"Modeste ist doch keine 40 Millionen wert"

Zvjezdan Misimovic spielte von 2008 bis 2010 beim VfL Wolfsburg und wurde dort Deutscher Meister
© getty

Nach 157 Bundesligaspielen und mehreren Stationen im Ausland beendete Zvjezdan Misimovic, 2009 sensationell Deutscher Meister mit dem VfL Wolfsburg, vor eineinhalb Jahren seine Karriere als Profi. Im Interview spricht der 34-Jährige über seinen Beinahe-Wechsel zum FC Schalke 04, die Probleme mit Gheorghe Hagi bei Galatasaray in Istanbul, seinen doppelten Schlussstrich unter den Fußball - und erzählt ausführlich Anekdoten zu seiner Zeit in China.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Misimovic, in der Saison 2008/2009 haben Sie Ihren Zenit erreicht, als Sie mit dem VfL Wolfsburg überraschend deutscher Meister wurden und mit 20 Torvorlagen einen neuen Rekord aufstellten. Anschließend spielten Sie noch für Galatasaray, Dynamo Moskau und Beijing Renhe in China. Dabei waren Sie schon so gut wie auf Schalke.

Zvjezdan Misimovic: Das stimmt. Ich hatte damals als VfL-Spieler Kontakte zu Atletico Madrid, Florenz, Everton, Galatasaray und Schalke. Unser Manager Dieter Hoeneß hatte mir versprochen, gehen zu können, wenn er adäquaten Ersatz findet. Er hat sich bei Transfers immer sehr viel Zeit gelassen, so dass ich mich auf ein Geduldsspiel einlassen musste. Das war ein Problem, denn nicht alle Vereine wollten bis zum letzten Tag warten. Am Ende sind nur noch Galatasaray und Schalke mit meinem Ex-Trainer Felix Magath übrig geblieben.

SPOX: Woran ist der Wechsel zu S04 letztlich gescheitert?

Misimovic: Ich hatte für Wolfsburg noch ein Saisonspiel bestritten und bekam dann kurz vor Schließung des Transferfensters endlich den entscheidenden Anruf. Also bin ich nach Gelsenkirchen gefahren. Es war eigentlich klar abgesprochen, dass Jermaine Jones nach Wolfsburg wechselt und Schalke für mich noch ein, zwei Millionen oben drauflegt. Ich war schon auf dem Trainingsgelände, als mich Dieter Hoeneß anrief und die Sache abblies - weil er plötzlich doch nicht die Konkurrenz stärken wollte. Magath und Hoeneß mögen sich nicht besonders, das waren meine einzigen Indizien. Ansonsten weiß ich bis heute nicht, weshalb auf einmal alles anders war.

SPOX: Sie hätten auch Ihren Vertrag in Wolfsburg aussitzen können. Andererseits hatte der VfL Diego geholt, es hätte Ihnen eine Saison auf der Bank gedroht.

Misimovic: Das wollte ich natürlich nicht. Ich musste mich schnell entscheiden, denn der Schalke-Wechsel platzte am letzten Tag der Transferperiode. Der Manager von Galatasaray weilte ohnehin schon zwei Wochen lang im Ritz-Carlton in Wolfsburg und meinte, er dürfe nicht ohne mich zurückkommen. (lacht) So haben wir also Galatasaray informiert und sind per Charterflug nach Istanbul geflogen, damit noch alles rechtzeitig erledigt werden konnte.

SPOX: In Istanbul lief es dann allerdings überhaupt nicht für den Klub und Sie. Unter Frank Rijkaard schied man in der Europa-League-Qualifikation aus, nach acht Spieltagen stand dann Gheorghe Hagi an der Seitenlinie. Der ließ Sie aber nicht wie gewohnt im Zentrum, sondern auf dem linken Flügel spielen.

Misimovic: Ich kannte diese Position von meiner Zeit in Nürnberg. Ich hatte trotzdem das Gespräch mit ihm gesucht, da ich zuvor im Zentrum so erfolgreich in Wolfsburg gespielt habe. Das hat aber nichts gebracht - und auf einmal war ich dann suspendiert.

SPOX: Wie kam's?

Misimovic: Der Manager hatte mir das nach einer Länderspielreise mitgeteilt. Es hieß, ich würde Kaugummi kauen, es locker angehen lassen und zu häufig lachen. Er meinte, ich solle deshalb zum Trainer gehen und mich entschuldigen. Aber wofür denn? Hagi hatte einfach keine Eier, um mir die Sache ins Gesicht zu sagen. Es dann über Dritte zu tun, empfand ich als sehr enttäuschend.

SPOX: Kennen Sie mittlerweile den wahren Grund für die Suspendierung?

Misimovic: Da aufgrund unserer schwachen Saison eine Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb im folgenden Jahr aussichtslos war, hieß es offiziell, ich würde zu viel verdienen. Ich musste dann zwei Monate lang Einzeltraining absolvieren. Das war sehr bedrückend. Im Winter kamen dann zwei, drei rumänische Spieler, die denselben Berater wie Hagi hatten. In Moskau vervollständigte sich dann das Bild.

SPOX: Nach nur sechs Monaten heuerten Sie bei Dynamo Moskau an, Kevin Kuranyi war Ihr Mitspieler. Zunächst: Wieso Russland und warum keine Rückkehr nach Deutschland?

Misimovic: Das war etwas kurios: Die Ablöse für mich musste Galatasaray in Raten zahlen. Die zweite Rate wäre im März fällig gewesen. Zahlt Gala diese Rate nicht, hätte ich zurück nach Wolfsburg gehen müssen. Das haben sie dann aber doch noch rechtzeitig getan. Da ich aber für Wolfsburg bereits ein Pflichtspiel in dieser Saison absolviert hatte und für Gala eben auch, konnte ich nur in ein Land wechseln, das nach dem Kalenderjahr spielt. Ich hätte also bis zum Sommer nicht spielen und dann wieder zum VfL gehen können oder das lukrative Angebot aus Russland annehmen.

SPOX: Und was passierte in Moskau nun mit dem Thema Hagi?

Misimovic: In meinem letzten halben Jahr wurde Dan Petrescu unser Trainer. Wir haben kurz nach seiner Verpflichtung beim VfB Stuttgart die Europa-League-Qualifikation gespielt. Am Vortag während des Abschlusstrainings nahm mich Petrescu zur Seite und wollte wissen, weshalb ich damals angeblich so schlecht über Hagi geredet habe. Ich sagte ihm, dass er mir die damalige Entscheidung ins Gesicht hätte sagen sollen und es kein guter Stil von ihm war. Am nächsten Tag wurde ich nach 38 Minuten beim Stand von 0:0 ausgewechselt. Anschließend war ich unter ihm so gut wie abgemeldet. Und dann habe ich erfahren, dass Petrescu der Trauzeuge von Hagi ist. (lacht) So geht es im Fußball manchmal eben zu.

SPOX: Insgesamt spielten Sie knapp zwei Jahre für Dynamo. Dann ging es Anfang 2013 nach China, wo Sie Ende Oktober 2015 Ihre Karriere schließlich beendeten. Können Sie sich noch erinnern, wo Sie zum ersten Mal von dieser Offerte hörten?

Misimovic: Ja, ich war mit meiner Familie im Disneyland in Paris. Es war Heiligabend 2012 und alles musste offenbar ganz schnell gehen. Deshalb musste ich dringend nach Sarajevo, um ein Visum zu beantragen. Das ging aber nur dienstags und Heiligabend war Montag. Die Flugverbindung an Heiligabend war sehr bescheiden. Man hat uns letztlich einen Charterflug organisiert und dann bin ich noch am selben Tag von Paris direkt nach Sarajevo geflogen, der Urlaub wurde gecancelt. Das ging leider nicht anders. Es kam aber noch dicker.

SPOX: Weshalb?

Misimovic: Den Flughafen Sarajevo kann man aufgrund der bergigen Umgebung nur von einer Seite aus anfliegen. Es war jedoch sehr neblig, so dass das Flugzeug nicht landen konnte und nach Belgrad flog. Von dort sind wir dann fünf, sechs Stunden mit dem Auto nach Sarajevo gedüst, damit das Visum rechtzeitig beantragt werden konnte. Ein vogelwilder Trip, aber meine Frau und die damals noch zwei Kinder waren dabei, so dass wir das auch niemals vergessen werden.

SPOX: Hand aufs Herz: Hätte Sie Fußball in China abgeschreckt, wenn es finanziell nicht so attraktiv gewesen wäre?

Misimovic: Das schließe ich nicht aus. Ursprünglich war mein Plan, nach Moskau wieder in die Bundesliga zurückzukehren. Es gab auch schon Kontakte mit einzelnen Vereinen. Dann aber kam die Offerte aus China und da muss man ehrlich sein: Das ist nicht vergleichbar mit den Gehältern, die ich bislang in meiner Karriere bezogen habe.