Boateng: "Ich trage auch Hemden!"

Von Interview: Benny Semmler
Jerome Boateng wechselte 2007 von Hertha BSC zum Hamburger SV
© Imago

Mit seinen knapp 21 Jahren hat sich Jerome Boateng beim Hamburger SV unverzichtbar gemacht. Spätestens seit der U-21-Europameisterschaft im Juni in Schweden, als die DFB-Auswahl den Titel holte, gilt er als eines der größten deutschen Abwehrtalente. SPOX traf Boateng in Hamburg zum Interview über den neuen HSV, das Stigma des Ghetto-Kids und den Klub, den er den Hamburgern sogar noch vorzieht.

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SPOX: Sie sollen auch an der Playstation ein guter Kicker sein.

Jerome Boateng: Das stimmt.

SPOX: Außen- oder Innenverteidiger. Wo stellt sich Jerome Boateng auf?

Boateng: Weder noch. Ich nehme immer Barcelona. Und da gibt's keinen Boateng.

SPOX: Und beim HSV? Auf welcher Position ist Jerome Boateng am stärksten?

Boateng: Ich bin eigentlich Innenverteidiger und spiele innen auch lieber.

SPOX: Dennoch scheinen Ihre Qualitäten als Innenverteidiger quasi erst jetzt entdeckt zu werden.

Boateng: Das würde ich so nicht sagen. Manchen Leuten sind sie vielleicht verborgen geblieben.

SPOX: Spielen sie auf Martin Jol an?

Boateng: Das Thema ist nun wirklich abgehakt. Mein Blick geht nun nach vorne.

SPOX: Nun hat der HSV mit David Rozehnal aber einen weiteren Mann für Ihre Lieblingsposition verpflichtet.

Boateng: Was mich überhaupt nicht stört. Falls Sie das jetzt hören wollen. Im Gegenteil: Wir verstehen uns prima und er gibt mir sogar Tipps. David ist ein erfahrener Spieler und hat in vielen Ländern gespielt. Ich freue mich, dass er hier ist. Dennoch habe ich den Anspruch, viele Spiele zu machen. Das ist doch klar. Wir sind Profis.

SPOX: Es gibt keinen Streit? Es ist alles ganz harmonisch?

Boateng: Nein! Das wäre doch auch totaler Blödsinn. Und so bin ich auch gar nicht. Ich will doch lernen und brauche dafür ein möglichst ruhiges Umfeld. Alles super - glauben Sie mir.

SPOX: Vor ein paar Monaten galt vor allem Ihr Stellungsspiel als Schwachpunkt. Jetzt werden Sie als nahezu perfekter Abwehrspieler gehandelt.

Boateng: Ich bin erst 20 und kann in vielen Bereichen noch dazulernen. Stellungsspiel, Spiel nach vorne, Zweikampfverhalten. Und ich finde, gerade Abwehrspieler leben von einer gewissen Erfahrung. Einige Schwächen bei jüngeren Spielern  gehören einfach dazu. Denn so viele perfekte Abwehrspieler mit 20 oder knapp drüber gibt's auf der Welt nicht...

SPOX: Was zeichnet denn den neuen Trainer Bruno Labbadia aus?

Boateng: Er redet viel und behandelt jeden Spieler gleich.

SPOX: Was hat er an der Spielweise geändert? Der HSV schießt jetzt viel mehr Tore als in den letzten Jahren.

Boateng: Wir attackieren jetzt sicher intensiver und spielen mehr Pressing. Denn mit der neuen Philosophie wollen wir den Gegner permanent im Spielaufbau stören. Abwarten ist verboten.

Bleibt der HSV oben dran? Selber tippen mit dem Tabellenrechner

SPOX: Im Juni haben Sie mit der deutschen U 21 den Europameistertitel gewonnen. Man hat das Gefühl, dass viele Spieler mit Rückenwind aus Schweden zurückgekehrt sind. Mesut Özil, Dennis Aogo, Sie.

Boateng: Absolut. So ein Titel ist wichtig für das Selbstbewusstsein. Der hat uns allen geholfen und gab vielleicht tatsächlich einen Schub. Auch Sandro Wagner ist gut drauf.

SPOX: Sie mussten den Sommer fast durchspielen. Fürchten Sie keinen Einbruch?

Boateng: Wir sind alle noch sehr jung und heiß auf Fußball. Ich spüre die Belastungen der Europameisterschaft überhaupt nicht. Ich fühle mich jeden Tag sogar besser. Ich muss zwar aufpassen, dass der Körper nicht zu sehr beansprucht wird. Aber unsere Fitnesstrainer haben mich gut im Griff.

SPOX: Unglaublich fit ist immer noch Ze Roberto. Wie haben Sie reagiert, als Sie von seiner Verpflichtung erfuhren?

Boateng: In erster Linie habe ich mich natürlich gefreut. Ich kannte ihn ja schon, da habe ich noch in der C-Jugend gespielt. Und da war er schon bekannt. Und jetzt spiele ich mit ihm zusammen. Wahnsinn.

SPOX: Können Sie nachvollziehen, warum sich die Wege von Bayern München und Ze Roberto trennten?

Boateng: Überhaupt nicht. Er ist ein so überragender Spieler. Ich könnte verstehen, wenn die Bayern sich ein wenig über diesen Wechsel ärgern.

SPOX: Ist mit einem solchen Spieler der Meistertitel drin?

Boateng: Es sind ja erst vier Spiele gespielt. Doch wir wissen alle, was er kann. Ze ist einfach ein überragender Spieler und kann uns sehr weit bringen. Und er zeigt uns jeden Tag im Training, dass er eigentlich noch viel besser ist.

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SPOX: Themenwechsel: Der prominente Bruder Kevin-Prince Boateng hatte im Familienduell bislang die Nase vorn. Jetzt sind Sie vorbeigezogen.

Boateng: Ich habe mich eben weiterentwickelt. Und jeder ist für seinen Weg selber verantwortlich.

SPOX: Das klingt sehr emotionslos. Haben Sie keinen Kontakt zu Ihrem Bruder?

Boateng: Nicht täglich.

SPOX: Wie sehen Sie denn seine Entwicklung?

Boateng: England ist hart. Da wird jeden Tag einer für 20 Millionen von A nach B transferiert. Und gerade auf seiner Position kommen ständig neue Spieler. Deswegen sitzt er da eben nur auf der Bank. Und das ist nicht gut.

Romeo Castelen stößt dazu und lässt sich seine neuen roten Schuhe vom Kollegen Boateng putzen. Castelen: "Jerome ist unser Trendsetter. Wenn er sagt, das sieht gut aus, dann müssen wir das glauben."

SPOX: Den Berliner Jungs (Boateng ist in Berlin-Charlottenburg aufgewachsen) wurde der Begriff "Ghetto-Kids" angeheftet. Was sagen Sie dazu?

Boateng: Für mich hört sich das immer viel zu negativ an. Ich ziehe mich gerne locker an, trage bunte Mützen und weite Hosen. Mehr nicht. Das tun andere auch. Und ich trage sogar Hemden.

SPOX: Sie tragen Hemden?

Boateng: Das ist zwar selten. Aber es gibt Tage, da mache ich mich richtig fein. Immer nur Hip-Hop-Style geht ja auch nicht.

SPOX: Sie sind also gar kein Problem-Kicker?

Boateng: Ich war nie ein Problem-Kicker! Wer mich kennt, der weiß, wie ich bin. Ich habe noch nie was Schlimmes verbrochen.

SPOX: Doch. Sie spielen lieber mit Barcelona als mit dem HSV.

Boateng: Aber nur weil Messi da spielt.

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