Wörns: "Ich hab mich für Hombruch entschieden"

Von Interview: Jochen Tittmar
Dortmunds Christian Wörns beendete seine Karriere am 17.5.2008 beim Heimspiel gegen Wolfsburg
© Getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Lassen Sie uns noch ein wenig weiter zurückblicken. Hätten Sie kurz vor der WM 2006 gedacht, dass Sie drei Jahre später so dastehen wie jetzt?

Wörns: Ich war ja damals auch schon 34. Da weiß man, dass die Karriere bald zu Ende ist. Ob das nun ein Jahr früher oder später ist, das spielt keine Rolle. Ich habe mit 36 Jahren als Feldspieler aufgehört, da kann ich nicht meckern. Bei manchen geht es ja schon mit Verletzungen los, wenn sie noch nicht mal 30 sind. Ich bin noch relativ fit und muss nicht jeden Morgen eine Voltaren einschmeißen (lacht).

SPOX: Sie gerieten damals in die Kritik, weil Sie vehement Ihre WM-Nominierung forderten. Würden Sie sich heute wieder genauso verhalten?

Wörns: Es hieß doch immer, dass es nach dem Leistungsprinzip geht. Wenn aber meine Manndeckerkollegen im Verein nicht spielen, wie will man dann nach dem Leistungsprinzip gehen? Da habe ich mich eben veräppelt gefühlt.

SPOX: Also keinerlei Reue?

Wörns: Ich hätte es natürlich auch anders regeln und beispielsweise meinen Rücktritt anbieten können. Aber einen Konkurrenzkampf zu schüren, den es nicht gibt? Da brauche ich mich mit 34 auch nicht mehr veräppeln zu lassen.

SPOX: Können Sie daher die "Fälle" Kevin Kuranyi oder Jermaine Jones nachvollziehen?

Wörns: Eigentlich schon. Kuranyi schießt im Verein seine Tore, manche seiner Konkurrenten sitzen auf der Bank und dann sitzt er beim Russland-Spiel plötzlich auf der Tribüne. Da ist doch klar, dass man sich sagt: "Ich dachte, es geht nach Leistung". Aber wo sieht man denn die Leistung? Sicher nicht im Training bei der Nationalmannschaft.

SPOX: Sondern?

Wörns: In der Bundesliga natürlich. Da heißt es doch immer, dass man dort beobachtet wird. Letzten Endes besteht das Problem darin, dass der Konkurrenzkampf für manche gilt, für manche aber nicht.

SPOX: Für wen gilt er denn Ihrer Meinung nach nicht?

Wörns: Es kommt darauf an, was man für ein Typ ist. Entweder man ist einer, der seinen Mund hält oder eben einer, der auch mal etwas sagt.

SPOX: Haben Sie eine Begründung dafür, dass der Konkurrenzkampf unterschiedlich ausgelegt wird, wie Sie sagen?

Wörns: Vielleicht steht der Joachim Löw auf Spielertypen wie Lukas Podolski. Das ist auch sein gutes Recht, die kann er auch spielen lassen. Aber dann braucht man keinen Konkurrenzkampf auszurufen, den es überhaupt nicht gibt. Das ist einfach der entscheidende Punkt.

SPOX: Sie haben deswegen Jürgen Klinsmann als "link" bezeichnet. Er ist in der letzten Saison grandios beim FC Bayern gescheitert. Wie beurteilen Sie sein Engagement als Vereinstrainer?

Wörns: Er hat eine unglaubliche Euphorie entfacht, das war gut. Aber sein Problem ist, dass er immer so getan hat, als ob er den Fußball neu erfunden hätte. So eine tägliche Arbeit ist eben etwas anderes, wie wenn man sich mit der Nationalelf alle paar Monate mal trifft.

SPOX: In welcher Hinsicht?

Wörns: Da trifft man auf gestandene Spieler. Bei seinen Anfängen in der Nationalmannschaft tummelten sich dort vornehmend junge Spieler, die nur hinterhertrotteten und nichts hinterfragten. Mit den Stars muss man einfach anders umgehen wie mit 19- oder 20-Jährigen. In diesem zwischenmenschlichen Bereich hat er immer Probleme gehabt.

SPOX: Aber deshalb ist er nicht rausgeschmissen worden.

Wörns: Nein, er ist natürlich wegen den Ergebnissen rausgeworfen worden. Die haben nicht gestimmt. Da gab es zum Teil ja Riesenklatschen. Das war auch in der Nationalmannschaft so. Wir hatten Glück, dass wir für die WM 2006 keine Qualifikation spielen mussten, sonst hätte ein solcher Umbruch gar nicht stattfinden können. Das wird oft vergessen.

SPOX: Wollen Sie damit sagen, dass sich Deutschland bei einer etwaigen Qualifikationsphase nicht qualifiziert hätte?

Wörns: Unter dem Strich steht für die Öffentlichkeit ein dritter Platz bei der Weltmeisterschaft. Aber in den zwei Jahren zuvor gab es einige Ergebnisse, die gar nicht gut waren. Das war alles schon sehr durchwachsen.

SPOX: Wir haben nun eine ganze Menge zurückgeblickt. Ein letztes Mal noch: Woran erinnern Sie sich in Ihrem Fußballerdasein am liebsten?

Wörns: Das sind zwei Dinge: Der Pokalsieg mit Bayer Leverkusen 1993 und die deutsche Meisterschaft mit Dortmund 2002. Schön waren aber auch die internationalen Auftritte in der Champions League oder mit der Nationalmannschaft.

SPOX: Und woran gar nicht gern?

Wörns: An jede Niederlage.

SPOX: Zählt da auch die verpasste WM im eigenen Land dazu?

Wörns: Das ist natürlich schade. Aber da müssen auch andere mitspielen. Meine Leistung hat gestimmt.

SPOX: Wenn Sie sich etwas wünschen könnten, was wäre das?

Wörns: Ich bin eigentlich wunschlos glücklich. Wenn ich morgens aufwache, bin ich sehr dankbar für mein Leben.

Hier geht's zurück zur ersten Seite des Interviews