"Bayern München ist für viele der Feind"

Von Interview: Florian Bogner / Thomas Gaber
Mark van Bommel (M.) kam 2006 vom FC Barcelona zum FC Bayern München
© Getty

Seit 2006 spielt Mark van Bommel für den FC Bayern München und hat in dreieinhalb Jahren viele Höhen und Tiefen erlebt. Im SPOX-Interview spricht der 32-jährige Niederländer über Erfolgsdruck in München, angenehme und unangenehme Seiten als Bayern-Kapitän und überragende Jungs in Barcelona. Zudem verrät van Bommel seine Zukunftspläne und räumt mit Vorurteilen über sein Image auf.

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SPOX: Herr van Bommel, eigentlich sollte dieses Gespräch schon am 4. November stattfinden, einen Tag nach dem 0:2 gegen Bordeaux. Was ist seitdem passiert beim FC Bayern?

Mark van Bommel: (lacht) Wir haben die Spiele gewonnen.

SPOX: Teilweise sogar recht souverän. Warum so spät?

Van Bommel: Wir wussten von Anfang an, was wir können. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir es umsetzen. Normalerweise hat man in einer Mannschaft nur ein, zwei Spieler, die ihr Niveau über einen längeren Zeitraum nicht erreichen. Wir hatten in der Hinrunde aber Spiele, in denen bis zu acht Spieler nicht ihr Leistungsvermögen erreicht haben. Dann kann man kein Spiel gewinnen.

SPOX: Jörg Butt hat nach dem 4:1 in Turin gesagt, dass ihn die Leistung nicht überrascht hat.

Van Bommel: Mich auch nicht. Wir wissen, dass wir Fehler gemacht haben. Umso besser, dass in einem so wichtigen Spiel der Knoten aufgegangen ist.

SPOX: Gab es ein Schlüsselerlebnis zum Guten?

Van Bommel: Die Mitgliederversammlung. Die Reden von Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer waren sehr positiv, obwohl wir in einer schwierigen Zeit waren. Und die Stimmung unter den Mitgliedern war ebenfalls sehr positiv. Es gab kein böses Blut. Das war so nicht zu erwarten. Da hat man gesehen, was wirklich in diesem Verein steckt. Die Versammlung war ein wichtiges Signal an alle, die beim FC Bayern arbeiten.

SPOX: Hat sich die Mannschaft erst finden müssen?

Van Bommel: Wir haben einen neuen Trainer bekommen, der seine eigenen Ideen eingebracht hat. Einige Spieler waren es nicht gewöhnt, dass ein Trainer so über Fußball denkt. Louis van Gaal ist Holländer. Deutschland hat über 80 Millionen Einwohner, Holland nur 16 Millionen. In Holland muss man andere Wege finden, Spieler auszubilden. Man muss innovativ sein, sonst hat man keine Chance. Van Gaal hat versucht, seine eigene Denkweise vom Fußball zu vermitteln. Es dauert seine Zeit, bis  wir seine Vorstellungen verinnerlichen. Schweinsteiger zum Beispiel spielt seit Wochen überragend. Man darf auch nicht vergessen, dass wir viele Verletzte hatten. Olic, Ribery, Robben, Toni, Demichelis, Klose, ich selbst. Das Spiel gegen Juventus war für uns eine Bestätigung, dass wir es verstanden haben.

SPOX: Es hat aber gedauert, bis die Mannschaft das richtige Spielsystem gefunden hat. Am Anfang hat Bayern im 4-4-2 mit Raute gespielt. Van Gaal hat einige Spieler auf der Zehner-Position ausprobiert. Dann wurde Arjen Robben verpflichtet und 4-3-3 gespielt. Recht erfolgreich. Jetzt spielt Bayern ein 4-4-2 mit Doppelsechs, ein eher konservatives System. Was ist, wenn Ribery und Robben wieder voll einsatzfähig sind?

Van Bommel: Wir haben in jedem System gewusst, was wir zu tun haben, nur an der Ausführung hat es gemangelt. Wir haben aber in jedem System gute Spiele gemacht. Man muss sein System nach den Spielern richten, die man zur Verfügung hat. Wenn man Franck Ribery und Arjen Robben hat, bietet sich ein 4-3-3 an, weil beide echte Außenstürmer sind. Aber wir können auch mit Franck und Arjen 4-4-2 mit Doppelsechs spielen. Wenn wir in Ballbesitz sind, ist es eher ein 4-2-4. Wenn der Gegner den Ball hat, spielen wir 4-4-2 mit flacher Vier.

SPOX: Egal, welches System: einer darf nicht fehlen - Mark van Bommel. Van Gaal sagt: 'Mein Kapitän spielt immer.' Wie schwierig ist es, einerseits diesen Freibrief zu haben, sich andererseits aber auf dem Platz immer wieder beweisen zu müssen?

Van Bommel: Als Kapitän spüre ich zusätzlichen Druck. Aber das gehört dazu. Wenn ich schlecht spiele und die Mannschaft gewinnt, bin ich trotzdem zufrieden. Wenn die Presse mir die Note 5 gibt, stört mich das nicht, wenn ich für meinen Einsatz für die Mannschaft eine 3 bekomme. Auch wenn man lauter Fehlpässe spielt, aber gut steht und die richtigen Kommandos gibt, kann man sehr wichtig für die Mannschaft sein.

SPOX: Wie wurden Sie überhaupt van Gaals Kapitän?

Van Bommel: Der Trainer hat in der Vorbereitung keine Andeutungen gemacht. Am Tag vor dem Pokalspiel (2. August gg. Neckarelz, d. Red.) hat er mich gefragt, ob ich sein Kapitän sein möchte.

SPOX: Er hat Sie gefragt?

Van Bommel: Ja. Er hat nicht gesagt: 'Du bist es', er hat gefragt.

SPOX: Und was haben Sie geantwortet?

Van Bommel: Dass ich das sehr gerne machen würde. Das heißt aber nicht, dass ich als Kapitän jeden Tag im Büro des Trainers bin. Wir haben fünf, sechs Spieler, die in der Kabine das Sagen haben. Was in der Kabine passiert, darf nicht nach außen dringen. Kabinengespräche sind Geheimnisse. Und die fünf, sechs Führungsspieler sorgen dafür, dass das auch so bleibt.

SPOX: Wer sind diese Spieler?

Van Bommel: Hoffentlich vergesse ich jetzt keinen. (überlegt) Schweinsteiger, Klose, Lahm, Butt. Auch Ribery, Toni und Gomez.

SPOX: Ist es eine Ehre für Sie, Kapitän dieser Mannschaft zu sein oder ist es manchmal auch eine unangenehme Verantwortung?

Van Bommel: Nein, es ist eine große Ehre für mich. Ich war fünf Jahre Kapitän in Eindhoven und bin es jetzt im zweiten Jahr beim FC Bayern, bei einem der größten Vereine überhaupt. Das macht mich sehr stolz. Klar, als  Kapitän muss man manchmal auch unangenehme Dinge tun. Man muss immer Klartext reden. Ich habe aber auch meinen Mund aufgemacht, wenn ich nicht Kapitän war. Der Erfolg der Mannschaft steht über allem. Wenn ich diesen gefährdet sehe, sage ich etwas dazu. Das wird akzeptiert, solange man keine Show abzieht.

SPOX: Sie haben beim FC Bayern in vier Jahren fünf verschiedene Trainer erlebt mit unterschiedlichen Philosophien. Erleben Sie die intensivste Phase Ihrer Karriere?

Van Bommel: Bayern München ist  kein einfacher Verein. Wenn man Erfolg hat, ist es die normalste Sache der Welt. Wenn nicht, dann  sind die Medien mit sehr vielen Leuten da. Wer bei Bayern München spielt, muss mental sehr gut drauf sein. Wenn man hier drei Mal nicht gut spielt, ist man schon ein Fehleinkauf. Bayern ist das Nonplusultra in Deutschland. Wenn wir nicht ins Champions-League-Achtelfinale einziehen, dann war es für den deutschen Fußball ein schlechtes Jahr.

SPOX: Man muss also druckresistent sein, wenn man zum FC Bayern kommt.

Van Bommel: Anders schafft man es nicht. Die Messlatte ist extrem hoch.

SPOX: Wenn der FC Bayern das Nonplusultra in Deutschland ist, was ist der FC Bayern dann in Europa?

Van Bommel: Ich weiß es derzeit nicht. Wenn wir die Leistung aus dem Juve-Spiel wiederholen, dann ist für uns sehr viel möglich. Wenn uns das nicht gelingt, können wir auch gegen jede Mannschaft verlieren. Wir wissen leider noch nicht, wo wir stehen. Barcelona ist sicher weiter als wir. Das ist momentan nach wie vor die beste Mannschaft in Europa.

Teil II: Van Bommel über Party-Life in Barcelona, Image-Korrekturen und seine Zukunft