"Bayern München ist für viele der Feind"

Von Interview: Florian Bogner / Thomas Gaber
Mark van Bommel (M.) kam 2006 vom FC Barcelona zum FC Bayern München
© Getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Sie haben selbst ein Jahr in Barcelona gespielt und die Champions League gewonnen, kamen aber nicht regelmäßig zum Einsatz. War es ein verlorenes Jahr?

Van Bommel: Nein, ich hatte kein schlechtes Jahr. Ich habe von 38 Ligaspielen 24 gemacht, 9 Spiele war ich verletzt. In der Champions League habe ich 9 von 13 Spielen gemacht und im Finale in Paris habe ich von Anfang an gespielt.

SPOX: Und sie haben den Pokal gewonnen. Wie feiert man beim FC Barcelona?

Van Bommel: Der Moment in der Kabine, wenn die Tür zugeht und man ungestört ist, ist der schönste. Wir sind 2006 in der Halbzeitpause unseres Spiels bei Celta Vigo Meister geworden, weil Valencia gegen Mallorca nicht gewonnen hat. Trainer Franck Rijkaard kam überhaupt nicht dazu, Anweisungen zu geben - das war eine einzige Party in der Kabine. Bei Partys waren auch Xavi und Iniesta immer vorne dabei. Letztendlich ist ein Tag, an dem man Titel gewinnt, aber ein Arbeitstag wie jeder andere. Wenn der Champions-League-Pokal in der Kabine steht, schaut man ihn an, macht ein paar Fotos und dann geht man nach Hause.

SPOX: Sie scheinen sich wohlgefühlt zu haben inmitten der vielen Stars.

Van Bommel: Ja, wir hatten das gesamte Jahr über eine überragende Stimmung. Xavi, Puyol, Valdes und Iniesta bestimmen, was in der Kabine läuft. Sie kommen alle aus Katalonien und sind schon ewig im Verein. Das sind überragende Jungs.

SPOX: Die sehr gut Fußball spielen können.

Van Bommel: Barcelona spielt einfachen Fußball. Bevor Xavi oder Iniesta den Ball annehmen, schauen sie über ihre Schulter, wo ein freier Mitspieler ist und wo die Gegenspieler stehen. Sie sind immer schon mit dem nächsten Schritt beschäftigt. Sie antizipieren perfekt. Ich habe mir das abgeschaut und versuche das auch. (schmunzelt) Leider klappt es nicht immer.

SPOX: Ist der Stil von Barca die Zukunft des Fußballs?

Van Bommel: Barcelona hat immer so gespielt. Aber es gab auch Jahre, in denen sie nicht so erfolgreich waren, in denen sie nichts gewonnen haben. In den 70er Jahren haben Bayern und Ajax alles gewonnen. Dann waren die Italiener dran, dann die Spanier und schließlich die Engländer. Es gibt die unterschiedlichsten Wege zum Erfolg. Chelsea spielt ganz anders als Barcelona. Sehr körperbetont, sehr diszipliniert, sehr zielstrebig. Mit diesem Stil haben sie Barcelona fast geschlagen. Wenn man eine gute Idee hat und diese durchzieht, dann ist es eine Frage der Zeit, bis man Erfolg hat.

SPOX: Wo liegt die Idee des FC Bayern? Irgendwo dazwischen?

Van Bommel: So wie wir gegen Juve gespielt haben. Das ist unsere Idee. Es war wichtig für uns zu erkennen, dass man mit dieser Idee, Fußball zu spielen, Erfolg haben kann.

SPOX: Bayern ist ins Rollen gekommen. Lässt sich der Lauf über die Winterpause konservieren?

Van Bommel: Wir haben fast alle Mann wieder an Bord und somit noch mehr Möglichkeiten. Wir würden gerne weiterspielen - Gott sei Dank ist die Winterpause nicht so lang. Wir haben jetzt ein Niveau erreicht, das wir jedes Wochenende bestätigen müssen. Das ist eine weitere Herausforderung. Wenn wir jedes Mal auf diesem Niveau spielen oder nah an dieses Niveau herankommen, dann möchte ich mal sehen, wer uns schlägt.

SPOX: In der Winterpause stehen traditionell Vertragsgespräche an. Bleibt Mark van Bommel dem FC Bayern über die Saison hinaus erhalten?

Van Bommel: Ich weiß es nicht. Ich habe gehört, dass im Trainingslager in Dubai Gespräche anstehen. Es laufen mehrere Verträge aus. Ich bin gespannt, was passieren wird.

SPOX: Aber Sie haben doch sicher eine Tendenz, ob Sie bleiben möchten oder nicht.

Van Bommel: Ich bestimme nicht die Tendenz, die bestimmt der Verein. Der Spieler muss gut spielen. Alles andere bestimmt der Verein.

SPOX: Als es im letzten Jahr um Ihre Vertragsverlängerung ging, sagten Sie, Sie fühlten sich bei Bayern zuhause und nahmen das Einjahresangebot an, obwohl Sie einen Zweijahresvertrag wollten. Wie ist es denn diesmal?

Van Bommel: Ich fühle mich nach wie vor zuhause, ich bin jetzt schon vier Jahre hier. Ich hatte letzte Saison die Möglichkeit zu wechseln. Zu besseren Konditionen und mit einer längeren Laufzeit. Aber es ist schwierig, sich gegen den FC Bayern zu entscheiden. Man weiß, was man hier hat. Hier spielt man normalerweise immer um Titel. Ich hätte woanders mehr Geld verdienen können. Aber das wichtigste ist, was man auf der Autogrammkarte stehen hat, wenn man aufhört.

SPOX: Titel sind das wichtigste im Fußball?

Van Bommel: Ja. Wenn Sie für das beste Interview des Jahres ausgezeichnet werden, ist das doch wichtiger, als mehr Geld zu bekommen als der Kollege. Oder etwa nicht?

SPOX: Aber wenn man dafür an einem Arbeitsplatz arbeiten muss, der einem nicht gefällt?

Van Bommel: Deswegen bin ich ja auch bei Bayern geblieben. Ich habe bessere Angebote ausgeschlagen, weil ich mich bei Bayern sehr wohl fühle. Da muss man auch mal auf etwas verzichten.

SPOX: Als Anatolij Tymoschtschuk verpflichtet wurde, hieß es, für van Bommel bleibt nur noch ein Platz auf der Bank. Es kam anders. Spüren Sie Genugtuung?

Van Bommel: Nein. Ich gehe nie der Konkurrenz aus dem Weg. Als ich meinen neuen Vertrag unterschrieben habe, stand bereits fest, dass Tymoschtschuk kommt. Aber ich habe Vertrauen in meine Leistung. Ich weiß, was ich kann.

SPOX: Sie standen durch Ihre teilweise rauhe Spielweise in der Bundesliga im Rampenlicht. Machen Sie sich Gedanken über Ihr Image?

Van Bommel: Ich habe mein Image damals selbst kreiert - auch, wenn ich es nicht wollte. Ich habe einen Stempel von der Öffentlichkeit bekommen. Aber ich habe mich geändert und schon seit eineinhalb Jahren keine Rote oder Gelb-Rote Karte mehr bekommen. Ich befürchte aber, dass die Schublade wieder aufgeht, wenn ich die nächste Rote bekomme.

SPOX: Empfinden Sie diesen Stempel als ungerechtfertigt?

Van Bommel: Nein, aber auch das ist Bayern München. Wenn man bei Bayern eine Rote Karte bekommt, ist das in der Öffentlichkeit zwei Wochen ein Thema. Deswegen ist der Druck hier auch höher als woanders. Wenn man bei Bayern München spielt, ist man für viele andere ein Feind.

SPOX: Sie sind in Holland, Spanien und Deutschland Meister geworden und mit Barca Champions-League-Sieger. Fühlen Sie sich manchmal nicht genug wertgeschätzt?

Van Bommel: Ich bin vielleicht nicht der beste, aber auch nicht der schlechteste Fußballer. Als ich ein paar Karten zu viel bekomme habe, hieß es: 'Der van Bommel kann gar nicht Fußball spielen.' Das ist für mich aber nicht wichtig. Ich bin wichtig für die Mannschaft und werde im Verein geschätzt. Das ist für mich entscheidend.

SPOX: Es heißt, Sportler sollten am Höhepunkt der Karriere aufhören. Was machen Sie, wenn sie mit Holland 2010 Weltmeister werden?

Van Bommel: (lacht) Dann werde ich meine Karriere in der Nationalmannschaft beenden.

SPOX: Aber nicht die im Verein.

Van Bommel: Nur soviel: Ich habe nun mal den schönsten Beruf der Welt.

Teil I: Van Bommel über van Gaal und seine Aufgaben als Bayern-Kapitän