Verstappen packt die Playsi aus

Dominik Geißler
10. April 201716:48
Max Verstappen überragte das Rennen am Sonntaggetty
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Nach jedem Grand Prix der Formel 1 bewertet SPOX die Leistungen der Fahrer am vergangenen Wochenende. Teil 2 der Saison 2017: der Große Preis von China in Shanghai. Max Verstappen überragt den Sonntag mit einer Mega-Fahrt, die Quali wird ihm aber zum Verhängnis. An der Spitze thront das Tier Fernando Alonso - noch vor Sebastian Vettel und Lewis Hamilton.

Platz 1, Fernando Alonso: Die Leistung des Spaniers an diesem Wochenende als fehlerlos zu bezeichnen, wäre die Untertreibung der Saison - so viel kann man jetzt schon sagen. Alonsos China-Fahrten waren nämlich nicht einfach fehlerlos, sie waren perfekt, bockstark oder kurzum: einfach tierisch!

Am Samstag bugsierte der selbsternannte "Elefant" seinen lahmenden McLaren-Honda auf Startplatz 13. "Wie ein Tier" habe er Gas gegeben, um ins Q2 zu kommen, sagte Alonso später. Für den Sonntag hoffte er dann auf Regen. Und immerhin: Er bekam zu Beginn des Rennens eine feuchte Piste serviert.

Diese nutzte Alonso in der ersten Runde, um an gleich fünf Gegnern vorbeizuziehen. Ohne Topspeed, dafür mit umso mehr fahrerischem Geschick hielt der zweifache Weltmeister seinen unterlegenen Wagen anschließend auf Platz acht, ehe ein Schaden an der Antriebswelle die Top-10-Jagd vorzeitig beendete. "Ich war ein Hai", begründete Alonso seine Wunderfahrt: "Ich will mich nicht wiederholen, aber es war eines meiner besten Rennen." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Platz 2, Sebastian Vettel: Mit dem My einer Tausendstelsekunde setzte sich der Heppenheimer in der Quali gegen Valtteri Bottas durch. Mehr war nicht drin, gegen Lewis Hamilton war er chancenlos. Zu stark ist der Mercedes noch immer, wenn es darum geht, auf den Punkt eine schnelle Runde zu fahren.

Im Rennen beraubte dann die Aneinanderreihung einiger unglücklicher Umstände Vettel einer möglichen Siegchance. Der vermeintlich zeitsparende Wechsel auf Slicks unter dem Virtual Safety Car war die richtige Idee. Pech, dass wenige Runden später das "echte" Safety Car auf die Strecke kam und Vettel so bis auf Platz sechs nach hinten spülte.

Hinter Daniel Ricciardo und Kimi Räikkönen hing der viermalige Weltmeister bis in Runde 20 fest, weil er kein zu hohes Risiko eingehen wollte. Erst dann kämpfte er sich mit zwei beherzten Rad-an-Rad-Manövern am Teamkollegen und Red-Bull-Piloten vorbei. Das war perfekt kalkuliert und zeigte Vettels unbändigen Siegeswillen im Titelkampf. Bei freier Fahrt verkürzte der Ferrari-Fahrer den Abstand zu Hamilton etwas und zeigte, dass die Roten auf Augenhöhe mit Silber sind.

Platz 3, Lewis Hamilton: Vettel auf Platz 2 im Driver-Ranking und Hamilton nur auf 3? Das hätte auch genau andersrum aussehen können. Einzig die starken Überholmanöver lassen das Pendel in Richtung Vettel ausschwingen. Hamiltons Leistung soll das natürlich nicht schmälern, er fuhr ein fehlerfreies Wochenende.

Die 63. Pole Position seiner Karriere - nur noch zwei fehlen ihm zu Ayrton Senna - schnappte sich der Brite mit einer perfekten Runde. Den Start gewann er souverän, danach profitierte er vom Rennverlauf und fuhr fast mühelos zum Sieg.

Platz 4, Max Verstappen: Lass es regnen und dieser Kerl zeigt dir, wie man richtig Auto fährt. Von Platz 16 startend überholte Verstappen neun Autos in der ersten Runde. Nochmal zur Verdeutlichung: 9 in 1! Solche Zahlen kennt man sonst nur aus Videospielen, wo sich die Künstliche Intelligenz (KI) in der Startphase ungefähr so geschickt anstellt wie Bottas beim Aufwärmen seiner Reifen in Shanghai (s. Härtefall, Seite 2).

Da Verstappen seine Aufholjagd auch im weiteren Rennverlauf fast unaufhaltsam fortsetzte, sprang er noch als Dritter aufs Siegerpodest. Wer darauf gewettet hatte, darf sich freuen: 1:30 war die Quote dafür vor dem Start, wie Red-Bull-Teamchef Christian Horner anschließend verriet.

Warum es für Mann des Rennens im Driver-Ranking trotzdem nicht fürs Stockerl reicht? Weil er am Samstag schon im ersten Quali-Segment ausschied. Das kann man Verstappen zwar nicht direkt vorwerfen, weil ihn Motorprobleme und der Giovinazzi-Crash an einer schnellen Runde hinderten. Doch für eine gute Bewertung taugt das frühe Aus eben auch nicht.

Platz 5, Carlos Sainz Jr.: Feuchter Asphalt? Dem Toro-Rosso-Youngster war's egal! Als einziger Fahrer im gesamten Feld startete er auf Trockenreifen. Eine mutige Entscheidung, an der er laut eigener Aussage selbst in der Aufwärmrunde zweifelte. Doch das Risiko zahlte sich aus: Sainz hielt seinen Boliden bis auf einen Dreher auf der Strecke und rückte so bis auf Rang sechs vor.

Zeitweise fuhr der 22-Jährige sogar die schnellsten Rundenzeiten und war drauf und dran, sich an das Führungsquartett um Mercedes, Red Bull und Ferrari heranzupirschen. Abzüge gibt es allein für das Qualifying. Hier war Sainz ein Zehntel langsamer als Teamkollege Daniil Kvyat und verpasste so Q3.

Platz 6, Kevin Magnussen: In Australien bekam der Däne vom Kollegen Alexander Maack noch berechtigterweise den Stempel "Untauglich" aufgedrückt. In China nahm er sich die Kritik aber offenbar zu Herzen und lieferte eine überzeugende Leistung ab. Im Qualifying ließ er Romain Grosjean deutlich hinter sich, im Rennen ging es mit guten Manövern bis auf Platz acht. Schlüsselfaktor dabei: Magnussen bekam seine Vorderreifen im Gegensatz zu vielen Konkurrenten ins Arbeitsfenster.

Platz 7, Esteban Ocon: Mit einem Force India in Q1 auszuscheiden, klingt erstmal nach einer sportlichen Fehlleistung des Fahrers. Doch Ocon war schuldlos. In beiden schnellen Versuchen schwenkten die Streckenposten gelbe Flaggen, eine gute Zeit zu setzen, war so unmöglich.

Im Rennen dann der nächste Unglücksfall: Nach einem Missverständnis am Funk bog Ocon nach zwei Runden in die Boxengasse ab - ohne dabei die Reifen zu wechseln. 15 Sekunden kostete dieses Malheur. Beeindrucken ließ sich der Franzose davon nicht. Dank überlegter Fahrt und einem 40-Runden-Marathon-Stint holte er sich auch im zweiten Rennen einen Punkt. Wie man seine Reifen schont, hat sich Ocon dabei offenbar schon bei seinem Teamkollegen abgeschaut.

Platz 8, Sergio Perez: Eine Startrunde zum Vergessen erlebte der zweite Force-India-Pilot. Mit durchdrehenden Rädern verlor der ehemalige Stallgefährte von Nico Hülkenberg kurz nach dem Losfahren mehrere Positionen, ehe er sich bei der Kollision mit Lance Stroll einen Plattfuß einhandelte. Schuld traf bei dem Zwischenfall niemand, die Rennkommissare entschieden auf Rennunfall.

Immerhin: Nach der ersten Runde lief der Grand Prix für Perez, der in der Qualifikation souverän ins Q3 gefahren war, nach Plan. Ohne weitere Zwischenfälle arbeitete sich der Mexikaner Stück für Stück nach vorne und sammelte zwei weitere Zähler für sein WM-Konto.

Platz 9, Daniel Ricciardo: Mehr als Startplatz fünf ist mit dem Red Bull aktuell nicht drin. Ricciardo holte am Samstag also das Maximum heraus. Mit einem guten Start schob sich der Australier dann an Räikkönen vorbei und hielt seine Position lange inne. Richtig Tempo machen konnte er aber wegen Reifenproblemen nie. Und wenn dein Teamkollege von Rang 16 startend am Ende vor dir steht, kannst du nicht den besten Tag erwischt haben.

Platz 10, Kimi Räikkönen: Einen wirklich guten Eindruck hinterließ der Iceman auf dem Shanghai International Circuit nicht. Drei Zehntel Rückstand auf Vettel im Qualifying und rund 42 Sekunden im Rennen sind kaum diskutabel - und für Ferrari offenbar so dramatisch, dass Präsident Sergio Marchionne gegenüber us.motorsport.com ein Gespräch zwischen Räikkönen und Teamchef Maurizio Arrivabene forderte.

Doch man muss den Finnen zumindest teilweise in Schutz nehmen. Zum einen klagte er immer wieder über seine Motoreinstellung, die ihn auf der langen Geraden Leistung kostete. Zum anderen patzte Ferrari bei der Strategie und ließ Räikkönen vor dessen zweiten Stopp zu lange auf seinen Softs fahren. Im Kampf ums Podium war er damit chancenlos.

Härtefall, Valtteri Bottas: 0,187 Sekunden fehlten dem Finnen im Qualifying auf Teamkollege Hamilton. Wenn man bedenkt, dass der dreifache Champion ein wahres Quali-Monster ist, scheint dieser Rückstand für den Mercedes-Frischling vertretbar. Zur Erinnerung: Auch Vorgänger Nico Rosberg biss sich bei der Zeitenjagd meist vergeblich die Zähne an Hamilton aus. Ob Renningenieur Tony Ross seinen neuen Schützling deswegen kurzzeitig "Nico" am Funk nannte?

Wie dem auch sei: Das Rennen hatte für Bottas einige Lichtblicke parat. Den Speed der Spitze konnte er zeitweise mitgehen, zudem fuhr er hinter Hamilton und Vettel die drittschnellste Rennrunde. Aber (und das ist jetzt ein großes Aber): Sich beim Reifenaufwärmen hinter dem Safety Car zu drehen und im Gras sofort danach die zweite Pirouette hinterherzuwerfen, zeugt nicht gerade von viel Fahrgeschick. Mit dieser Aktion habe es Bottas "weggeschmissen", wie Toto Wolff nach dem Rennen zu Recht kritisierte.

Und wie heißt es so schön: So ein Fehler kann, darf aber nicht passieren. Will Bottas nicht zu schnell die (inoffizielle) Nummer zwei im Team werden und im WM-Kampf noch ein Wörtchen mitreden, muss er ganz schnell liefern. Möglichst ohne Dreher.