Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton wollte beim Großen Preis von Ungarn sein Idol Ayrton Senna überflügeln, doch Sebastian Vettel und Ferrari machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Der Deutsche fuhr in Budapest nach einem Blitzstart seinen zweiten Saisonsieg ein und gewann erstmals auf dem Hungaroring. Es war sein 41. siegreicher Grand Prix, womit er mit Senna gleichzog, der dafür acht Starts mehr brauchte. Nur Michael Schumacher (91) und Alain Prost (51) haben mehr Siege.
Für Hamilton war das Rennen in Budapest komplett verkorkst. Er hätte seinen 80. Podiumsplatz im 158. Rennen einfahren können und wäre so mit Ayrton Senna gleichgezogen. Der brauchte dafür allerdings 161 Rennen. Mit seinem fünften Sieg auf dem Hungaroring wäre er alleiniger Rekordhalter bei den Siegen in Ungarn geworden.
Stattdessen leistete er sich gleich zwei riesige Patzer: Direkt nach dem Start rodelte er durchs Kiesbett und fiel auf Platz 10 zurück, beim Restart nach einem Unfall von Nico Hülkenberg rammte er Daniel Ricciardo im Red Bull, musste zu einem zusätzlichen Stopp an die Box und kassierte auch noch eine Durchfahrtsstrafe.
Das Ergebnis des Rennens im Überblick
Sein Teamkollege Nico Rosberg konnte nicht profitieren: Der Vizeweltmeister war auf Kurs für Platz 2, nachdem bei Vettels Teamkollegen Kimi Räikkönen die Antriebseinheit streikte. Daniel Ricciardo attackierte ihn fünf Runden vor Schluss und beschädigte sich den Frontflügel. Beide mussten in die Box, weil Rosbergs Hinterreifen keine Luft mehr hatte.
Der Glückliche: Daniil Kvyat wurde im Red Bull dadurch Zweiter und ist nach Vettel mit 21 Jahren und 91 Tagen der zweitjüngste Podestfahrer der Formel-1-Geschichte. Ricciardo sicherte Platz 3, Max Verstappen verpasste als Vierter mit 17 Jahren nur knapp das Podium. Es ist das beste Resultat des Toro-Rosso-Teams seit dem Brasilien-GP 2008.
Dahinter fuhr Fernando Alonso für McLaren-Honda als Fünfter das beste Ergebnis seit dem Comeback des japanischen Motorenherstellers heraus. Sein Teamkollege Jenson Button komplettierte das gute Ergebnis als Neunter hinter Hamilton (6.), Romain Grosjean im Lotus (7.) und Rosberg (8.). Marcus Ericcson holte für Sauber als Zehnter einen Punkt.
Der Ungarn-GP markiert das Ende zweier beeindruckender Serien: Mercedes verpasste den alleinigen Rekord von zehn Rennen mit zwei Fahrern auf dem Podium, zudem riss die Abfolge von 17 Rennen auf dem Podium von Lewis Hamilton. In der Fahrer-WM führt er mit 202 Punkten weiterhin deutlich vor Rosberg (181) und Vettel (160).
Reaktionen:
Sebastian Vettel (Ferrari): "Ein unglaublicher Tag, aber dieser Sieg ist für Jules. Es war ein unglaublich schwieriges Wochenende für uns alle. Alle bei Ferrari wissen, dass er irgendwann Teil des Teams gewesen wäre. Der Sieg gehört alleine Jules Bianchi."
Daniil Kvyat (Red Bull): "Nach Turn 1 dachte ich, mein Rennen sei vorbei, weil ich einen massiven Bremsplatten hatte. Mein Team hat mir gesagt, ich soll weiterpushen. Heute habe ich gelernt, was es heißt, nie aufzugeben."
Daniel Ricciardo (Red Bull): "Ein verrücktes Rennen. Ich habe Lewis beim Restart berührt und dachte, mein Rennen wäre beendet. Ich habe Nico berührt und dachte, mein Rennen beendet. Ich habe alles gegeben und verdanke das Rennen Jules. Ich habe durch ihn zusätzliche Stärke bekommen."
Lewis Hamilton (Mercedes): "Ein verrückter Tag. Ich habe keine Worte, um zu erklären, was heute passiert ist. Es war eine richtig schlechte Leistung von mir. Wenn ich zwei Möglichkeiten hatte, habe ich mich immer für die falsche entschieden. Verdiene ich Punkte? Ich habe nicht aufgegeben und bin so hart gefahren, wie ich konnte. Mit der schlechtesten Performance seit einer langen, langen Zeit so davonzukommen... Es zeigt, dass wir Menschen sind."
Toto Wolff (Motorsportdirektor Mercedes): "Heute hatten wir mehr Schwierigkeiten als normalerweise in eine ganze Saison passen. Das war für uns ein schlechter Tag. Es ist richtig der Wurm drin, am zweiten Wochenende in Folge gab es zu viel Wheelspin. Das entscheidet das Rennen, eine blöde Situation."
Der Spielfilm:
Vor dem Start: Maldonado setzt von Startplatz 14 als einziger auf die härteren Medium-Reifen. Die Temperaturen sind im Vergleich zu den Vortagen deutlich kühler, der Wind hat komplett gedreht. Die Fahrer müssen sich beim letzten Start mit technischer Unterstützung umstellen. Doch es gibt ein Problem: Die Startprozedur wird nach der Einführungsrunde abgebrochen, eine weitere eingelegt. Somit dauert das Rennen 69 statt 70 Runden. Felipe Massa hatte sich falsch eingeordnet und darf deshalb mit einer Fünf-Sekunden-Strafe rechnen.
RE-LIVE: Das ganze Rennen im Ticker
Start: Grandioser Start von beiden Ferrari! Vettel setzt sich auf der Außenbahn neben Hamilton, der innen Rosberg neben sich hat. Die beiden Deutschen gehen vorbei! Zu allem Überfluss rauscht Räikkönen von Rang 5 in die Dreiergruppe rein und setzt sich außen neben das Trio. In Turn 2 hat der Finne die Nase gegenüber den Mercedes vorn. Doppelführung für Ferrari! Vettel vor Räikkönen! Dahinter berühren sich Bottas und Ricciardo, der von Startplatz 4 weit zurückfällt.
Runde 1: Was machen die Silberpfeile da? Hamilton verbremst sich vor Turn 6, rauscht durchs Kiesbett und fällt auf Platz 10 zurück. Er beklagt sich über Funk, Rosberg habe ihn rausgedrängt, dabei war der Weltmeister mehrere Meter hinter seinem Teamkollegen. Das Erfreuliche: Hülkenberg katapultiert sich von Platz 11 auf 5 vor. Teamkollege Perez macht fünf Plätze gut und ist Achter.
Runde 10: Ricciardo zeigt Kvyat, wie es geht! Hülkenberg lässt ihm Platz, der Australier geht in Turn 1 innen vorbei. Das versucht auch Hamilton gegen Massa, der die Spur aber dicht macht. Hamilton wechselt auf die Außenbahn und setzt sich daneben. Massa rutscht das Heck weg, die Hinterreifen berühren sich. Der Weltmeister setzt sich durch und wird gleich gewarnt: Seine Bremsen sind zu heiß. Derweil wird Rosberg gewarnt, dass er die vier Sekunden Rückstand zu Räikkönen zufahren soll und reagiert ungehalten.
Runde 13: Zweites Überholmanöver von Hamilton: Perez ist auf der Zielgeraden ein leichtes Opfer. Achter. Eine Runde später überholt Ricciardo den Williams von Bottas und übernimmt Platz 4, der Finne biegt direkt in die Box ab und holt sich neue weiche Reifen.
Runde 15: Jetzt geht's Schlag auf Schlag in der Box: Massa holt sich im Gegensatz zu Bottas die härteren Mediums. Durch die Fünf-Sekunden-Strafe kommt er hinter Grosjean als 17. raus. Der Franzose wird jedoch bestraft, weil Lotus einen Unsafe Release fabrizierte. Hamilton rutscht vor, hat endlich freie Fahrt und unterbietet die schnellste Rennrunde direkt.
Runde 17: Die Schweigerunde für den verstorbenen Jules Bianchi wird absolviert.
Runde 19: Ein fliegender Force India! Perez attackiert Maldonado außen in Turn 1 und ist vorn. Der Lotus-Pilot kann die Linie nicht halten und berührt den Mexikaner, der abhebt und mit durchdrehenden Reifen wenden muss. Der Mexikaner beschädigt sich dabei die Hinterradaufhängung. Maldonado bekommt eine berechtigte Durchfahrtsstrafe.
Runde 20: Hamilton stoppt und steht lange: 4,1 Sekunden. Er kommt direkt neben Bottas raus und drückt den Williams von der Strecke. Eine Runde später stoppt auch Rosberg, dem Vettel einen Umlauf später folgt und Räikkönen die Führung übergibt. Auch Ricciardo kommt rein. Nur drei Piloten noch ohne Stopp: Räikkönen, Maldonado und Stevens.
Runde 23: Räikkönen holt sich neue Reifen und lässt Vettel wieder vor. Die Reihenfolge an der Spitze hinter den Ferrari: Rosberg, Ricciardo, Hamilton, Bottas. Hülkenberg ist Siebter vor Kvyat, Verstappen und Alonso.
Runde 29: Hamilton beißt sich nach fast zehn Runden und einem Ausritt in die Auslaufzone endlich an Ricciardo vorbei. Mit DRS geht er in Turn 1 daneben, weil der Australier in der Zielkurve einen ungeplanten Drift einlegte.
Runde 43: Harter Einschlag von Hülkenberg in den Reifenstapel bei Turn 1! Der Frontflügel des Force India bricht einfach ab und hebelt das Auto aus. Virtual Safety Car, gefolgt vom Einsatz von Bernd Mayländer mit dem echten. Hülkenberg gibt mit erhobenem Daumen Entwarnung. Mercedes reagiert früh und holt beide Fahrer hintereinander an die Box, Ferrari zieht nach. Räikkönen wird Platz 2 verlieren: Die Energierückgewinnung über die Hinterradbremsen funktionieren nicht mehr.
Runde 49: Restart! Rosberg überholt den gehandicapten Räikkönen. Hamilton schläft, Ricciardo fährt daneben. Der Weltmeister rammt den Red Bull in Turn 1! Bottas wird dahinter aufgehalten und schneidet die Linie von Verstappen. Plattfuß beim Finnen! Hamilton fällt hinter Kvyat zurück, Berührung! Chaos in Budapest! Der Mercedes kommt zum Stopp für weiche Reifen! Der Weltmeister kassiert eine Durchfahrtsstrafe für seinen Rammstoß. Die WM-Führung ist futsch!
Runde 54: Perez stellt den Force India ab. Die Bremsen waren hinüber. Verstappen bekommt die dritte Durchfahrsstrafe des Tages, weil er unter Safety-Car-Bedingungen zu schnell unterwegs war. Räikkönen ist in der Box, der Ferrari neu gestartet. Es bringt nichts. Er stellt ab.
Runde 61: Hamiltons Gegner verabschieden sich kampflos. Sainz muss den Toro Rosso in die Box fahren und aufgeben. Dann überholt er Felipe Nasr im Sauber und auch Ericsson und Button können ihm zwei Runden später nicht mal im Ansatz Widerstand leisten.
Runde 64: Berührung zwischen Ricciardo und Rosberg, der linke Hinterreifen des Deutschen ist aufgeschlitzt. Boxenstopp von Beiden, Ricciardo bekommt einen neuen Frontflügel. Vettels Sieg ist sicher!
Ziel: Sebastian Vettel gewinnt seinen 41. Grand Prix und zieht damit mit Ayrton Senna gleich! Red Bull jubelt über die Plätze 2 und 3 für Kvyat, dessen 10-Sekunden-Strafe wegen Verlassens der Strecke ohne Folgen bleibt, und Ricciardo. Die übrigen Punkte gehen an Verstappen, Alonso, Hamilton, Grosjean, Rosberg, Button und Ericsson.
Mann des Rennens: Fernando Alonso ging bei dem Chaos in der Führungsgruppe fast unter. Der Spanier machte zehn Plätze gut, hielt sich aus sämtlichem Trubel heraus und fuhr mit Platz 5 das beste Resultat seit dem Comeback von Honda ein. Wie? Mit gutem Speed und einigen sehenswerten Attacken wie etwa gegen Carlos Sainz in Runde 56.
Flop des Rennens: Pastor Maldonado kassierte sage und schreibe drei Strafen von den Rennkommissaren. Zu Recht. Am Rammstoß gegen Perez war er schuld und musste dafür durch die Boxengasse fahren. Dieselbe Strafe gab's fürs zu schnelle Fahren in beim Durchfahren der Boxen und dann? Überholte er auch noch unter Safety-Car-Bedingungen. Geht's dümmer?
Das fiel auf:
- Die Ferrari starteten nicht nur wie rote Blitze, sie waren im ersten Stint auch schneller als Rosberg. Vettel und Räikkönen nahmen ihm eine Sekunde pro Runde ab. Auch nach dem Reifenwechsel war Vettel deutlich besser: Rosberg fuhr nur noch 1:29,0 Minuten und damit 1,5 Sekunden langsamer als der Führende, weil er mit massivem Untersteuern kämpfte. Bis zur Hälfte des Rennens hatte sich Vettel so viel Vorsprung herausgefahren, dass er einen zusätzlichen Stopp hätte einlegen können.
- Hamilton dagegen mit mehr Potenzial: Er konnte nach dem ersten Reifenwechsel eine Sekunde pro Runde schneller fahren als die Ferrari, obwohl er mit den härteren Medium-Slicks unterwegs war. Die Konsequenz: Mercedes verzichtete auf einen zweiten Stint mit den weicheren Reifen.
- Hamilton meckerte nach seinem Ausflug ins Kiesbett mehrmals, dass Rosberg nach dem Start zweimal die Spur gewechselt hätte, was verboten ist. Das stimmte jedoch nicht. Rosberg stellte nur das Auto zum Anbremsen gerade. Überraschend, wie schwer sich der Weltmeister später beim Überholen des Red Bull tat: Ricciardo kam schneller durch die Kurven und konnte so die fehlende Höchstgeschwindigkeit seines Autos kompensieren.
- Hülkenbergs Unfall brachte alles durcheinander: Rosberg hätte weiche Slicks wählen können, weil er schon den Mittelstint mit den härteren Slicks absolviert hatte. Fast 25 Runden auf der Mischung wären allerdings problematisch geworden. Noch schlimmer war die Safety-Car-Phase für Vettel: Er verlor seinen Vorsprung komplett, zudem braucht Ferrari länger, um die Mediums aufzuwärmen - und Ricciardo jagte auf weichen Reifen hinterher.
- Vettel kontrollierte das Rennen in den Schlussrunden - bei Vollgas. Weil Ricciardo und Rosberg sich wie Hamilton gegenseitig aus dem Rennen nahmen und Räikkönen auch noch ausschied, rutschte der etatmäßige Sechstplatzierte Kvyat auf Platz 2 vor.
Der Formel-1-Kalender 2015 im Überblick