Von bärenstark bis untauglich

Lance Stroll setzte seinen Williams bereits mehrfach in die Mauer
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Vor dem Großen Preis von Kanada (alle Sessions im LIVETICKER) ist rund ein Drittel der Formel-1-Saison 2017 Geschichte. Zeit, die Frischlinge der Königsklasse des Motorsports mal genauer unter die Lupe zu nehmen und eine Zwischenbilanz zu ziehen. Wie schlugen sich Esteban Ocon, Lance Stroll und Stoffel Vandoorne also bisher? SPOX macht den Check.

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Esteban Ocon (Force India):

Der Franzose übernahm zur Sommerpause 2016 das Manor-Cockpit von Rio Haryanto und absolvierte als damaliger Teamkollege von Pascal Wehrlein die zweite Saisonhälfte in der Formel 1. Im eigentlichen Sinne ist Ocon damit also eigentlich kein Rookie mehr, allerdings bestreitet er in diesem Jahr eben erst seine erste komplette Saison im Grand-Prix-Sport.

Und das bislang mit großem Erfolg: Im Force India fuhr er in sechs Rennen fünf Mal in die Punkte, einzig beim Monaco-GP verpasste er die Top 10 aufgrund eines verpatzten Qualifyings. Im Gegensatz zu Stallgefährte Sergio Perez - seines Zeichen ein hochgeschätzter Fahrer mit siebenmaliger Podiumserfahrung - fehlt ihm zwar sowohl auf eine schnelle Runde als auch auch im Rennen stets ein Stückchen, doch hält sich der Rückstand auf den Mexikaner in Grenzen.

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"Ich komme Sergio immer näher. Das kann man deutlich sehen", zeigte sich Ocon bereits nach vier Saisonläufen mit seiner Entwicklung zufrieden: "Bisher hatte ich im Qualifying oft größeren Abstand als im Rennen. Also ist klar, dass ich mir in diesem Bereich einige Fortschritte vorstelle. Ich habe schon zugelegt, habe schon bezüglich des Setups viel gelernt. Die Chancen steigen also, dass meine Leistungen besser werden."

Natürlich profitiert Ocon, der sich 2014 den Formel-3-EM-Titel vor einem gewissen Max Verstappen sicherte, von dem konstant guten Force India. Das im markanten Rosa lackierte Auto hat sich erneut als viertbeste Kraft etabliert. Trotzdem muss man als 20-jähriger Frischling seinen Boliden erst einmal so souverän ins Ziel bringen - mit dem Druck, in die Fußstapfen eines Nico Hülkenbergs treten zu müssen und dem allgemeinen Anspruch, den das Geschäft Formel 1 so mit sich bringt. Der Mercedes-Junior, der Wehrlein das Force-India-Cockpit vor der Nase wegriss, schafft das.

Lance Stroll (Williams):

Motorenhersteller Honda steht in dieser Saison mal wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Doch auch bei den Fahrern gibt es jemanden, der von massivem Gegenwind nicht befreit ist: Lance Stroll. Der Kanadier gilt vor seinem Heimspiel in Montreal für viele als schlechtester Pilot im diesjährigen Feld.

Der allgemeine Tonus: Der Rookie ist ein Paydriver, der das Williams-Cockpit einzig und allein dem Geldkoffer seines Milliardärvaters zu verdanken hat. Das nötige fahrerische Geschick? Nicht vorhanden. Bei zahlreichen Experten ist Stroll bereits durchgefallen. In den sozialen Netzwerken muss er sich Spott und Häme gefallen lassen. Die Website hasstrollcrashed.today, auf der Strolls Unfälle gesammelt werden, unterstreicht das. Erinnerungen an Crash-Kid Pastor Maldonado werden wach.

Die Kritik kommt dabei natürlich nicht von ungefähr. Im Vergleich zu Stallgefährte und Kurzzeit-Rentner Felipe Massa sieht der 18-Jährige keinen Stich. Null zu 20 Punkten steht es im teaminternen Duell, vier Mal kam Stroll nicht ins Ziel. Zu keinem Zeitpunkt war er auch nur annähernd so schnell wie Massa. Funksprüche wie "Ich habe keine Temperatur in den Bremsen und den Reifen. Wenn ich nicht bremsen kann, werde ich beim Restart crashen. Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Bitte helft mir!" (Monaco-GP) lassen ihn überfordert wirken. Manch einer unkt bereits, dass Strolls schlechte Ergebnisse Williams am Ende des Jahres mehr kosten werden als er durch das väterliche Geld einbringt.

Bei dem Traditionsrennstall bewahrt man jedoch Ruhe. "Wie bei jedem jungen Piloten braucht es Zeit. Und er ist ein sehr junger Fahrer, der viel zu lernen hat", nimmt Teamchefin Claire Williams ihren Schützling in Schutz: "Er wurde willkürlich und unfair behandelt."

Auch Technikchef Paddy Lowe verteidigte Stroll, der immerhin in der Formel 4 (2014) und Formel-3-Europameisterschaft (2016) triumphierte, und erklärte dessen Startschwierigkeiten mit dem Zeitpunkt seines Debüts: "Es gibt so viel mehr zu lernen. Die Komplexität der Autos ist viel höher und damit auch der Anspruch an den Fahrer. Mit den Reifen richtig umzugehen, ist schwieriger geworden."

In der Tat sind die 2017er-Autos anspruchsvoller zu fahren, verzeihen weniger Fehler und fordern eine noch bessere Fitness. Doch als Entschuldigung dient das nur bedingt. Stroll muss bald liefern - sonst könnte sein erstes Jahr in der Formel 1 auch sein letztes gewesen sein.

Stoffel Vandoorne (McLaren-Honda):

Wie Ocon hat auch der junge Belgier bereits Formel-1-Erfahrung aus dem Vorjahr. Beim Bahrain-GP 2016 vertrat er den verletzten Fernando Alonso und verkaufte sich damals mit einem Top-10-Ergebnis stark. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an Vandoorne vor dieser Saison. Zu hoch?

Bislang konnte der 25-Jährige nämlich noch nicht wirklich überzeugen. Bestes numerisches Rennergebnis war ein 13. Platz in Australien, wo er die Ziellinie aber als Letzter überquerte. Drei Mal fiel er vorzeitig aus, einmal konnte er gar nicht erst starten. Im Qualifying scheiterte der Button-Nachfolger regelmäßig im ersten Ausscheidungssegment.

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Vandoorne hat dabei mit mehreren Widrigkeiten zu kämpfen. Zum einen teilt er sich die Garage mit Fernando Alonso, der aufgrund seiner fahrerischen Klasse nicht unbedingt als besonders dankbarer Teamkollege gilt.

Zum anderen wird sein McLaren von einem Honda-Motor angetrieben. Bedeutet: Schon bei den Testfahrten kam er fast nicht zum Fahren, an den GP-Wochenenden musste er seinen Boliden immer wieder frühzeitig abstellen. In einen Rhythmus zu kommen und das Auto gut kennenzulernen, war kaum möglich. Dabei ist besonders für einen Rookie nichts wichtiger als das Kilometersammeln. Insofern hat Vandoorne im Vergleich zu Ocon und Stroll einen großen Nachteil. Seine Leistung zu bewerten, fällt schwer.

"Die Formel 1 ist anders", erklärte McLaren-Teamchef Eric Boullier die Schwierigkeiten: "Jedes Wochenende bringen wir einen neuen Frontflügel, neue Karosserieteile, einen neuen Heckflügel, neuen Unterboden, also ist die Balance des Autos ganz anders. Wenn man dir während deiner jungen Karriere gesagt hat, du sollst das Auto auf eine Art fahren, musst du in der Formel 1 flexibler sein und das kommt mit der Erfahrung."

Während Ocon überzeugt und Stroll bereits abgeschrieben wird, wartet man bei Vandoorne also noch auf die Explosion. Renault-Teamchef Frederic Vasseur, als Nachwuchsförderer bekannt, ist sich daher beim belgischen TV-Sender sicher, dass "Stoffel ein zukünftiger Weltmeister ist - daran ändern auch die schwierigen ersten Rennen nichts".

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