Mit seinem vorzeitigen Rücktritt als DFB-Boss will sich Theo Zwanziger spätestens ab März 2012 Luft für die Reformen beim Weltverband FIFA verschaffen, der 66-Jährige stößt damit aber auf massiven Widerstand bei Joseph S. Blatter. Der FIFA-Präsident untergräbt derzeit massiv die Autorität Zwanzigers, weil der Jurist aus Altendiez als Chef-Aufklärer an der Vergabe der WM 2022 an Katar rütteln will.
Blatter erteilte Zwanziger am Rande der Klub-WM in Japan am Wochenende sogar einen Maulkorb und zog einen "Schlussstrich": Kritische Aussagen zur WM-Vergabe an Katar sind nicht länger erwünscht.
"Ich werde persönlich eingreifen, wenn Personen innerhalb der FIFA und Mitglieder des Exekutivkomitees weiterhin solch abträgliche Erklärungen verbreiten. Die Entscheidung der FIFA-Exekutive am 2. Dezember 2010, die WM 2018 an Russland und 2022 die WM an Katar zu vergeben, bleibt bestehen. Ich weiß nicht, wer diese Entscheidungen umstoßen sollte", sagte Blatter und machte Zwanziger damit unmissverständlich klar, dass er sich in Sachen Katar in Zukunft zurückzuhalten habe.
Zwanziger: WM-Vergabe an Katar "pervers"
Zwanziger gerät damit nicht länger nur nur national, sondern vor allem auch international in die Defensive. In welcher Form er seinen Reformwillen bei der FIFA als Mitglied des Exekutivkomitees in den kommenden Monaten überhaupt noch durchsetzen kann, erscheint fraglich.
Denn auch im Weltverband gilt Zwanziger nun als lame duck, der spätestens im Jahr 2013 auch bei der FIFA seinen Platz für den designierten DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach räumen muss. Wie ernst Blatter und die übrigen Exko-Mitglieder den Aufklärer Zwanziger noch nehmen, wird sich spätestens beim kommenden FIFA-Kongress am 24. und 25. Mai in Budapest erweisen.
Zwanziger hatte die Vergabe der WM 2022 an den Wüstenstaat Katar zuletzt sogar als "pervers" bezeichnet. Nach der verbalen Ohrfeige von Blatter musste der DFB-Boss, auch Mitglied im Exekutivkomitee der UEFA, allerdings doch ein wenig zurückrudern. Zwar fahndet Zwanziger intensiv nach Beweisen für mögliche Mauscheleien im Vorfeld der doppelten WM-Vergabe an Russland (2018) und Katar (2022), aber er findet offenbar nichts.
Vergangenheit kann man nicht "totreden"
"Es gibt für mich bis heute erkennbar keinen Beleg, dass dort Korruption oder was auch immer am Platz gewesen sein könnte. Es sind wohl Interessen eingeflossen, die ein Stück über den rein sportlichen Vergabeprozess hinausgehen. Das muss ich sagen und das werde ich mir auch nicht verbieten lassen", sagte Zwanziger, der Blatters Maulkorb offenbar gleich wieder ablegen will.
Denn der DFB-Boss zeigt sich kämpferisch: "Also einfach Vergangenheit totreden und sagen, die ist jetzt weg, das wird man nicht können. Und von daher denke ich schon, dass diese Punkte WM-Vergaben und auch das Thema ISL auf der Tagesordnung bleiben werden, ob man es will oder nicht. An diesem Punkt wird man nicht vorbeikommen. Was ist gewesen? Wo hat es Zahlungen gegeben? Und wenn das auf dem Tisch liegt, dann muss die Frage geprüft werden, gibt es unter den heutigen Statuten die Möglichkeit einzuschreiten oder gibt es sie nicht mehr", sagte Zwanziger, der sich allerdings jetzt schon sicher sein kann, dass die Statuten ein nachträgliches Eingreifen kaum möglich machen werden.
Kehrtwende bei Rücktrittszeitpunkt
Bevor sich der Noch-DFB-Chef aber wieder um den Weltverband kümmert, muss er am Donnerstag zunächst einmal den 21 Präsidenten der Landesverbände erklären, warum er nun doch schon im März auf einem Außerordentlichen Bundestag die Staffelübergabe an seinen designierten Nachfolger Niersbach vollziehen will.
Noch vor zwei Wochen, als sich Niersbach bereit erklärt hatte, Zwanzigers Nachfolger zu werden, hatte der DFB-Boss einen Rückzug vor Oktober 2012 noch kategorisch ausgeschlossen. Nun begründet Zwanziger seinen überraschend auf März vorgezogenen Rücktritt damit, dass er den Oktober-Termin ja nur für den Fall gewählt hatte, dass Niersbach absagt. Das nahende Ende der Amtszeit von Theo Zwanziger als DFB-Präsident wird weiter von reichlich Fragezeichen begleitet...