Zieht die Hertha-Spitze die Reißleine?

Von Pascal Jochem
Unter Trainer Friedhelm Funkel konnte Hertha noch kein Heimspiel gewinnen
© Getty

Hertha BSC hat mit dem verpassten Heimsieg gegen Hoffenheim einmal mehr die Chance zum Sprung auf den Relegationsplatz verpasst. Die Kritik an Trainer Friedhelm Funkel wächst - bei Spielern, Fans und auch im Präsidium. Hertha-Boss Werner Gegenbauer hat für Donnerstag eine Krisensitzung einberufen.

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Die Dauer-Krise bei der Hertha nimmt einfach kein Ende. Nach der Horror-Woche mit der 0:4-Klatschte in der Europa League bei Benfica Lissabon und dem vergeigten Bundesliga-Heimspiel gegen Hoffenheim (0:2) scheint die Mannschaft an einem Tiefpunkt angekommen zu sein, der eigentlich schon überwunden geglaubt war.

164 Tage steht die Alte Dame nun schon am Tabellenende, und die dürftigen Leistungen zuletzt versprechen kaum Besserung. Von der groß angekündigten Aufholjagd ganz zu schweigen - die kam nie so richtig in die Gänge.

Funkel holt magere 0,7 Punkte im Schnitt

Unter Trainer Friedhelm Funkel gelangen in 17 Spielen gerade mal zwei Siege. 0,7 Punkte holte Funkel im Schnitt. Eine dürftige Bilanz! In der Hauptstadt rumort es, hinter den Kulissen regiert angesichts des hammerharten Restprogramms offensichtlich die Panik vor dem Absturz in die 2. Liga.

Eine eigentlich für die nächste Woche geplante Präsidiumssitzung wurde nun auf den Donnerstag vorverlegt. "Wir haben Redebedarf", sagte Hertha-Präsident Werner Gegenbauer geheimnisvoll.

Bei dem Treffen soll es auch um die Zukunft von Coach Funkel gehen. "Es geht darum, die sportliche Situation des Klubs zu bewerten, und die hängt auch mit dem Trainer zusammen", verriet Jörg Thomas, Mitglied des neunköpfigen Präsidiums. Mehrere Präsidiumsmitglieder sollen angeblich für einen Rauswurf von Funkel sein. Droht dem 56-Jährigen zehn Spieltage vor Schluss die Entlassung?

Brief der Fans an die Spieler

"Wir haben immer gesagt, dass es ein Rennen bis zum letzten Spieltag wird. Wir sind der Überzeugung, es gemeinsam zu schaffen", verkündet Manager Michael Preetz gebetsmühlenartig. Der Ex-Profi ist mitverantwortlich für die Lage, hat er doch Funkel als Nachfolger von Lucien Favre präsentiert und die Mannschaft in dieser Saison zusammengestellt.

Und die scheint sich nicht gerade im Abstiegskampf zu zerreißen. Das werfen ihnen zumindest die eigenen Fans vor. Die "Bild" will von einem Fan-Brief an die Hertha-Profis erfahren haben, indem die leidgeprüften Anhänger den Spielern mangelnde Kampfbereitschaft vorwerfen. "Seht zu, dass Ihr alles gebt, so wie wir es für Euch machen", heißt es dort. Ein Armutszeugnis, ausgestellt von den eigenen Fans.

Die Mehrheit der Kritik richtet sich aber gegen Trainer Funkel. Bereits vor dem Auswärtsspiel in Freiburg kritisierte der Brasilianer Cicero öffentlich Funkels mutlose Defensiv-Taktik. Auch Theofanis Gekas, der sich bislang noch nicht als echte Verstärkung etablieren konnte, ließ sich zu einer System-Kritik hinreißen.

Funkel mit Durchhalteparolen

Zudem kriselt es auch innerhalb der Mannschaft, immer wieder ist von Cliquenbildung die Rede. Hertha-Kapitän Arne Friedrich steckt im Formtief und hat derzeit mehr mit seiner eigenen Leistung zu tun, als dass er dagegen ankämpfen könnte. Wie ein Schuljunge ließ sich der Nationalverteidiger am vergangenen Wochenende von TSG-Angreifer Demba Ba düpieren, als dieser ihm im Strafraum den Ball durch die Beine schob und zum 1:0 einnetzte.

Doch nicht nur wegen der zögerlichen Taktik steht Funkel unter Beschuss. Der bereits in Frankfurt zuletzt unpopuläre Coach flüchtet sich immer wieder in Durchhalteparolen und produziert Ausreden, wie nach der 0:2-Pleite gegen Hoffenheim, als er dem holprigen Rasen die Schuld gab.

Die Berliner Boulevardblätter haben sich auf Funkel eingeschossen. Die "BZ" schrieb zuletzt vom "Ritter der Schwafelrunde" und berichtete von Lästerattacken hinter seinem Rücken in der Kabine.

Zudem wird ihm ein schwieriges Verhältnis zu einigen Spielern nachgesagt. Einer davon, Gojko Kacar, ist gegen den Willen Funkels zur serbischen Nationalmannschaft gereist. Ein weiterer Affront gegen den Trainer.

Nur Preetz kann den Trainer entlassen

Und auch bei den Fans scheint Funkels Kredit aufgebraucht. Im Spiel gegen Hoffenheim tauchten in der Fankurve die ersten "Funkel-Raus!"-Plakate auf. Sogar Rufe nach Ex-Trainer Falko Götz wurden laut.

Letztendlich auch auf Druck von Medien und Fans haben sich die Hertha-Verantwortlichen zu einer Krisensitzung durchgerungen. Laut Vereinsstatuten haben die Geschäftsführer Michael Preetz und Ingo Schiller das letzte Wort. Beide gelten als Fürsprecher des Trainers.

Auf die Frage, ob er noch das Vertrauen der Bosse spüre, sagte Funkel der "BZ": "Ich bin schon zu lange dabei, um mir Gedanken darüber zu machen. Ich will die Mannschaft voranbringen, es ist noch alles möglich."

Womit er nicht ganz unrecht hat. Unter seiner Leitung konnte Berlin den Abstand auf Relegationsplatz 16 von zehn auf drei Punkte reduzieren. Einzig die Schwäche der Konkurrenten hält die Hertha noch im Geschäft und lässt sie weiter hoffen.

Depression in der Hauptstadt