"Nein, nicht so! So passen, laufen, passen. Bam, bam, bam. Nochmal von vorn!" Louis van Gaal war gereizt. Die kleine Gruppe Bayern-Spieler übte an diesem Sonntagmorgen einfache Passformen. Van Gaal, ganz detailbesessen, korrigierte. Der Niederländer erschafft das große Ganze aus den vielen kleinen Dingen, die seinen Profis vielleicht nicht immer einleuchten, die aber einen endgültigen Plan verfolgen.
Breno hatte mit Ballstafette und Laufweg einige Probleme. Als "Rohdiamant" (Karl-Heinz Rummenigge) war er im Januar 2008 vom FC Sao Paulo verpflichtet worden. Die Bayern hatten entgegen ihrer Gewohnheit in der Winterpause zugegriffen.
Ohne sportliche Not, schließlich führten die Münchner die Tabelle nach der Schmach von Platz vier im Vorjahr an, nur Werder Bremen konnte noch folgen.
Nachwuchsspieler des Jahres
Kolportierte zwölf Millionen Euro schubsten die Bayern über den großen Teich. Schnell wurde gemunkelt, dass Uli Hoeneß Wind vom Interesse anderer europäischer Top-Klubs bekommen habe und deshalb bereits in der Winterpause Nägel mit Köpfen machen wollte - ehe es sich Breno und vor allen Dingen Papa und Manager Claudio anders überlegen. In Brasilien wurde Breno ja immerhin zum Nachwuchsspieler des Jahres gewählt.
Knapp drei Jahre ist das gewagte Transfergeschäft jetzt her und Brenos Bilanz bei den Bayern liest sich immer noch sehr überschaubar. Ganze 15 Einsätze in allen Wettbewerben sind es bisher, nur sieben davon über die gesamten 90 Minuten.
Unter Ottmar Hitzfeld hatte Breno keine Chance. Jürgen Klinsmann setzte nur sporadisch auf den pummelig wirkenden Innenverteidiger. Und van Gaal? Der war anfangs der Ansicht, dass Breno individual- und mannschaftstaktische Defizite hat. In der Hinrunde der letzten Saison spielte Breno unter dem Niederländer ganze 134 Minuten.
Breno ideal für van Gaal
Dabei ist der Brasilianer gemessen an seinen Anlagen genau der Typ Innenverteidiger, den sich van Gaal vorstellt. Robust und doch schnell, mit einer guten Spieleröffnung. Und in der Liga wird es wenige Spieler geben, die im Zweikampf ähnlich aggressiv und doch abgeklärt sind.
Es ist Brenos Spezialgebiet, im Kampf Mann gegen Mann ist er schwer zu überwinden. Aber auch der beste Zweikämpfer braucht ein grundlegendes taktisches Rüstzeug und das konnte sich Breno in zwei Jahren bei den Bayern nicht in dem Maße aneignen, um der Mindestanforderung van Gaals zu entsprechen.
Als das Angebot einer Ausleihe aus Nürnberg kam, überlegte er nicht lange. Über den zweiten Bildungsweg wollte sich Breno nach einem halben Jahr wieder bei den Bayern empfehlen. Und wer weiß: Vielleicht hätte sich bis dahin ja auf dem Trainerposten schon grundlegendes geändert? Schließlich startete van Gaals Konzept erst in der Rückrunde so richtig durch.
Formanstieg beim Club
Beim Club spielte sich Breno schnell ins Rampenlicht, selbst die Späher vom FC Chelsea wurden wieder auf ihn aufmerksam. Dann beförderte ihn ein Foul des Leverkuseners Stefan Reinartz ins Krankenhaus. Die Dioagnose: Kreuzbandriss - sechs Monate Pause.
Dennoch konnte Breno in Nürnberg Ansätze seines Potenzials zeigen, die Bayern-Bosse fühlten sich bestätigt. Nicht umsonst holten sie den Verletzten sofort zurück nach München.
Jetzt ist er wieder fit. Die lange Zeit in der Reha hat seinen Kampfgeist neu geweckt. "Ich bin bereit, endlich bei Bayern zu zeigen, was ich kann. Ich bin nicht schlechter als die anderen Innenverteidiger. Die Bosse schwärmen immer von mir, sie haben mich die ganze Zeit unterstützt. Sie halten viel von mir, trauen mir einiges zu. Aber die Trainer gaben mir bisher keine große Chance. Ich hoffe, sie zu bekommen und dann auch zu überzeugen."
Van Gaal will ihm die Chance bald geben: "Ich muss sagen, dass er sich sehr gut macht und bald seine Chance bekommt. Noch kann er aber nicht 90 Minuten spielen."
Hoeneß: "Auf Breno wird total gesetzt"
Die Konstellation könnte besser kaum sein als zurzeit. Daniel van Buyten und Martin Demichelis wackeln. Beide sind weit von ihrer Topform entfernt, zuletzt in Mönchengladbach kosteten auch die Fehler der Innenverteidigung zwei Punkte. Einzig Holger Badstuber ist bei van Gaal unumschränkt gesetzt. Nur ist der momentan selbst im Krankenstand. Demichelis' Abschied rückt näher, bleibt van Buyten als Konkurrent.
Die Chance also für Breno? Auf den ersten Blick vielleicht. Er hat einige Kilo abgenommen, wirkt austrainiert. Selbst Hoeneß will den teuersten seiner vier Innenverteidiger endlich spielen sehen. "Auf Breno wird total gesetzt. Ich bin mir sicher, dass er seine Chance bekommt, sobald er wieder fit ist", stärkt er dem 21-Jährigen den Rücken, den er schon mal als "einen der besten Innenverteidiger der Welt" bezeichnete.
Aber: Im Mannschaftstraining war er erst ein einziges Mal. "Er hat die Wochen zuvor Individualtraining gemacht und wir waren oft unterwegs. Jetzt ist er wieder richtig in der Mannschaft. Ich freue mich für ihn, denn es ist immer eine schwierige Zeit, wenn man verletzt ist. Dass er ein guter Spieler ist, hat er in Nürnberg bewiesen", sagt Andreas Ottl über Breno, der mit dem Brasilianer zusammen an den Club ausgeliehen war.
Durchbruch oder Abgang
Nur hat Breno bei van Gaal nicht das Standing, um jetzt uneingeschränkt und ohne Vorbehalte sofort wieder ins Wettkampfgetümmel geworfen zu werden. Bei Badstuber würde van Gaal nach einer achtmonatigen Verletzungspause sehr wahrscheinlich anders reagieren. Aber Badstuber ist auch van Gaals Ziehsohn, Breno muss sich seine Meriten erst noch hart erarbeiten.
In Nürnberg hat sich Breno entwickelt und damit unter Dieter Hecking und in einer anderen Mannschaft das geschafft, was van Gaal und die Bayern nicht hinbekommen haben. Für den oft etwas selbstverliebten Niederländer mag das durchaus ein Problem darstellen.Jedenfalls ist die Zeit für Breno momentan offenbar noch nicht reif bei den Bayern.
Aber wird sie das jemals sein? "Wenn ich es in dieser Saison nicht schaffe, hat es wirklich wenig Sinn", macht er sich so seine Gedanken. "Ich kann aber nicht ewig darauf warten, Spielpraxis zu sammeln." Trainieren allein reicht einfach nicht aus. Zu viele Anweisungen, zu eintönig. Dafür ist er nicht nach München gekommen.