Ferraris Reifen-Desaster wirft Fragen auf

Sebastian Vettels Reifen hielten nicht die gesamte Distanz
© getty

Während Lewis Hamilton den Großen Preis von Großbritannien mühelos gewann, erlebte Sebastian Vettel wegen eines Reifenschadens ein Desaster. Kurioserweise erwischte es auch Ferrari-Teamkollege Kimi Räikkönen. Warum? Da gibt es verschiedene Sichtweisen.

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"Es ist Zeitverschwendung, mit den FIA-Leuten zu sprechen, sie tun nichts", polterte Lewis Hamilton: "Erst wenn jemand verletzt ist, werden sie etwas unternehmen. Ich habe doch keine Lust, mein Leben für diese verdammten Reifen zu riskieren." Gerade war dem Mercedes-Piloten der linke Hinterreifen bei Tempo 250 geplatzt.

Auch Sergio Perez erwischte es. Seine Reifenfetzen flogen sogar auf den hinter ihm fahrenden Fernando Alonso. "Der hätte tot sein können", warnte Niki Lauda, Aufsichtsratsvorsitzender von Mercedes. Hätten die Teile den Spanier anders getroffen, "wäre ihm das Genick abgerissen worden".

Ja, es waren echte Schockmomente, die sich damals, beim Großen Preis von Großbritannien 2013, abspielten. Doch nicht nur Hamilton und Perez waren betroffen, auch die Reifen von Felipe Massa, Jean-Eric Vergne und Esteban Gutierrez rissen auf. Drama pur.

Vettel und Räikkönen mit Reifenschaden

Nun, vier Jahre später, sorgen die Pirelli-Pneus an Ort und Stelle erneut für Zündstoff. Kurz vor Schluss der 2017er-Ausgabe in Silverstone kam es erst bei Kimi Räikkönen zu einem Reifenschaden, einen Umlauf später traf es Sebastian Vettel. Zwei Ferraris. Zwei kaputte Gummis. Zwei verlorene Rennen.

Während Räikkönen aber immerhin seinen Podestplatz hinter den beiden Mercedes von Hamilton und Valtteri Bottas retten konnte und damit nur eine Position verlor, fiel Vettel vom vierten auf den siebten Rang zurück. In der Weltmeisterschaft hat der Heppenheimer damit nur mehr einen Zähler Vorsprung vor Hamilton, der seinen bereits fünften Heimsieg einfuhr.

Doch wie kam es zu den Reifenschäden? Auf den ersten Blick schien es sich schließlich um identische Defekte zu handeln. Beide Probleme traten am linken Vorderrad auf. Haben die Schäden also System? Liegt die Schuld bei Ferrari oder doch bei Pirelli?

"Es kam wie aus dem Nichts", wunderte sich Vettel bei Sky über die Geschehnisse: "Es hat uns völlig überrascht. Der Reifen hätte locker halten sollen. Ich weiß nicht, warum er es nicht getan hat. Es war jedenfalls keine Sternstunde für die Reifen ..."

Zwei verschiedene Ursachen

Vettels Softmischung hatte zum Zeitpunkt des Reifen-Todes 31 Runden drauf. Das ist auf einer Strecke wie dem Silverstone Circuit, der mit seinen schnellen Kurven die Gummis stark beansprucht, nicht wenig. Zudem verbremste sich der 30-Jährige im Duell mit Bottas einmal stark bei der Anfahrt auf die letzte Schikane. Doch das Alter der Reifen war laut Vettel trotzdem nicht ursächlich für den Schaden. "Kimis Reifen waren fünf oder sechs Runden frischer", warf er entgegen: "Dass der Reifen in die Luft fliegt, konnte man einfach nicht ahnen."

Allerdings: Wie Pirelli mitteilte, waren die Reifenschäden bei Vettel und Räikkönen unterschiedlicher Natur. Vettels Pneus hätten tatsächlich das Ende ihrer Lebensdauer erreicht, während beim Iceman ein anderes Problem verantwortlich war, sodass sich zwar die Oberfläche des Reifens abrieb, die Luft aber nicht entwich.

Kurios ist auch, dass es an diesem Sonntag nur Ferrari erwischte. Zwar meldeten mehrere Fahrer Probleme mit den Vorderreifen und vereinzelte Blasenbildungen auf dem schwarzen Gold, doch zu größeren Schäden kam ausschließlich bei den roten Rennern. Das ist besonders verwunderlich, weil sowohl Reifendruck als auch maximaler Sturz reglementiert sind. Große Alleingänge der Teams sind da nicht möglich.

Niki Lauda: Ferrari hätte es vorhersehen können

Lag es also doch an der Strategie? Das glaubt zumindest Lauda, der sich einen Seitenhieb gegen die Scuderia nicht verkneifen konnte. "Die Strategie bei Mercedes war absolut perfekt. Beide Ferrari-Piloten haben die Reifen bis zum bitteren Ende ausgefahren. Dass es arg war, hätte man vorhersehen können", meinte der Österreicher gegenüber RTL. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hingegen gab bei Sky zu, dass es "Glück war, dass es uns nicht getroffen hat". Immerhin fuhr Bottas im ersten Stint auch über mehr als 30 Runden auf seinen Softs (Kevin Magnussen schaffte im Haas gar 37 Runden auf den gelben Reifen).

Gewarnt fühlte man sich im Red-Bull-Lager, zumindest im Fall von Max Verstappen. "Die Abnutzung war extrem hoch. Es war kein Gummi mehr auf dem Reifen. Wir wären durchgekommen, aber nachdem wir gesehen haben, was Ferrari blühte, haben wir sicherheitshalber gewechselt", erklärte Motorsport-Boss Helmut Marko.

Ferrari reagierte bei Vettel nicht auf Räikkönens Alarmglocken. Einen Vorwurf machte er seinem Team deswegen aber nicht. Überhaupt nahm der Wahl-Schweizer die Niederlage zur Saisonhalbzeit ziemlich sportlich.

"Wir haben nicht das Resultat bekommen, das wir wollten und vielleicht auch verdient hätten. So ist es eben, wir akzeptieren das und schauen nach vorne", sagte der viermalige Weltmeister: "Manchmal gewinnt man, und alles ist schön, wenn es nicht klappt wie heute, sprechen die Leute von großen Enttäuschungen oder einer Katastrophe."

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