SPOX: Gerard Houllier wird ab der kommenden Saison aller Voraussicht nach den VfL Wolfsburg trainieren. Sie haben unter ihm beim FC Liverpool gespielt. Wie haben Sie ihn damals wahrgenommen?
Christian Ziege: Er ist ein Trainer, der für Ordnung steht. Sowohl auf dem Platz als auch neben dem Platz. Er legt viel Wert auf die Defensive und taktische Disziplin. Diese Disziplin fordert er von seinen Spielern auch außerhalb des Rasens ein.
SPOX: Die Defensive ist ein Problem beim VfL Wolfsburg. Ist Houllier demnach der richtige Trainer?
Ziege: Es wird in Wolfsburg mit Sicherheit keinen Hurra-Fußball geben. Der VfL Wolfsburg hat eine der besten Offensivreihen in Deutschland, aber gleichzeitig lassen sie in der Bundesliga auch am meisten zu.
SPOX: Heißt das nicht, dass er erst einmal seine eigene Mannschaft zusammenstellen muss, um seinen Fußball spielen zu lassen?
Ziege: Das glaube ich nicht. Dass die Mannschaft jetzt nicht defensiv spielt, bedeutet nicht, dass sie es nicht kann, sondern weil es vielleicht so gewollt ist.
SPOX: Houllier wird seine eigene Philosophie einbringen wollen. Louis van Gaal musste sich umstellen, als er zum FC Bayern gewechselt ist. Wird es bei Houllier ähnlich?
Ziege: Ich weiß gar nicht, ob sich van Gaal umstellen musste. Ich habe ihn acht Wochen beim FC Bayern erlebt, als ich dort hospitiert hatte. Jeder hat seine Vorstellung, wie er spielen will. Ein Trainer muss darauf achten, welches Spielermaterial zur Verfügung steht und welches System er dann spielen kann.
SPOX: Houllier ist seit drei Jahren nicht mehr im Trainergeschäft. Sehen Sie da Probleme?
Ziege: Nein. Er weiß ganz genau, wo es lang geht und was er will. Houllier hat beim FC Liverpool und bei Olympique Lyon viele Titel geholt. Sein Fußball war nicht immer der attraktivste, aber alle waren froh, wenn der Erfolg da ist. Der Zweck heiligt die Mittel.
SPOX: Houllier ist der Typ Trainer-Manager. Er kümmert sich nicht nur um Taktik und Training, sondern auch um Transfers, führt Verhandlungen, übernimmt organisatorische Aufgaben. Wird er diese Rolle auch in Wolfsburg einnehmen?
Ziege: Ich kann mir vorstellen, dass er der Supervisor in Wolfsburg wird. In Liverpool haben die drei Co-Trainer das Training größtenteils durchgeführt. Houllier hat natürlich auch mal eingegriffen, aber die Durchführung war den Assistenten überlassen. In England ist das aber auch normal.
SPOX: In Wolfsburg wird er das kaum anders machen.
Ziege: Ja, das glaube ich auch.
SPOX: Felix Magath war als Trainer, Sportdirektor und Geschäftsführer beim VfL Wolfsburg mit viel Macht ausgestattet. Nun hat Dieter Hoeneß das Zepter in der Hand. Kann sich Houllier mit einem Geschäftsführer Hoeneß arrangieren?
Ziege: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich Dieter Hoeneß zu wenig kenne. Ich weiß nicht, welche Absprachen getroffen werden und wer welche Bereiche übernimmt. Aber ich denke, dass es funktionieren wird. Wenn Wolfsburg einen Mann wie Gerard Houllier holt, wird man sich dabei schon was denken.
SPOX: Einige Namen werden nun als Co-Trainer von Houllier gehandelt. Auch ihr Name ist gefallen. Wären Sie grundsätzlich bereit, wenn ein Angebot kommen sollte?
Ziege: Das ist selbstverständlich eine Sache, die interessant ist und die man nicht einfach so ablehnt. Ich würde mir darüber Gedanken machen. Ich habe ja gesagt, dass man als Co-Trainer von Houllier nicht nur da ist, um Hütchen aufzustellen. Es gab aber bisher keinen Kontakt, auch wenn ich das aus mehreren Ecken gehört habe.
SPOX: Sie waren bei Borussia Mönchengladbach kurze Zeit Chef- und Co-Trainer, haben nun die Lizenz erworben. Wäre eine Tätigkeit neben einem erfahrenen Mann wie Houllier eine gute Chance zum Einstieg?
Ziege: Das muss man sehen. Ein Gespräch ist vorher sehr wichtig, vielleicht hat er sich ja verändert. Viel hängt davon ab, wie der Aufgabenbereich aussehen könnte.
SPOX: Wäre es wichtig, dass Houllier jemanden zur Seite hat, der die Bundesliga gut kennt? Trotz seiner großen Erfahrung kennt er sich in der Liga nicht aus.
Ziege: Es wäre mit Sicherheit kein Nachteil, wenn jemand aus seinem Trainerstab die Liga und die Spieler gut kennt. Den Rest bringt er mit seiner Erfahrung ein.