Bindung zum Spiel geht verloren
Das alles führt dazu, dass die Bindung zum Spiel für den Besucher verloren geht. Der Fußball entwickelt sich zum Event, vergleichbar mit den großen US-Sportarten. Hier sind sich die Fans bewusst, dass sie eine Show geboten bekommen, die sie so woanders nicht erleben können. Dafür nehmen sie Vermarktung und Eventcharakter gerne in Kauf. Beim Fußball steht auch aufgrund des Ligensystems, das es in Amerika nicht gibt, zumindest manchmal noch das Spiel im Vordergrund.
Kein Wunder aber, dass in den Topligen sofort Pfiffe und Unmut aufkommen, wenn die unfehlbaren Maschinen auf dem Platz menschlich werden oder gar Fehler machen. Der Zuschauer hat schließlich viel Geld dafür bezahlt und will dann auch dementsprechend unterhalten werden. Der Fußball hat die Menschen zu Kunden gemacht, da ist es nicht verwunderlich, dass sie sich auch so verhalten. Und so ist man geneigt, beim Profi- und Amateurfußball von zwei unterschiedlichen Sportarten zu sprechen.
Verteilung des Geldes stimmt nicht
Dass im Fußball viel Geld steckt, ist vollkommen klar und eine natürliche Entwicklung. Der DFB verkündete jüngst den elften Umsatzrekord in Folge. Die Basis des gesamten Systems verdient dabei aber nur einen Bruchteil der Summen und kämpft in den unteren Ligen an jedem Spieltag jeder Saison darum, Mannschaften stellen zu können.
Ohne die vielen Amateurvereine aber wäre der gesamte Fußball nicht vorstellbar, bedenkt man, dass 99,9 Prozent der Profis ihre Karriere bei genau so einem Verein begonnen haben. Man stelle sich vor, dieses Filtersystem würde wegfallen, Bundesligavereine könnten potenzielle Kandidaten für die Jugendmannschaften ausschließlich über regelmäßig veranstaltete Camps sichten.
Auch Engelbert Kupka, der frühere Präsident der SpVgg Unterhaching setzt sich mit seinem neu gegründeten Aktionsbündnis für eine gerechtere Verteilung der durch den Fußball generierten Gelder ein, von der die Amateure profitieren sollen.
Im Grundlagenvertrag zwischen DFB und DFL ist ausdrücklich festgehalten, dass sich die DFL der sozialen und gesellschaftspolitischen Verantwortung der fast 26.000 Amateurvereine auch finanziell verpflichtet fühlen soll. Von den generierten circa 1,5 Milliarden Euro Gesamteinnahmen werden allerdings über 1,4 Milliarden den 36 Profivereinen zur Verfügung gestellt, für die Amateurvereine bleiben etwa 50 Millionen Euro. Parallel dazu baute der DFB ein Fußballmuseum für knapp 40 Millionen und plant derzeit immerhin die DFB-Akademie für etwa 150 Millionen Euro.
Der Fußball ist zu groß geworden
Christoph Metzelder verfolgt dagegen einen anderen Ansatz: "Wir müssen die Nähe des Amateurfußball gegen die Distanz des Profigeschäfts stellen", erklärt er gegenüber SPOX und meint auch: "Es bringt nichts, die DFL anzugreifen, sie wird kein Stück im Wettbewerb gegen internationale Profiligen zurückweichen."
Der Amateurfußball muss es schaffen, dass die Menschen wieder lieber auf die Sportplätze gehen, als zu Hause vor dem Fernseher zu sitzen. Die kommende weitere Aufdröselung der Bundesliga-Spieltage macht es dem Amateurbereich dabei definitiv nicht leichter, die Nische zu finden, die noch nicht vom Profifußball belegt ist.
Auch für Metzelder ist klar: "Die Diskussion ist bigott. Nur der Fan als Konsument - also jeder Einzelne von uns - kann das System Fußball verändern." Der Fußball ist womöglich zu groß geworden und droht, sich selbst zu verlieren. Die Berichterstattung ist allgegenwärtig, vergisst aber dabei meist das Wesentliche.
Mythen sterben aus
Der FC Bayern trifft im Champions-League-Achtelfinale auf den FC Arsenal. Ein Spiel, auf das Fans früher wochenlang hingefiebert haben. Heute ist das Alltag. Man weiß alles über den Gegner, man hat das Spiel in den letzten Jahren regelmäßig gesehen. Der nächste Schritt zur totalen Übersättigung wäre die Einführung einer europäischen Superliga.
Mythen, von denen Väter ihren Söhnen erzählen, entstehen heute nicht mehr. Wie auch? Es ist jede Woche Champions League, Pokal, WM- oder EM-Qualifikation oder normaler Ligabetrieb. Alles ist durchleuchtet, alles ist gleich.
Manchmal blitzt noch das auf, was den Fußball ausmacht. Die unfassbare Begeisterung, die er bei Menschen jeden Alters, Herkunft und gesellschaftlichen Schicht auslösen kann. Der 2:1 Sieg zum 125. Geburtstag von Celtic Glasgow gegen den FC Barcelona war zum Beispiel so ein Moment. Aber die Momente werden seltener und bei der aktuellen Entwicklung besteht die Gefahr, dass es sie irgendwann gar nicht mehr gibt. Wie traurig das wäre, bedarf keiner weiteren Erklärung. Schließlich hat all das nicht in modernen Super-Arenen angefangen, sondern auf den Dorfplätzen der Republik.