Schießt Daniil Kvyat ab!

Alexander Maack
05. Mai 201613:52
Daniil Kvyat schoss beim Rennen in Sotschi nach dem Start Sebastian Vettel abxpb
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SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Formel-1-Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 4 der Saison 2016: Nach dem Grand Prix von Russland hat Red Bull ein Problem: Ihr Fahrer spielt Destruction Derby, ist auch sonst völlig von der Rolle und kein Ersatz vorhanden. Stimmt nicht! Außerdem: Kevin Magnussen kratzt im Renault am Podium und Nico Rosberg holt den Tagessieg und die Führung in der Gesamtwertung.

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Platz 1, Nico Rosberg: Dieses Mal ist es soweit. Nico Rosberg belegt erstmals in der Saison 2016 die Spitzenposition im Driver-Ranking und erobert damit die Führung in der Gesamtwertung zurück. Ja, er fuhr unbedrängt zu Pole Position und Sieg, weil Lewis Hamilton mal wieder am Samstag technische Probleme hatte, aber er beeindruckte dabei trotzdem.

Fast eine halbe Sekunde Vorsprung fuhr er in Q2 auf seinen Teamkollegen heraus. Hamilton fuhr sogar mehr Versuche als nötig, um einen besseren Rhythmus zu finden. Es half nichts. Selbst von den Motorenproblemen im Rennen, die fast seinen Ausfall nach sich gezogen hätten, ließ er sich nicht beunruhigen. Rosberg ist in Topform.

Die beste seines Lebens? Ziemlich egal. Vier Siege aus vier Rennen. 43 Punkte Vorsprung. Das ist was zählt. Angesichts Rosbergs abgeklärtem Auftreten fällt die Vorstellung schwer, dass er aktuell durch irgendwas aus der Ruhe zu bringen wäre. Der gebürtige Wiesbadener hat die Trümpfe auf seiner Seite. Er muss sie nur ausspielen. Wer Hamiltons Gestik und Mimik am Samstag und Sonntag genau beobachtet hat, weiß wie es um den WM-Kampf bestellt ist.

Platz 2, Valtteri Bottas: Sotschis Rennstrecke sollte in Bottas-Autodrom umbenannt werden. Der Finne kommt in Russland jedes Mal besser zurecht als auf jedem anderen Kurs. Er nahm Teamkollege Felipe Massa 13 Sekunden ab, bis der Brasilianer einen zusätzlichen Boxenstopp machen musste. Bottas' Pace war phänomenal.

Gegen Hamilton hätte er sich härter verteidigen können. Nur hätte das etwas gebracht? Ein heiler Mercedes ist schneller als ein Williams. Bottas hätte nur riskiert, sein eigenes Rennen zu ruinieren. Gegen Räikkönen verteidigte er sich härter und kam nach verlorenem Start einem guten Manöver auf der Bremse wieder vorbei. Dass er die beiden Ferrari im Qualifying trennte, war seine größte Leistung.

Platz 3, Lewis Hamilton: Der Weltmeister ist ein Kämpfer, ein unerschütterlicher Optimist. Immer. Überall. Von Natur aus. Zumindest ist das der Eindruck, den Lewis Hamilton gerne in der Öffentlichkeit erweckt. Doch der Grand Prix von Russland hat stark an seinem gottgegebenen Selbstverstrauen gekratzt. So einen Hamilton wie in Sotschi hat noch niemand im Fahrerlager gesehen.

Kurz und leise beantwortete er die Fragen der Journalisten nach dem Qualifying - am liebsten mit einem Wort, maximal mit einem Hauptsatz. Hamiltons Gesicht wirkte leer, nachdem ihn die Technik wieder einbremste, ihm die nächste Niederlage zufügte. Falsch gemacht hat Hamilton nichts. Dass er sein Auto auf Platz 2 ins Ziel brachte, glich einer Heldentat.

Die letzten 20 Runden hatte der Motor nach Mercedes-Aussage überhaupt keinen Wasserdruck mehr. Hamilton fuhr langsamer und langsamer, damit die Kühlung ausreicht, um über die Ziellinie zu rollen. Er schaffte es und fuhr die für ihn nach Startplatz 10 maximal mögliche Punktzahl ein. Daraus könnte er eigentlich Kraft ziehen, nur scheint er das Vertrauen in sein Auto komplett verloren zu haben. Die Psyche spielt im Motorsport allerdings eine so große Rolle, dass Hamilton das Ruder niemals herumreißen wird, wenn er es verpasst, sich aus dieser Gedankenwindmühle zu befreien.

Platz 4, Kevin Magnussen: Mal ganz im Ernst: Der Renault ist noch schlechter als sein Vorgänger. Die finanziellen Probleme von Lotus im Jahr 2015 wirken sich nachteilig auf die Leistungen in dieser Saison aus. Doch Magnussen bewies in Sotschi, warum er vor seiner McLaren-Zeit als eines der hoffnungsvollsten Talente galt. Herausragend war, wie er sich gegen Daniel Ricciardo in Runde 29 revanchierte.

Der Australier nahm in Turn 2 die Innenbahn und blieb so vorn, Magnussen folgte in der folgenden langen Linkskurve entschieden im Windschatten, scherte vor Turn 4 auf die Innenbahn, ging vorbei und wehrte gleich noch Romain Grosjean ab, der an beiden gleichzeitig vorbeischlüpfen wollte. Magnussen fuhr im Rennen von Startplatz 17 bis auf Rang 7 vor. Mehr Plätze machte keiner gut. Angesichts des langsameren Autos eine sehr gute Leistung.

Platz 5, Fernando Alonso: Einen kleinen Abzug bekommt der Spanier fürs Qualifying, als Teamkollege Jenson Button erstmals in der Saison 2016 das teaminterne Duell gegen einen seiner Kollegen für sich entschied. Im Rennen drehte sich der Spieß allerdings. Alonso wich den Schikanen in der ersten Runde aus und platzierte sich so hinter Max Verstappen. Dem Niederländer folgte er anschließend, bis dessen Motor hochging.

Der sechste Platz im Ziel brachte die ersten Punkte seit dem 26. Juli 2015 in Ungarn für den zweifachen Weltmeister. Ein fader Beigeschmack bleibt trotzdem. Vier Umläufe vor dem Ende knallte Alonso eine Runde in 1:40.476 Minuten in den Asphalt. Drei Sekunden langsamer war er in den Runden zuvor, drei Sekunden langsamer war er in den Runden danach.

Alonso machte so öffentlich, was McLaren einbremst: Der Honda-Motor ist ein Spritfresser. Leistung wäre wohl genug da. Nur müssen er und Button sich dauerhaft bremsen, damit sie den vorgeschriebenen Maximalverbrauch von 100 Kilogramm Benzin pro Rennen überhaupt einhalten.

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Platz 6, Daniel Ricciardo: Elfter wurde der Australier nach Startplatz 5 noch. Allerdings war er daran unschuldig. Die durch Kvyat ausgelöste Dreifachkollision in Turn 2 hatte ihn bereits hinter Hamilton zurückfallen lassen, der in der Auslaufzone dieses Mal den Styroporbalken auf der richtigen, linken Seite umfahren hatte.

"Eine gewaltige Menge" Abtrieb habe die Startkollision den Red Bull gekostet, sagte Teamchef Christian Horner nach dem Rennen. Unterboden und Seitenkasten waren stark beschädigt. Unter diesen Umständen war die Leistung gut, die Punkteränge um weniger als zehn Sekunden zu verpassen.

Platz 7, Kimi Räikkönen: Das Sochi-Autodrom ist keine Strecke für den Iceman, das war von vornherein klar. Wenn der Großteil des Fahrerfelds Probleme hat, die Vorderreifen auf Betriebstemperatur zu bekommen, dann hat Räikkönen ernste Probleme. Dafür machte er seine Sache sogar ziemlich gut.

Der Finne fuhr Platz 3 heraus. Ein standesgemäßes Resultat hinter den schnelleren Mercedes, aber immerhin vor den langsameren Williams. Einzig sein Qualifying bringt ihm deutliche Abzüge. Denn auch wenn seine Niederlagen gegen Teamkollege Sebastian Vettel mittlerweile Normalität sind, Bottas hätte er schlagen müssen.

Platz 8, Sergio Perez: Nico Hülkenberg bekam beim gemeinsamen Jubiläumsrennen der Force-India-Piloten keinen Stich. Schlecht für den Deutschen, der noch immer auf eine Chance bei einem Topteam hofft. Die hatte Perez bei McLaren schon, scheiterte aber an seinem teils aufbrausenden Temperament.

Bei seinem 100. Grand Prix deutete Perez einmal mehr an, zu was er im Stande ist. Er qualifizierte sich inmitten der Red Bulls. Er holte Punkte, obwohl er mit einem Reifenschaden schon nach der ersten Runde an die Box musste. Dass er sich in der Schlussphase mit frischeren Reifen von Romain Grosjean und Kevin Magnussen aufhalten ließ, war allerdings unnötig.

Platz 9, Jenson Button: Der größte Erfolg war das gewonnene Quali-Duell gegen Alonso und das nur um eine Zehntel verpasste Q3. Beim Start fiel der Brite zurück, als er dem Crash zwischen Ricciardo, Vettel und Kvyat über die Auslaufzone auswich, sich dabei hinter dem Australier anstellen musste und dann abbremste, als der Russe den Deutschen endgültig abschoss. Von da an ging es ums Aufholen. Das Spritsparen sorgte dafür, dass Button in der vorletzten Runde gerade so noch an Carlos Sainz jr. vorbeikam und einen Punkt mitnahm.

Platz 10, Romain Grosjean: Die Vorderachse macht Haas weiterhin Probleme. Wie in China kämpften Romain Grosjean und Esteban Gutierrez mit dem Auto. Irgendwas passt nicht, entweder das Setup oder die Radaufhängung selbst. So standen am Samstagabend nur die Startplätze 15 und 16 auf der Haben-Seite.

Grosjean nutzte seinen vorderen Platz besser. Während sein Teamkollege Hülkenberg abschoss, hielt sich der Franzose aus den Streitigkeiten heraus und lag nach der Auftaktrunde unter den ersten Acht. Magnussen kam beim Boxenstopp vorbei, aber Perez hielt Grosjean bis zur Ziellinie hinter sich. Eine ansprechende Verteidigungsfahrt.

Untauglich, Daniil Kvyat: Der Russe hat es gesagt: Es ist einfach, ihn nach dem Rennen in Sotschi zu kritisieren. Und es ist richtig. Und nötig. Was Kvyat aktuell zusammenfährt, geht auf keine Bullenhaut. In Australien verpatzte er das Qualifying, in Bahrain verpatzte er das Qualifying - mit dem aktuellen Red Bull in Q1 oder Q2 auszuscheiden, wenn sich der Teamkollege ganze zehn Plätze höher qualifiziert, entbehrt jeglicher Diskussionsgrundlage über eventuelle Aufholjagden. Shanghai war mit dem grandiosen, wenn auch riskanten Überholmanöver nur ein kleiner Ausreißer nach oben.

Bei seinem Heimspiel machte Kvyat das erarbeitete Aufsehen wieder zunichte. Der Russe überfährt den RB12 zu oft. "Es ist nur menschlich, Fehler zu machen", so Kvyat. Dass Helmut Marko ihn öffentlich anzählt, spricht allerdings Bände. Der Österreicher ist ein Mann klarer Entscheidungen: Hat er das Vertrauen in eines seiner Talente verloren, fliegt der Fahrer raus. Dieses Schicksal wird Kvyat ereilen - eher früher als später.

Sein einziger Vorteil ist, dass aktuell kein Pilot im Red-Bull-Nachwuchs fährt, der bereit für die Formel 1 scheint. Eine Variante gibt es dennoch: Kvyat geht zurück zu Toro Rosso, während Max Verstappen oder Carlos Sainz jr. schon in Barcelona zum Topteam aufrücken. Dabei hätte der Russe ebenfalls einen Vorteil: Er könnte sich nach kurzem Rummel ausschließlich aufs Rennfahren konzentrieren und sich für neue Aufgaben empfehlen. Denn für mich steht fest: Spätestens nach der Saison 2016 ist für Kvyat Schluss bei Red Bull.

Die Formel-1-WM 2016 im Überblick