Als Ayrton Senna beim Großen Preis von San Marino tödlich verunglückte, war Lewis Hamilton neun Jahre alt. Er weinte. Weil sein schon damals großes Idol für immer gegangen war. "Ich versteckte mich hinter einem Lastwagen, damit mich mein Vater nicht sah", verriet der Engländer einst über diesen traurigen Tag im Mai 1994.
Was Hamilton damals nicht wissen konnte: Sennas Erfolge, sein Talent, sein unvergleichbarer Stil und auch seine menschliche Art sollten nie vergessen werden. Noch heute lebt Senna in den Köpfen seiner Fans weiter, als eine der größten Legenden der Formel 1.
Wenn man von den besten Fahrern aller Zeiten spricht, dauert es nie lange, bis der Name Senna fällt. Er gilt als Jahrhundertfahrer und fällt damit in eine Riege mit Michael Schumacher, Alain Prost oder Juan-Manuel Fangio. In diese Riege gehört jetzt - und zwar spätestens jetzt - auch Lewis Hamilton.
Der Mercedes-Pilot hat mit seinem vierten WM-Triumph nicht nur seinen brasilianischen Helden bei der Anzahl der Weltmeisterschaftstitel überholt (4:3) und ist mit Sebastian Vettel und Prost gleichgezogen. Er hat in diesem Jahr eine Reife an den Tag gelegt, die selbst die größten Hamilton-Befürworter überrascht haben dürfte.
Lewis Hamilton so gut wie nie
Vorbei sind die Zeiten, als ein stehendes Rad zum Fahrstil des heute 32-Jährigen gehörte. Vorbei sind die Zeiten, als er sich in waghalsige Überholmanöver schmiss, die mal gut, mal schlecht für ihn endeten. Hamilton fuhr in diesem Jahr, vor allem seit der Sommerpause, so abgeklärt wie noch nie.
Er ging kein unnötiges Risiko, schonte Reifen und Motor - in der heutigen Zeit ein entscheidender Faktor - und war dabei trotzdem verflucht schnell. Während Vettel immer wieder in verschiedenste Querelen verwickelt war oder wie beim Aserbaidschan-GP gänzlich die Nerven verlor, raste Hamilton insbesondere ab dem Belgien-GP unaufgeregt von Erfolg zu Erfolg. Einzig in Mexiko hatte er wirklich zu kämpfen.
Besonders erwähnenswert: seine Leistungen im Qualifying. Geht es um die eine schnelle Runde, holt Hamilton in einer unvergleichbaren Beständigkeit das Maximum aus seinem Auto heraus. Er ist dieser Pilot, der die berühmten Zehntelsekunden schneller ist. Wer also hätte es mehr verdient gehabt, Schumachers Rekord der meisten Pole Positions zu knacken? Keine Frage: Der aktuelle Hamilton ist der beste Hamilton, den wir je gesehen haben.
Seinem extravaganten Lebensstil ist das "Member of the British Empire" dabei aber über all die Jahre treu geblieben. Er ist immer noch der Glamourboy der Königsklasse. Er liebt das Highlife, genießt das turbulente Leben eines Promis in vollen Zügen und macht lieber Party als sich zurückzuziehen und zu entspannen. Bei Instagram hat Hamilton über fünf Millionen Follower (so viele wie kein anderer Formel-1-Fahrer), die in regelmäßigen Abständen seine Fashion-Ausflüge und Freizeitaktivitäten bestaunen dürfen.
Man kann diese Art des Lebens, des zur Schau stellens, mögen oder nicht. Wer aber meint, dass dieses Verhalten unprofessionell sei, ist falsch gewickelt. Hamilton, nur zu gerne mit dicken Goldklunkern ausgestattet, braucht dieses Leben. Das weiß auch Mercedes. Nicht umsonst gestatten sie ihrem Ausnahmepiloten ungewöhnliche Freiheiten.
Hamilton und Mercedes: die perfekte Symbiose
Apropos Mercedes: Die Stuttgarter haben Hamilton nun zum vierten Mal in Folge das beste Gesamtpaket hingestellt. Schmälert das seine Leistung? Nein.
Die Formel 1 bestand schon immer aus dem Zusammenspiel von Mensch und Technik. Der beste Fahrer kann im schlechtesten Auto genauso wenig Weltmeister werden wie der schlechteste Fahrer im besten Auto. Auch ein Fangio, Senna, Prost, Schumacher oder Vettel hatten in der Regel das beste Material zur Verfügung. So spielt Motorsport nun einmal.
Sollte Mercedes auch in den nächsten Jahren ein konkurrenzfähiges Auto bauen und Hamilton sein Level halten, führen die kommenden Weltmeisterschaften wohl erneut über den Mann mit der Startnummer 44. Frei nach dem Motto "Rekorde sind da, um gebrochen zu werden" scheinen Hamiltons Grenzen nach oben offen zu sein. Und selbst wenn die Erfolgsserie des Briten früher als erwartet stoppen sollte: Schon jetzt ist er eine lebende Legende.