Der neue Bayern-Trainer feierte einen spektakulären Einstand. Sachlich und detailverliebt, aber höchst unterhaltsam: Van Gaal reißt die Bayern an sich. Da musste sich selbst Uli Hoeneß strecken.
Die Niederländer sind ein stolzes Volk. Sie haben einen König und sind Exportweltmeister bei Käse, Tomaten und Holzschuhen. Und sie haben Louis van Gaal. Als Trainer der Nationalmannschaft haben sie ihn verflucht, als Trainer von Ajax Amsterdam und AZ Alkmaar haben sie ihn vergöttert, weil er mit jungen und vielen unbekannten Spielern souverän Titel holte.
Am Mittwoch trat van Gaal seinen Dienst als Trainer des FC Bayern München an. Begutachtet von knapp 2.000 Fans und einer Heerschar an Journalisten, darunter viele Landsleute von Gaal.
Weitgehend unbemerkt legten sie Fan-Masken mit van Gaals Konterfei zum Ausschneiden im Presseraum des FC Bayern aus. Die Niederländer sind stolz auf ihren Trainerexport.
Sie lieben ihn nicht, aber sie respektieren ihn. Van Gaal gilt als ehrliche Haut, dem allerdings im zwischenmenschlichen Umgang Schwächen nachgesagt werden.
Erster Eindruck: sachlich und unterhaltsam
An seinem ersten offiziellen Arbeitstag in München präsentierte sich der 57-Jährige von einer höchst sachlichen, aber auch sehr unterhaltsamen Seite.
Edson Braafheid, auf van Gaals Wunsch eingekaufter Verteidiger, wurde nach einem schlecht angenommenen Doppelpass vom Coach nachgeäfft und als "Sandsack" diskreditiert. Auf die Frage eines Journalisten, wie und wo er Neuzugang Mario Gomez einordne, antwortete van Gaal: "Wahrscheinlich im Stürmerbereich."
Van Gaal reißt den FC Bayern schon am ersten Tag an sich. "Er hat eine sehr beeindruckende Rede vor den Spielern gehalten", sagte Manager Uli Hoeneß. Auf der Pressekonferenz machte van Gaal ebenso beeindruckend klar, warum er sich für den FC Bayern entschieden hat.
Van Gaal über van Gaal: "Selbstbewusst, arrogant, ehrlich"
"Das bayerische Lebensgefühl passt mir wie ein warmer Mantel. 'Mia san mia'. Und ich bin ich. Selbstbewusst, arrogant, dominant, ehrlich, arbeitsam, innovativ, aber auch warm und familiär. Ich erkenne meine Persönlichkeit in diesen Begriffen. Deshalb glaube ich, dass ich hier her passe."
Er wolle auch in München "positive Geschichte" schreiben. "Das habe ich bisher bei jedem Verein geschafft. Nur mit der Nationalmannschaft ist mir das nicht gelungen", so van Gaal.
Erster Rüffel für Baumjohann
Die Spieler bekamen im ersten "leichten Training zum Kennenlernen" (van Gaal) die harte Hand des Trainers zu spüren. Alexander Baumjohann trug anfangs blaue Schuhe. Nach einer halben Stunde wollte er die Treter wechseln. Van Gaal machte dem Neuzugang aus Mönchengladbach klar, dass er erst die laufende Übung vernünftig zu Ende zu bringen habe.
Van Gaal gibt den altmodischen Trainer mit Pfeife und Stoppuhr um den Hals. Penibel achtet er auch beim Gruppenfoto des neuen Trainerteams auf die richtige Formation. Holger Badstuber wird nach dem zweiten unsauberen Pass gemaßregelt und selbst Co-Trainer Hermann Gerland, der in die Partnerübungen miteinbezogen wird, wird vom Chef auf seine mangelhafte Technik aufmerksam gemacht.
Van Gaal ist Perfektionist, ihm entgeht kein Detail. Er will bedingungslosen Erfolg. Der Einzelne interessiert ihn nicht, was zählt, ist das Team.
Van Gaal: "Der FC Barcelona als Vorbild"
"Ich will die persönlichen Qualitäten der Spieler für das Team nutzen. Unser Vorbild muss der FC Barcelona sein. Sie haben gute Fußballspieler, wie wir. Aber sie haben wie ein Team gearbeitet. Jeder Spieler hat immer an das Team gedacht. Das ist der Grund ihres Erfolgs. Ich bin davon überzeugt, dass wir das auch machen können. Dafür müssen wir ein Team formen. Aber: Das dauert. Das ist nicht in einem Monat zu schaffen, sondern braucht eher zwei Jahre. Ich hoffe, Sie vertrauen mir."
Das Vertrauen der Spieler hat van Gaal bereits. "Der wichtigste Transfer ist der Trainer. Grundvoraussetzung für den Erfolg der Mannschaft sind gute taktische Vorgaben. In diesem Bereich wird er uns weit nach vorne bringen", sagte Philipp Lahm.
Van Gaal will die Spieler aber nicht nur fußballerisch weiterbringen. "Ein Fußballer schießt den Ball nicht nur von A nach B. Ich sehe in jedem auch den Menschen und beobachte sein Umfeld. Denn das Umfeld beeinflusst den Schuss", sagte der Niederländer. Über Taktik, Spielsystem oder eine Stammelf hat sich van Gaal noch keinerlei Gedanken gemacht. "Ich muss die Spieler erst beobachten und erkennen, wie sie auf mich reagieren. Ich werde jedem Spieler eine Aussicht bieten, sonst geht ihre Motivation verloren."
Van Gaal will Ribery halten
Hoeneß stellte klar, dass man sich prinzipiell von niemandem trennen will. "Louis wird den Spielern nach ein paar Wochen in seiner klaren, ehrlichen Art schon mitteilen, wie er mit ihnen plant", so der Bayern-Manager.
Mit Franck Ribery hat van Gaal viel vor. Der Franzose soll eine tragende Rolle spielen. "Ich will immer die besten Spieler behalten. Das gehört zu meinem ganzheitlichen Prinzip", sagte van Gaal.
Hoeneß' Häme für Real Madrid
Hoeneß will dem entsprechen und sich nicht weiter von Abgesandten von Real Madrids Präsidenten Florentino Perez belästigen lassen. "Die rechte Hand von Perez hat ein paar Mal wegen Ribery angerufen. Da habe ich ihn gefragt, ob er das Spiel Monopoly kennt. Ich habe es ihm erklärt und gesagt, dass der FC Bayern vor zwei Jahren die Schlossallee gekauft und vier Hotels drauf gebaut hat. Diese Schlossallee gibt man nur her, wenn man in Not ist oder nicht mehr weiter weiß. Und wenn sich jemand da hinwürfelt, wird es teuer."
Da die Herren aus Madrid Monopoly nach ihren Regeln spielen wollten, hat Hoeneß alle Anfragen abgeblockt. Eine Hotelkette auf der Parademeile verscherbelt man nicht so schnell, zumal der neue Bauherr Großes vorhat. "Meine Ziele sind die von Bayern München: Meisterschaft und Pokal. In der Champions League wollen wir unter die letzten Acht kommen. Am Ende der Periode van Gaal steht vielleicht der Titelgewinn in der Champions League", sagte van Gaal.
Das gelang dem 57-Jährigen bereits 1995 mit Ajax Amsterdam. Seitdem ist er in seiner Heimat hoch angesehen. Dafür benötigte van Gaal in München nur ein paar Stunden.
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