"Den Typen am liebsten umgefahren"

Daniel Ricciardo und Sebastian Vettel waren nach dem Nachtrennen in Singapur bestens gelaunt
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Sebastian Vettels Glanzleistung beim Großen Preis von Singapur war ein erster Schritt zur Normalität in der Formel 1. Weltmeister Mercedes wurde erstmals in der Turbo-Hybrid-Ära von einem dominanten Team ausgebremst - auch weil ein Fußgänger Daniel Ricciardo stoppte. Vettel schielt schon auf den ganz großen Wurf, obwohl an der fortbestehenden Dominanz von Lewis Hamilton eigentlich kaum Zweifel aufkommen.

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Der ersten Pole für Ferrari folgte der erste Start-Ziel-Sieg in Rot. Und ausgelassene Stimmung. Vettel sprach trotz 49 Punkten Rückstand in der Fahrer-WM sogar vom Kampf um die Gesamtwertung. "Wir müssen auf uns schauen. Maximum Attack! Wir haben immer noch eine kleine Chance. Vielleicht können wir das Unmögliche möglich machen. Wir werden es auf jeden Fall versuchen."

Die Logik allerdings verbietet es. Zu überlegen waren die Silberpfeile unter Führung von Blondschopf Hamilton in den letzten 18 Monaten.

So richtig an seine eigenen Worte mochte wohl auch Vettel nicht glauben. "Der Champagner auf dem Podium war sehr lecker. Ich hatte da oben großen Durst, weil meine Trinkflasche nach dem halben Rennen versagt hatte. Also dürft ihr vielleicht nicht alles für voll nehmen, was ich jetzt sage", erklärte er blendend gelaunt.

Vettel überholt Senna

Er hatte allen Grund dazu, auf der offiziellen Pressekonferenz zum Alleinunterhalter zu mutieren. Wer hätte vor dem Wochenende damit gerechnet, dass nicht Hamilton die Rekordmarken von Ayrton Senna einstellt, sondern Vettel sie überbietet? Mit 42 gewonnenen Grands Prix haben nur Michael Schumacher (91) und Alain Prost (51) mehr.

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Doch die gute Laune resultierte aus einem anderen Fakt: Vettels Team war an diesem Wochenende das beste.

Sein Sieg resultierte weder aus schierem Reifenschonen noch aus leichtfertigen Fehlern von Mercedes. Er resultierte aus Ferraris Stärken. Die Scuderia hatte das beste, schnellste, geeignetste Auto.

Warum war Ferrari besser als Mercedes?

Erstens: In Singapur kommt es nicht auf PS-Zahlen, sondern ein gutes und verlässliches Ansprechverhalten des Antriebs an. Zweitens: Der Marina Bay Circuit fordert statt aerodynamischem fast ausschließlich mechanischen Grip. Drittens: Pirelli setzte beim Nachtrennen den supersoften Slick ein.

Mercedes kommt mit dieser Mischung seit längerem schlechter zurecht. Williams' Rob Smedley verglich die supersofte Mischung am Samstag mit einer Messerschneide: "Wenn man es haargenau hinbekommt, wird man massiv belohnt. Wenn man den Punkt nicht trifft, dann ist man weiter von der Pace weg als die üblichen Zehntel."

Der entscheidende Punkt der Erklärung: Smedley sprach das Wort "peaky" aus. Diese Spitze traf Vettel perfekt.

Mercedes unterforderte wohl die Reifen

Wer dies nicht schafft, überfordert in der Regel die Reifen - etwa, indem er die Räder durchdrehen lässt. Die Mercedes-Piloten vermieden dieses Problem aber. Die logische Konsequenz: Statt die Reifen zu überfordern, wurden sie unterfordert. Die Fahrweise, das Setup, vielleicht sogar die Konstruktion des Autos war zu schonend, um die Slicks auf die richtige Temperatur zu bekommen.

In Singapur war das richtige Aufwärmen der Reifen noch schwerer als üblich. Schließlich fehlen die schnellen Kurven im 90-Grad-Knick-Dschungel komplett. Weniger Temperatur im Kern der Slicks bedingt größeres Rutschen in engen Kurven, was zu höheren Temperaturen an der Oberfläche führt.

Hamilton: "Hatte die Pace, um noch zu gewinnen"

Dass Hamilton mit den langsameren, weil härteren Reifen im zweiten Stint den vier Führenden annähernd folgen konnte, verdeutlichte das Problem. "Ich glaube, ich hatte die Pace, um hier noch zu gewinnen", verkündete der Weltmeister anschließend. Schließlich hätten alle anderen im letzten Stint auf die härtere Mischung wechseln müssen. Ob es so gekommen wäre, ist Spekulation.

Wegen einer defekten Klemme zwischen Ladeluftkühler und Luftsammler sank der Ladedruck des Turbos so stark, dass kein schnelles Fahren mehr möglich war, gab Mercedes nach dem Nachtrennen seine Analyse des ersten Ausfalls seit dem Belgien-GP 2013 bekannt.

Renault-Trennung verleiht Flügel

Fest steht: Selbst Red Bull machte einen besseren Job. Gehässig könnte man sagen, die bevorstehende Trennung von Renault verleiht Daniel Ricciardo Flügel.

Der Australier wusste genau, dass Vettel auf der Strecke sämtliche Angriffe abwehren würde. Also sollte ein Überholmanöver in der Box stattfinden. "Die Safety-Cars haben Ferrari Luft zum Atmen gegeben. Wir konnten sie nicht mit einem frühen Stopp unter Druck setzen", sagte Teamchef Christian Horner.

Ricciardo frustriert über Betrunkenen

Ricciardo brachte besonders der betrunkene Engländer zur Weißglut, der den zweiten Einsatz von Bernd Mayländer auslöste. "Ich hätte den Typen am liebsten umgefahren. Beim letzten Stint auf den härteren Reifen war dann nichts mehr zu machen", schickte er eine Botschaft an den 27-Jährigen, dessen Festnahme die Polizei zuvor bestätigt hatte.

Der laut eigener Aussage angeschwippste Vettel hatte damit weniger Probleme. "Ich habe meinen Augen zuerst nicht getraut. Da kam mir einer zu Fuß auf der Strecke entgegen. Ich bin mit 280 Sachen angeflogen. Ich hätte mich nicht getraut, die Strecke zu überqueren", sagte er und machte dann Witze: "Ich glaube, er hat ein Foto gemacht. Hoffentlich ist es wenigstens ein gutes geworden." Zur Einordnung: Vettel stellte deutlich heraus, dass man im nächsten Jahr die Tribünen besser sichern müsse.

Singapur-GP als Erlösung

Doch was am Ende vom Singapur-GP bleibt, ist eine erfreuliche Feststellung. Jenson Button hatte Recht, als er am Samstag nach der Mercedes-Niederlage im Qualifying sagte, das sei das Beste, was dem Sport passieren könne.

Die Formel 1 ist an einem erlösenden Punkt angekommen. Die brennende Frage ist, welches Auto warum am besten zu welcher Strecke passt - selbst wenn die gewohnte Hackordnung durch Mercedes beim Japan-GP aufgrund der Vielzahl schneller Kurven wieder hergestellt wird.

Sicher, dass es so kommen wird, ist sich das Fahrerlager nicht. "Die Schwäche von Mercedes ist schwer zu verstehen", sagt Horner. "Wenn das im nächsten Rennen noch so bleibt, hat Ferrari eine Chance in der WM. Wenn wir wieder den Normalzustand haben, dann gibt es höchstens Außenseiterchancen."

Die Zielvorgabe von Teamchef Maurizio Arrivabene hat Vettel immerhin schon erreicht: Drei Siege in der Debütsaison wie Michael Schumacher 1996. "Ich habe auf fünf Siege erhöht", sagte der charismatische Italiener nun am Sonntag. Warum? Arrivabene hatte versprochen, dass er bei vier gewonnenen Grands Prix die Berge um Maranello barfuß erklimmt. Ausschließen kann das niemand mehr.

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