Am Ende musste Uli Hoeneß doch noch Farbe bekennen. Nach über dreieinhalb Stunden Harmonie wurde der Präsident des FC Bayern München auf der Jahreshauptversammlung in der Münchner Olympiahalle von einem Mitglied des Vereins für seine öffentliche Schelte an Trainer Louis van Gaal in einem TV-Interview Ende Oktober kritisiert.
Hoeneß' Antwort folgte prompt: "Ich akzeptiere den Einwand. Mein Auftritt war grenzwertig, aber wohl überlegt. Ich bin der Meinung, dass ich richtig gehandelt habe, aber diese Meinung muss ja nicht jeder teilen."
Seitenhieb gegen 1860
Applaudierend entlasteten die 2.807 anwesenden Mitglieder ihren Präsidenten. Hoeneß ist King beim FC Bayern, als Präsident, Aufsichtsratsvorsitzender und "Allmächtiger" (Wortwahl eines anderen Mitglieds) noch mehr als zu Manager-Zeiten.
Mit Seitenhieben gegen den Stadtrivalen 1860 München ("Die suchen seit 20 Jahren die Schuld bei anderen" und "Ich kann verstehen, dass Ihr Euch freut, wenn die in der 5. Liga spielen") und Zynismus gegen den Fußball-Weltverband Fifa ("Bei dem aktuellen Zustand dieses Verbandes kann Franz Beckenbauer froh sein, wenn er im Mai als Exekutiv-Mitglied aufhört") traf Hoeneß auch an diesem Abend den Nerv der Menge.
Das erwartete, ganz große Ballyhoo blieb aber aus. Weder Hoeneß, noch Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge nahmen die Konkurrenz in der Bundesliga verbal in die Mangel. Schalke 04 hatte Rummenigge vor Jahren als "westfälischen Zweizahlenverein" bezeichnet und sich beim Gründungsdatum von 1899 Hoffenheim gewundert, "wo die denn die letzten 100 Jahre geblieben sind".
Der Name Borussia Dortmund wurde am Dienstagabend kein einziges Mal erwähnt. Rummenigge wiederholte lediglich seine Worte der letzten Wochen: "Wir alle müssen dafür sorgen, dass der Bayern-Express jetzt ins Rollen kommt."
Schulterschluss mit van Gaal
Statt die Liga einzuschüchtern appellierten die Bosse an die Mannschaft und van Gaal. "Ich fordere Euch auf, bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen", sagte Hoeneß in Richtung Trainer und den anwesenden Kapitänen Mark van Bommel, Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger.
Die Bosse demonstrierten an diesem Abend eifrig den Zusammenhalt innerhalb der großen Bayern-Familie, so als wäre nichts vorgefallen. Keine Spur von Stress und Disharmonie mit van Gaal, keinerlei Kritk an den mitunter dürftigen Leistungen in der Bundesliga. Van Gaal wurde permanent mit "Lieber Louis" angesprochen. Hoeneß versprach dem Coach die Mithilfe des gesamten Vereins, um die sportlichen Ziele nicht zu gefährden.
Hoeneß und Rummenigge sind seit jeher von van Gaals Fähigkeiten überzeugt, mittlerweile sind sie bereit, sich mit dem Coach auch im zwischenmenschlichen Bereich zu arrangieren. Damit tragen sie der Stimmung Rechnung. Die Fans lieben van Gaal. Tosenden Beifall quittierte der Niederländer zu Beginn der Veranstaltung mit einem staatsmännischen Gruß.
Geht es nach Rummenigge, soll van Gaal noch lange beim FC Bayern bleiben. "Manchmal ist es nicht einfach mit ihm. Aber er ist ein erstklassiger Trainer, mit dem wir noch viele Titel erringen werden", so der Vorstandsvorsitzende.
Optimismus im Fall Schweinsteiger
Hoeneß hat diesbezüglich Ende Mai 2012 anvisiert: "Wir wollen noch deutscher Meister werden. Aber wir müssen auf jeden Fall die Qualifikation zur Champions League schaffen. Denn 2012 findet das Endspiel in München statt, da müssen wir dabei sein."
Dann soll auch Schweinsteiger noch dem FC Bayern angehören. Rummenigge betonte erneut, dass es das "erklärte Ziel" sei, "Bastians Vertrag langfristig zu verlängern." Er äußerte sich "optimistisch, dass wir uns mit Bastian und seinen Beratern auf einer fairen Basis verständigen können." Einen Verkauf von Schweinsteiger vor Ablauf seines 2012 endenden Vertrags schloss Rummenigge erneut aus. "Wir sind uns mit Louis van Gaal einig, ihn auf keinen Fall vor seinem Vertragsende freizugeben."
Hoeneß richtete sich direkt an den Nationalspieler: "Bastian, für uns alle ist es unglaublich wichtig, dass du bei Bayern bleibst." Vor einem Jahr wurde Schweinsteiger noch ausgepfiffen, diesmal gab es Standing Ovations für den 26-Jährigen.
Neuer Umsatzrekord
Nichts verändert hat sich dagegen bei den Finanzen des FC Bayern. Vorstandsmitglied Karl Hopfner präsentierte einmal mehr Traumzahlen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2009/10 verzeichnete die FC Bayern München AG einen Umsatz von 312 Millionen Euro - das entspricht einem Umsatzplus von 43 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr.
Erstmals knackte der FC Bayern die Marke von 300 Millionen Euro. Hoeneß sprach von einem "gigantischen Ergebnis" und zog den Vergleich mit Vereinen wie Manchester United oder dem FC Barcelona, die "400, 500 Milllionen Schulden angehäuft" hätten.
Die Eigenkapitalquote des Vereins liegt bei 65,1 Prozent - das entspricht 206,4 Millionen Euro. "Der FC Bayern ist für die Zukunft bestens gerüstet. Damit ist und bleibt unser Klub wirtschaftlich eigenständig und unabhängig von Marktgegebenheiten", sagte Hopfner. In die Bilanz fließen 3,2 Millionen Euro Verlustübernahme der Stadion GmbH ein. Der Verlust der Stadion GmbH ist in den vergangenen zwölf Monaten aber um 7,2 Millionen Euro gesunken. Nach Abzug aller Steuern (101,4 Millionen Euro) bleibt dem Verein ein Gewinn von 2,9 Millionen Euro.
Die großen emotionalen Momente blieben bei der diesjährigen Jahreshauptversammlung des FC Bayern aus. Im Vergleich zu früheren Veranstaltungen war es fast langweilig. Für Zündstoff sorgte allenfalls der Vorschlag eines Mitglieds, das totale Rauchverbot in der Allianz Arena einzuführen. Mit dem Hinweis, es gebe gemäß den Stadionvorschriften dafür keinen Anlass, hatte Hoeneß auch in diesem Punkt die Menge auf seiner Seite.