass ein Team die Lücke wirklich schließen kann, bleiben die Silberpfeile nahezu unantastbar. Weil sie kaum Fehler machen oder zumindest solche, die nicht ins Gewicht fallen. Nicht mal 60 Prozent der WM-Punkte von Mercedes hat Ferrari bisher in der Saison 2015 erreicht.

Kalender und WM-Stände 2015 im Überblick