Raus aus der Komfortzone

Von Kommentar: Haruka Gruber
Anlässlich der Saisoneröffnung flog Felix Magath mit dem Helikopter über die Veltins-Arena
© Getty

Mit seiner harten Kritik wirft Schalkes Trainer Felix Magath den verunsicherten Christoph Metzelder der Masse zum Fraß vor. Aber nicht aus Boshaftigkeit - sondern zum Wohle des Vereins. Die SPOX-Meinung zum Thema des Spieltags von Haruka Gruber.

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Bei Politikern und Wirtschafts-Managern ist es ein gängiger Reflex in Zeiten des Misserfolgs: das "Scapegoating". Die Suche nach einem möglichst unbeliebten und wehrlosen Sündenbock, auf den die unzufriedene Mehrheit ihre Aggression projizieren soll.

Ein Machtinstrument, das Felix Magath sehr wohl bekannt ist, immerhin versteht er sich nicht nur als Trainer, sondern eben auch als klassischer Sanierer eines Fußball-Unternehmens mit weitreichenden Kompetenzen.

Als demnach mit dem 1:2 gegen Hannover der Fehlstart in die für Schalke so wegweisende Saison feststand, entschloss sich Magath zu einer öffentlichen Opferungszeremonie.

Erstaunlich deutlich kritisierte er die Leistung seines als Führungsspieler verpflichteten Christoph Metzelder, obwohl dieser auch ohne Magaths Zutun ob seiner Dortmunder Vergangenheit von den Fans angegiftet wurde ("Schwarz-Gelbe Scheiße") und darunter auch leidet.

Metzelder: "Das ist nicht leicht für mich"

Metzelder-Kritik typisch Magath

Eine Maßregelung erfuhr ebenfalls Jefferson Farfan, der sich zu sehr mit seinem Nationalmannschafts-Comeback für Peru beschäftigt und daher die nötige Professionalität für Schalke vermissen lassen würde, so Magath.

Der Verdacht liegt zunächst nahe, dass Magath mit dieser Art der Demontage nur von seinem eigenen Fehlverhalten ablenken will. Der Saisonbeginn mit zwei Niederlagen, die wenig überzeugenden Neuverpflichtungen, weiterhin fehlende Verstärkungen oder auch die umstrittene und vor allem schlecht kommunizierte Absetzung des Fan-Beauftragten Rolf Rojek, das die Fan-Kurve erzürnte und für unnötige Hysterie sorgte.

Jedoch bleibt festzuhalten: So moralisch fragwürdig Magaths Führungsstil einigen vorkommen mag - mit seinen Äußerungen nach dem 96-Spiel setzt er nur das fort, was er seit Jahren proklamiert. Menschlichkeit ist ein ehrbares Gut, doch im Fußball zählt die Erfolgsmaximierung. Und nur daran lässt sich seine Arbeit auch beurteilen.

Kuranyi und Farfan blühen unter Magath auf

Ähnlich wie bei Metzelder begann Magath Anfang letzter Saison mit teils überharten Worten eine öffentliche Diskussion über die Wertigkeit des gescholtenen Kevin Kuranyi. Auch Farfan machte vor zwölf Monaten Erfahrung mit Magaths teils sonderlichen Statements, als dieser - aus Versehen oder nicht - den Lebenswandel des Südamerikaners in Frage stellte.

Das Resultat jedoch spricht für Magath. Angetrieben von dessen gnadenloser Konsequenz spielte der früher zu Bequemlichkeit neigende Kuranyi seine beste Saison, Farfan wiederum entwickelte sich zu einem der besten Flügelspieler der Bundesliga - was wiederum die Vermutung zulässt, dass Magath mit seiner Rüge ein Umdenken bei Metzelder bezwecken will. Psychologen nennen das: Jemanden aus der Komfortzone herausholen.

Motto: Angst setzt Kräfte frei

Zumal Magaths Umgang mit Metzelder einen weiteren Aspekt seiner Philosophie widerspiegelt: Nur Angst hält die Bereitschaft und Motivation der Untergebenen auf Dauer aufrecht. Denn spätestens jetzt wissen alle Spieler im Kader, dass jeder von einem Tag auf den anderen ins Visier des Trainers geraten kann, wenn selbst der von Magath hoch geschätzte Metzelder nach zwei, drei schwachen Spielen derart massiv angegangen wird.

Vor einigen Tagen sagte Magath: "Ich bin ja kein Trojanisches Pferd. Wer mich holt, weiß, wen er holt. Meine Konzepte sind bekannt, meine Methoden ebenfalls."

Und nur mit diesen umstrittenen Methoden wurde Magath zum erfolgreichsten Bundesliga-Trainer der letzten Jahre. Daran sollte sich jeder erinnern.

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