Seine Premiere in Monte Carlo hatte sich Nico Hülkenberg sicherlich anders vorgestellt. Nach einem starken elften Platz in der Qualifikation war das Rennen des Deutschen bereits vorbei, bevor es richtig begonnen hatte. Im Tunnel zerlegte er seinen Williams in Runde eins in nahezu alle Einzelteile.
Schuld hatte "Hülk" an seinem Crash allerdings wenig. Der Frontflügel war abgefallen und machte es unmöglich, den Einschlag zu verhindern. "Hier einen Unfall zu haben, ist schon etwas anderes", erinnerte sich der Emmericher 2016 im Interview mit der AutoBild zurück.
Der Tunnel an sich sei allerdings eine der angenehmsten Stelle der Strecke, "da hat man mal fünf Sekunden, um sich zu erholen". "Das Anbremsen nach der Tunnelpassage" sei aber eine "kleine Herausforderung".
Startplatz noch wichtiger
Die Herausforderung wird im Jahr 2017 noch größer sein als in den Jahren zuvor. Durch die 20 Zentimeter breiteren Autos wird der schon limitierte Platz auf der Strecke noch geringer, das Überholen noch schwerer. Ein guter Startplatz könnte mehr als die halbe Miete sein.
Ein Fakt, der Hülkenberg in die Karten spielen könnte. Auf eine Runde war er die gesamte Saison über konkurrenzfähig, schaffte dreimal den Sprung in Q3. Selbst wenn er das letzte Quali-Segment verpasste, fehlten nie mehr als anderthalb Zehntel.
In Monaco ist die Quali-Bilanz Hülkenbergs ebenfalls gut, aber auch durchwachsen. War Platz elf im ersten Jahr noch ein Erfolg, musste er sich auch nach seiner Auszeit 2011 die kommenden drei Jahre mit dem ersten Platz außerhalb der Top Ten zufrieden geben.
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Nach Platz zwölf 2015 setzte Hülk im vergangenen Jahr ein richtiges Ausrufezeichen. Startplatz fünf mit einem Vorsprung von sechs Tausendstel-Sekunden vor Kimi Räikkönen im Ferrari bedeutete seine mit Abstand beste Platzierung.
Gute Rundenzeit ist "tricky"
Im Jahr 2017 will sich Hülkenberg zwischen die Favoriten schieben und er weiß auch, wie er dieses Ziel erreichen kann: "Man muss sich von Session zu Session steigern. Im Qualifying geht man aufs Ganze und riskiert mehr, fährt näher an die Streckenbegrenzung und geht voll ans Limit."
Gerade mit den neuen Autos sei es allerdings wichtig, nicht zu früh zu viel zu riskieren: "Das Letzte, was man will, ist, die Mauer zu berühren und das ganze Selbstvertrauen wieder wegzuschmeißen."
Trotz des gesteigerten Schwierigkeitsgrads der breiten Boliden ist sich Hülkenberg sicher, dass er sich zum vierten Mal in dieser Saison in Q3 manövrieren kann: "Es ist tricky, einen guten Rhythmus zu finden, aber in den vergangenen Jahren ist mir das gelungen und ich hoffe auf eine weitere starke Performance."
Herausforderung Stadtkurs
Von der körperlichen Anstrengung sollte eine gute Performance von jedem Fahrer möglich sein. Monaco zählt in dieser Hinsicht zu den "weniger anspruchsvollen Strecken" im Kalender. Der Fokus liegt viel mehr auf der Konzentrationsfähigkeit der Piloten.
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"Man muss sich konzentrieren und sehr präzise sein. Die Geschwindigkeit ist gering, die G-Kräfte nicht besonders hoch, aber anspruchsvoll, der Fokus ist entscheidend", erklärt der 29-Jährige.
Eine kurze Auszeit können sich die Fahrer eben nur an einer Stelle gönnen: Dem Tunnel.
Hülk mit Heimvorteil?
Die Stelle des Unfalls seiner Monaco-Premiere kennt der Renault-Pilot mittlerweile aus dem Eff-Eff. 2014 zog er ins Fürstentum und hat wie Lewis Hamilton, Daniel Ricciardo, Max Verstappen, Sergio Perez, Felipe Massa und Comebacker Jenson Button die Strecke vor der Haustür. Da 2017 kein Grand Prix in Deutschland stattfindet, bestreitet er als einziger Deutscher in diesem Jahr ein "Heimrennen".
"Ich fahre regelmäßig mit dem Fahrrad über die Strecke, manchmal sogar durch den Tunnel", ließ Hülkenberg im Vorfeld verlauten. Einen kleinen Vorteil hat er gegenüber manch einem seiner Konkurrenten also durchaus.
Dass ein Wohnsitz in der Häuserschlucht Monte Carlos nur bedingt einen Vorteil bedeutet, musste dagegen Button nach seinen ersten Runden im Simulator zugeben. "Ich bin zweimal im Hafenbecken gelandet", schilderte der Weltmeister von 2009. Trotz aller Kenntnis ist also Vorsicht geboten.
Schnell dank fehlendem Wind?
Während Button sich in seinen ersten Runden im neuen McLaren erstmal mit dem Auto vertraut machen muss, hofft man bei Renault auf eine weitere Steigerung gegenüber dem letzten Ergebnis in Barcelona. Der Grund hierfür ist relativ simpel: der Wind.
In Spanien litt der gelbe Renner aus Enstone am meisten unter den Seitenwinden, was Hülkenbergs sechsten Platz umso bemerkenswerter macht. In Sachen Abtrieb sieht der Emmerich deshalb das größte Potenzial bei Renault. "Je stärker das Auto wird, desto weniger empfindlich reagiert es zum Beispiel auf Seitenwinde. Wenn wir mehr Abtrieb haben, sollte das besser sein. Dafür müssen wir das Auto robuster machen, damit die Aerodynamik nicht mehr so sehr vom Wind beeinträchtigt wird."
Mit Seitenwinden ist bei einem Stadtkurs traditionell weniger zu rechnen. Die Streckenbegrenzungen rund um den 3,337 Kilometer langen Kurs verhindern größtenteils, dass die Boliden von außen beeinflusst werden.
Deshalb hofft Hülkenberg, dass die in Sotchi und Barcelona mitgebrachten Updates auch in Monaco "funktionieren". Zudem könnten die Reifen eine wichtige Rolle spielen. Dem Renault liegen vor allem die weicheren Pirelli, im Fürstentum kommen die Mischungen Soft, Supersoft und Ultrasoft zum Einsatz. "Die Strecke sollte uns liegen, vor allem auf den Supersoft- und Ultrasoft-Reifen", gibt sich der Deutsche optimistisch. Je einmal Soft und Supersoft stehen bei ihm elf Ultras gegenüber.
Der Glücksfaktor
Die Voraussetzungen für ein gutes Ergebnis sind für Hülkenberg durchaus gegeben, doch gerade in Monaco kann jede noch so gute Ausgangsposition innerhalb von Sekundenbruchteilen zunichte gemacht werden. Sei es im Qualifying oder im Rennen.
Auf dem engen Stadtkurs sind Einschläge in die Mauer oder Verbremser in der Mirabeau oder Sainte Devote keine Seltenheit, eine gute Runde kann auf einen Schlag dahin sein. Im Rennen kann eine solche Aktion noch größere Auswirkungen haben.
In den vergangenen fünf Jahr musste Bernd Mayländer in jedem Rennen mindestens einmal mit seinem Safety Car ausrücken. Die aktuelle Position auf der Strecke kann über Sieg oder Niederlage entscheiden. Vor allem, da Wetterkapriolen bei einer Regenwahrscheinlichkeit nahe Null nahezu ausgeschlossen sind.
Endet die Achterbahnfahrt?
Glück hatte Hülkenberg in den vergangenen Jahren eher selten. Allein 2016 hatte er "drei glasklare Chancen auf das Podium", wie er es im SPOX-Interview ausdrückte: "Zweimal sind unglückliche Umstände eingetreten." Sein Ruf als Pechvogel kommt also nicht von ungefähr.
Diesen Ruf will der Emmericher ablegen und ist in der laufenden Saison auf einem guten Weg dahin. Möglicherweise ist ihm das Glück in der Wahlheimat in diesem Jahr hold und er kann endlich den ersehnten ersten Podestplatz einfahren.
Damit würde er auch seine Achterbahnfahrt der vergangenen Jahre beenden. Seit seiner Rückkehr als Stammpilot 2012 wechselten sich Platzierungen in den Punkten und außerhalb der Top Ten jeweils ab. Acht, Elf, Fünf, Elf und Sechs lauten die Ergebnisse der zurückliegenden fünf Jahre.
Vielleicht genügt dafür auch bereits ein gutes Qualifying. Hülkenbergs Renault ist bei der Zeitenjagd konkurrenzfähig, dann braucht es nur noch das, was er vor der Saison bei auto, motor und sport befürchtete: "In Monte Carlo wirst du jetzt gar nicht mehr überholen können. Du fährst mit den breiten Autos einfach mitten in der Straße, und das war's."
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