Sechs Tore, neun Assists und 32 Saisonspiele später war diese Liaison jedoch wieder beendet. Durch den Abstieg in die Regionalliga geriet die U23 in Dortmund ohnehin etwas aus dem Fokus, dem neuen Trainer Thomas Tuchel stand dazu ein prominent besetzter Kader zur Verfügung. Harder wiederum war zu gut für die Regionalliga und da Coach Karsten Neitzel schon längere Zeit an ihm baggerte, schloss er sich Drittligist Holstein Kiel an.
Wie sich herausstellen würde, war dies der Anfang vom Ende für Harders Profikarriere und ein gutes Beispiel dafür, wie sehr manche Spielertypen das Vertrauen ihres Trainers spüren müssen, um an ihre Leistungsgrenze zu kommen. Neitzel gab Harder das Gefühl, gebraucht zu werden. Auch aus der 2. Liga lagen ihm damals Angebote vor, dort wäre er allerdings eher als Rotations- denn als Stammspieler gestartet.
Harders Problem in Kiel, wo er zudem erstmals in seinem Leben allein wohnte: Neitzel war schnell Geschichte und Nachfolger Markus Anfang konnte mit dem Angreifer nicht viel anfangen. Ganze zehn Spielminuten gab er Harder noch, der bereits im Winter das Weite suchte und per Leihe zurück in die Regionalliga nach Saarbrücken ging.
Dort folgte ein echter Knick: Sein Verhältnis zu Dirk Lottner war angespannt, der Trainer unterstellte Harder gar öffentlich mangelnden Trainingsfleiß. "Vor einem Spiel hat Dirk Lottner mir gesagt, ich solle jederzeit für einen Einsatz bereit sein. Weil ich in der Woche richtig Gas gegeben hätte", lautete Harders Version der Dinge.
Tammo Harder im Sommer 2017: Vereinslos mit 23
Nach 157 Minuten Spielzeit war das Missverständnis nach einer halben Saison beendet. Kiel war unterdessen in die 2. Liga aufgestiegen und konnte einen Harder nicht mehr gebrauchen - Vertragsauflösung. Es kam jedoch noch schlimmer: Harder fand keinen neuen Verein, mit 23 Jahren war er plötzlich vereinslos.
Ex-Coach Elgert half ihm aus der Patsche, Harder trainierte ein halbes Jahr lang bei Oberligist Schalke II mit. Auch bei seinem Heimatklub SV Fortuna Seppenrade hielt er sich fit und lief bei Freizeitturnieren auf. Ende Januar 2018 biss schließlich der SC Wiedenbrück an.
Der Regionalligist spielte jedoch eine erfolgreiche Saison, Harder fand kaum ins Team. Ein Tor in sechs Einsätzen (343 Spielminuten) standen bis zum Sommer zu Buche. Anschließend verlor das Team zahlreiche Leistungsträger und stieg in Liga fünf ab. Harder hatte sich nicht im Ansatz durchsetzen können.
Harder nach BVB-Abgang vier Jahre ohne Freude am Fußball
Dennoch blieb er in der 4. Liga, Verein Nummer sieben wurde im vergangenen Sommer der SV Lippstadt 08. Harders Start war gut, als offensiver Mittelfeldspieler eingesetzt stand er in den ersten neun Spielen achtmal in der Startformation. Allerdings sollten in der Hinrunde nur noch 105 Spielminuten für ihn hinzukommen, 2020 stand er bis zum Corona-bedingten Saisonabbruch dann kein einziges Mal mehr im Kader.
Vor drei Wochen nun informierte Harder die Öffentlichkeit, dass er seine Karriere beendet habe - mit nur 26 Jahren. Beigetragen zu seiner überraschenden Entscheidung habe auch die Tatsache, dass die vier Jahre seit seinem BVB-Abgang nicht gerade eine Freude für ihn waren. Die soll jetzt aber endlich wieder im Vordergrund stehen. Oder wie es Harder gegenüber den Westfälischen Nachrichten ausdrückte: "Das war ein Kapitel, jetzt folgt ein neues."
Und zwar zurück in der Heimat, zurück bei der Familie. Harder läuft künftig wieder für Seppenrade in der Kreisliga A auf. Hier kickt auch sein Bruder Jannis, Cousin Mike Mühlberger spielt für die Reserve und Mutter Claudia ist Co-Trainerin des Damenteams.
Farke über Harder: "Tempo und Physis haben gefehlt"
"Sicherlich haben Tempo und Physis gefehlt", sagt sein Ex-Coach Farke auf die Frage, warum Harders anfangs so vielversprechender Karriereweg nicht in den absoluten Top-Bereich mündete.
Nun sind Familienmitglieder und Kumpels von einst seine Mitspieler, Harder will einfach wieder Spaß am Fußball haben. In den kommenden Tagen beginnt er eine Ausbildung zum Speditionskaufmann.