"Warum soll ein Spieler nicht zu Bayern gehen?"

Von Interview: Christoph Köchy
Norbert Elgert gewann mit den Schalker A-Junioren im Jahr 2006 die Deutsche Meisterschaft
© Getty

EXKLUSIVNobert Elgert ist Erfolgs-Coach der U 19 von Schalke 04, hat schon unzählige Talente von der Jugend ins Profigeschäft geführt. Mit SPOX spricht der ehemalige Bundesligastürmer über Disziplin, die richtige Einstellung und sein Schleifer-Image.

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SPOX: Ist der Sparkasse & VGH Cup in Göttingen nur Spaß oder Ernst für Sie?

Norbert Elgert: Sicherlich beides. Fußball bedeutet für mich in erster Instanz immer Spaß, wir bewegen uns aber im Hochleistungssport und da bedingt das eine sicher das andere. Ich würde gar nicht mal Spaß und Ernst miteinander vergleichen, sondern sagen: Ohne Spaß kein Erfolg und umgekehrt natürlich auch ohne Erfolg kein Spaß.

SPOX: Welchen Stellenwert nimmt der Cup bei Ihnen ein?

Elgert: Es ist ein wichtiges Turnier im Rahmen unserer Ausbildung, denn hier sind viele Tausend Zuschauer in der Halle und da entsteht für die Spieler ein gewisser Druck. Das ist ein gutes Training, denn diejenigen, die einmal Profifußball spielen möchten, müssen vor allem mit Druck umgehen können. Hier haben sie die Möglichkeit, schon einmal ihre mentale Härte weiter zu verbessern und das ist alles entscheidend. Dein Kopf entscheidet, ob du irgendwann einmal Profifußball spielst oder nicht.

SPOX: Schauen Sie sich auch nach Spielern von anderen Vereinen um?

Elgert: Von uns ist auf jeden Fall ein Scout hier und es gehört ja auch zu unseren Pflichten, uns andere Spieler anzuschauen und entsprechende Hinweise an die Scouting-Abteilung weiterzugeben.

Spox: Gibt es ein "Gentlemen Agreement" oder kann jeder Jugendspieler von Ihnen angesprochen werden?

Elgert: Es geht in erster Linie darum, ob der Spieler schon vertraglich gebunden ist. Sollte er einen Fördervertrag haben, besteht gar keine Chance, an ihn heranzutreten. Generell werben wir uns gegenseitig nicht massiv Spieler ab, denn dann würden wir uns alle auf den falschen Verein konzentrieren. Die Energie ist im eigenen Verein sicher besser verwendet.

Spox: Ist es in der Vergangenheit vorgekommen, dass Ihnen ein Spieler von einer lokalen Mannschaft aus dem Raum Göttingen so positiv aufgefallen ist, dass Sie in verpflichten wollten?

Elgert: Das kommt natürlich nicht so häufig vor, ist aber möglich. Mainz 05 hat in der Vergangenheit hier schon einmal ein Talent entdeckt und auch bei uns besteht die Möglichkeit, nach einer sehr guten Leistung einmal zum Probetraining eingeladen zu werden.

Spox: Ist es manchmal sogar ratsam, einen Spieler zu Hause zu lassen, um ihn nicht auf der Bühne zu präsentieren?

Elgert: Wir sind so selbstbewusst, dass wir auch unsere besten Spieler ruhig zeigen können. Wir haben ja nun einiges zu bieten, denn wie die letzten zehn Jahre gezeigt haben, hat man bei Schalke 04 die ganz, ganz große Chance Profi zu werden. Von daher haben wir es nicht nötig, unsere Top-Spieler zu verstecken.

SPOX: Die Spieler, die sich am Ende durchsetzen, ähneln sich heute meistens sehr: Groß und zweikampfstark. Welche Eigenschaften muss ein Nachwuchsspieler denn mitbringen, um einen Profivertrag bei Schalke 04 zu bekommen?

Elgert: Es besteht schon die Gefahr, dass ein Spieler wie z.B. Mesut Özil in jungen Jahren durchs Raster fallen kann. Wir versuchen natürlich zu erkennen, wer trotz bestimmter Schwächen ein außergewöhnlich guter Fußballer ist. Was ein Spieler aber mitbringen muss, ist eine top Einstellung zum Hochleistungssport und zum Teamsport. Er benötigt Durchsetzungsvermögen und Willenskraft, er muss in der Lage sein, unter höchstem Druck Leistung zu erbringen. Dass ein Spieler Talent hat, das ist selbstverständlich. Aber wenn er die anderen Eigenschaften nicht mitbringt, kann er noch so gut kicken können und geht dennoch in diesem Geschäft unter.

SPOX: In die Nationalmannschaft beruft man in den letzten Jahren gerne den stromlinienförmigen Spieler, der einfach funktioniert...

Elgert: Man sieht aber schon, dass Jogi Löw nun vermehrt auch nach anderen Spielern Ausschau hält. Mesut Özil und Marko Marin sind Spieler, die Eins-gegen-Eins-Situationen bewältigen und den finalen Pass spielen können. Die Mischung muss stimmen. Du brauchst auch den Mannschaftsspieler, der dazwischen haut und den anderen den Rücken frei hält. Für den ganz großen Titel brauchst du dann auch die, die das Besondere beherrschen.

SPOX: Hätte ein Mario Basler heute überhaupt noch eine Chance, durchzukommen oder würde er aussortiert, weil er nach dem Training beim Rauchen erwischt wird?

Elgert: Entscheidend ist die Grundeinstellung. Die Spieler müssen bereit sein, Teamplayer zu sein und ihre Individualität zum richtigen Zeitpunkt auf dem Platz auszuleben. Ich bin strikt gegen das Rauchen, aber bei dem Thema sollte man nicht päpstlicher sein als der Papst. In der Jugend geht das auf gar keinen Fall, aber bei einem gestandenen Profi sollte man da auch mal ein Auge zudrücken.

SPOX: In Liverpool an der Akademie wird schon mal ein Spieler aussortiert, der häufig unpünktlich ist oder mit dreckigem Equipment zum Training erscheint.

Elgert: Das finde ich völlig richtig und ist doch auch ganz klar. Wenn ein junger Mensch diese einmalige Chance hat und dann nicht in der Lage ist, eine gewisse Disziplin an den Tag zu legen, hat er da auch nichts verloren. Ich bin der Meinung, die Spieler sollten nur dann belohnt werden, wenn sie auch in jeder Trainingseinheit bereit sind, mehr als alles zu geben. Wenn da mal ein Aussetzer dabei ist, ist das menschlich. Wir haben früher ebenfalls Fehler gemacht. Wir älteren Trainer dürfen ja auch nicht so tun, als wären wir früher Chorknaben gewesen.

SPOX: Wie schafft es Schalke 04, die ganzen jungen Wilden einzubauen und dass diese dann sogar Leistung abrufen? Irgendetwas müssen Sie ja besser machen als andere.

Elgert: Viele Vereine bilden eindeutig ebenso gut aus wie wir. Der Einbau von Talenten hat allerdings bei uns auf Schalke schon Tradition. In den letzten zehn Jahren wurde hier einiges erreicht, das liegt an der Philosophie des Clubs und der hervorragenden Arbeit der im Jugendbereich eingesetzten Mitarbeiter und vor allen Dingen auch an der Bereitschaft der jeweiligen Trainer, diese jungen Spieler dann auch einzusetzen. Unter Felix Magath haben nun ja in jüngster Vergangenheit viele Talente ihre Chance bekommen.

SPOX: Felix Magath ist ja dafür bekannt, ordentlich am Personalkarussell zu drehen. Können Sie denn seit seinem Amtsantritt noch genauso arbeiten wie bisher?

Elgert: Ich habe einen Dreijahresvertrag und möchte auch darüber hinaus weitermachen, denn ich bin in Gelsenkirchen geboren, Schalke 04 ist mein Club und mein Herz hängt daran.

SPOX: Manuel Neuer hat vor ein paar Tagen im Trainingslager auf die Frage, wie man eine so harte Einheit überlebt, gelacht und nur gesagt: "Norbert Elgert!" Sind sie genauso ein Schleifer wie Magath?

Elgert: Zunächst mal ist Herr Magath kein Schleifer, aber der Erfolg gibt ihm Recht. Ich bin ein Verfechter der ganzheitlichen Ausbildung, wir versuchen, die Spieler taktisch zu schulen, sie sozial stark zu machen und eben auch im körperlichen Bereich so gut vorzubereiten, dass sie bei einem Training im Profibereich mithalten können. Sie müssen sich immer wieder selbst besiegen können. Wer das nicht kann, mit dem gewinnt man auch auf dem Platz keinen Blumentopf. Bei Herrn Magath ist es natürlich besonders hart, deshalb bin ich dann stolz darauf, wenn unsere Spieler das Training durchhalten.

SPOX: Mit Moritz Volz könnte einer zurückgekommen, der ganz früh nach England gewechselt ist. Ein Marcello Trotta ist mit 15 von Neapel zu Manchester City gegangen. Kann das für einen so jungen Spieler überhaupt gut sein?

Elgert: Das würde ich immer individuell sehen. Wenn der Spieler die Persönlichkeit mitbringt, dann hat das ja auch Vorteile. Er muss sich in der Fremde durchsetzen, in einem anderen Land und einem anderen Kulturkreis. Der Grund für so einen Wechsel darf aber nie sein, dass der Spieler dort besser ausgebildet wird. Er wird dort zwar auch gut ausgebildet, aber wir brauchen uns vor den englischen Klubs nicht verstecken. Wir müssen unsere Spieler überzeugen, dass es besser ist, bei uns zu bleiben. Das geht natürlich am besten, wenn sie Beispiele vor Augen haben wie Neuer und Höwedes oder Matip und Zambrano.

SPOX: Sie haben eine Kooperation mit der Gesamtschule Berger Feld laufen. Dort hängt angeblich ein Zettel mit dem Satz: "Ich gehe nie zu Bayern München!"

Elgert: Ich glaube, das war einfach als Witz gemeint. Warum sollte ein Spieler nicht zu Bayern München gehen? Aber wir sind so stark, dass ein Spieler von uns das nicht muss. Unser Verein ist einer der attraktivsten Klubs in Deutschland und kann sicher auch in Europa gut mithalten.

SPOX: Ob Manuel Neuer das im Sommer auch so sieht?

Elgert: Ich würde mir natürlich wünschen, dass Manuel auf Schalke bleibt, denn er ist ein Eigengewächs. Und unter dem jetzigen Trainerteam sieht es ja so aus, als ob wir wieder international spielen und von daher muss er auch nicht zu Bayern wechseln.

SPOX: Aber der Lockruf des Geldes...

Elgert: Er verdient sicher auch auf Schalke so, dass er für seine Rentenjahre ein bisschen was zurücklegen kann.

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