SPOX: Herr Langkamp, Sie spielten ab 2004 in der Bundesliga für Arminia Bielefeld und den VfL Wolfsburg, kickten in der Schweiz bei Grasshopper Zürich sowie bei Panionios Athen in Griechenland und beendeten vor fünf Jahren Ihre Karriere beim Karlsruher SC. Wie weit weg fühlt sich das alles an?
Matthias Langkamp: Fünf Jahre schon? Wahnsinn, wie die Zeit verfliegt. Ich habe mittlerweile genügend Abstand zum Fußball gewonnen. Die beiden ersten Jahre waren sehr schwer für mich, weil das Karriereende sehr plötzlich kam und keineswegs geplant war. Ich hatte aber leider am Ende durchgehend körperliche Probleme und konnte nur noch mithilfe von Spritzen auflaufen.
SPOX: Ihr im Juni 2011 auslaufender Vertrag beim KSC wurde nicht verlängert. Was ist anschließend passiert und wie kam der Entschluss, die Karriere zu beenden, genau zustande?
Langkamp: Ich war zunächst drei Monate lang vereinslos. Dann wurde ich zu einem Probetraining bei den Vancouver Whitecaps in der MLS eingeladen. Darauf war ich total heiß und bin sofort hingeflogen. Zwei Wochen lang habe ich dort trainiert und es lief auch ganz gut. Leider bin ich dann durch den Medizincheck gefallen.
SPOX: Was war der Grund?
Langkamp: Ich hatte schon zwei Operationen an der Achillessehne hinter mir, den Verantwortlichen war das Risiko plötzlich zu hoch. Ich habe dann noch einen letzten Versuch bei meinem Heimatverein Preußen Münster unternommen. Doch schon im ersten Training habe ich gemerkt: Es geht nicht mehr. Die Kickschuhe sind noch auf dem Heimweg im Müll gelandet und das war's dann. Seitdem habe ich auch nur ein Mal wieder gegen einen Ball getreten. Das war in der Halle mit ein paar Kumpels und ich habe mir sofort einen Muskelfaserriss zugezogen. (lacht)
SPOX: Was haben Sie unmittelbar nach dem Schlussstrich unter Ihre Laufbahn gemacht?
Langkamp: Ich bin gleich am nächsten Tag nach Costa Rica abgehauen.
SPOX: Urlaub also?
Langkamp: Teilweise. Ich habe mich in einer Sprachschule angemeldet, um Spanisch zu lernen. Letztlich wohnte ich neun Monate lang am Strand in einer 35 Quadratmeter großen Blechhütte bei einer Frau und ihrem zehnjährigen Sohn. Das war eine total geile Zeit.
SPOX: Das würde bestimmt nicht jeder behaupten, der zuvor die zahlreichen Annehmlichkeiten im Leben eines Profifußballers gewohnt war.
Langkamp: Ich habe mir damit aber eine Antwort auf die Frage gegeben: Wer bin ich ohne Fußball überhaupt? Ich bekam eine ganz neue Sicht auf das Leben. Nach einiger Zeit habe ich mich aber auch gefragt: Was bist du denn für ein Idiot?
SPOX: Weshalb?
Langkamp: Die Menschen dort haben kaum Geld, sind aber 1000 Mal glücklicher als ich. Wie kann das sein? Da musste ich mich erst einmal selbst fünf Mal ohrfeigen. Es gab dort schon einige Momente, in denen mir bewusst wurde, wie gut es uns in Deutschland eigentlich geht.
SPOX: Welcher Moment fällt Ihnen da am ehesten ein?
Langkamp: Wir haben uns in der Hütte einen Kühlschrank geteilt. Ich hatte mir eine Fanta gekauft und die Flasche dort hineingestellt. Als der Sohn die gesehen hat, lief er mit Tränen in den Augen zu seiner Mutter und fragte, ob er einen Schluck davon haben könne. Er hatte noch nie in seinem Leben eine Fanta probiert, er kannte das nur von Werbeplakaten. Das ist einer der Momente, die ich nie vergessen werde und die mich auf den Boden der Tatsachen zurückholten.
SPOX: Nach Ihrer Rückkehr haben Sie sich ein Standbein in der Immobilienbranche aufgebaut und vermieten zusammen mit einem Geschäftspartner unter anderem Fincas auf Mallorca. Wie sind Sie dazu gekommen?
Langkamp: Ich wollte bei der Firma eines Kumpels einsteigen und habe deshalb vor drei Jahren einige Anteile erworben. Seitdem bin ich dort dabei und studiere nebenbei Sportmanagement. Zusätzlich haben wir gerade ein neues Start-up unter dem Namen "sockprise" gegründet. Ich war bereits während meiner Karriere häufig auf Mallorca und habe dort viele Freunde und Bekannte. Durch ein Praktikum und einige Fortbildungen habe ich mich in diese Branche eingearbeitet. Jetzt kann ich immer mal ohne schlechtes Gewissen dort hinfliegen und sagen: 'Sorry, ich muss arbeiten.' (lacht)
SPOX: Wie eng ist noch der Kontakt zu ehemaligen Mitspielern aus dem Fußball?
Langkamp: Den gibt es eigentlich kaum noch. Zu einem Kollegen habe ich noch regelmäßig Kontakt und er zählt auch zu meinen besten Freunden. Sonst ist nicht viel übrig geblieben. Man kennt sich zwar, aber das beschränkt sich meist auf ein Hallo und Tschüss. Mir ist auch klar geworden, dass es da häufig komplett an der Menschlichkeit gefehlt hat.
SPOX: Den Gedanken, nach der Karriere im Fußball bleiben zu wollen, hatten Sie also nie?
Langkamp: Nein. Das wäre wohl der einfachste Weg gewesen, aber ich konnte und kann mir das nach wie vor nicht vorstellen. Die Freiheit und das Leben, das ich derzeit habe, möchte ich auf keinen Fall eintauschen. Ich bin glücklich über den Abstand, den ich gewonnen habe, möchte jetzt aber auch nichts für alle Zeiten ausschließen.
SPOX: Ihr jüngerer Bruder Sebastian spielt seit 2013 bei Hertha BSC. Wie nah stehen Sie sich?
Langkamp: Wir haben ein super Verhältnis, ich besuche ihn regelmäßig in Berlin. Ich freue mich sehr, wie gut es derzeit für ihn läuft. An meinem Beispiel konnte er sehen, dass es auch ganz schnell in eine andere Richtung gehen kann. Mein Karriereende hat ihn, aber auch unsere gesamte Familie, mit Sicherheit beeinflusst. Ich war zu der Zeit auch ziemlich ungenießbar.
SPOX: Inwiefern?
Langkamp: Es war einfach eine totale Stresssituation. Ich wusste nicht, wie es weitergehen würde und dazu kamen noch die körperlichen Probleme. Ich war auf alles und jeden sauer und nicht gerade der beste Gesprächspartner.
SPOX: Ihr Bruder steht als Bundesligaspieler öffentlich stark unter Beobachtung. Ist er vielleicht auch mal ein bisschen neidisch auf die Freiheit, die Sie jetzt haben?
Langkamp: Das glaube ich überhaupt nicht. Sein Beruf ist ja nicht schlecht zu reden. Momentan erlebt er wohl die schönste Zeit in seinem Leben. Ich habe es ja auch bis zum Ende geliebt. Wenn man dann noch Erfolg mit seiner Mannschaft hat, geht es kaum besser.
SPOX: Sebastian ist niemand, der für große Schlagzeilen sorgt. Nach dem Spiel bei Borussia Dortmund am 7. Spieltag sorgte seine doch sehr theatralische Einlage dafür, dass Emre Mor vom BVB die Rote Karte sah. Wie sah das für Sie aus?
Langkamp: Ich glaube, er hat sich in dem Moment selbst am meisten erschrocken. Mein Bruder ist bekanntlich ein sehr fairer Spieler, deshalb hat er sich nach dem Spiel auch umgehend öffentlich entschuldigt. Die zwei, drei provokanten SMS, die ich ihm anschließend geschickt habe, konnte ich mir allerdings auch nicht verkneifen. (lacht)
SPOX: Wer war denn früher der Talentiertere der beiden Langkamps?
Langkamp: Er war ja in der A-Jugend schon Kapitän beim FC Bayern, da war ich noch im kleinen Bielefeld. Man hat ihm den Sprung schon eher zugetraut als mir. Im Nachhinein war das auch nicht verkehrt, denn mit der Karriere, die er mittlerweile hingelegt hat, kann ich ja nicht einmal im Ansatz mithalten.