Peter Közle war in seiner Profikarriere ein bunter (Wander-)Vogel. Der Spielmacher hatte seine erfolgreichste Zeit beim MSV Duisburg und VfL Bochum. In der neuen SPOX-Serie der Legenden-Interviews spricht der heute 43-Jährige über tote Katzen an der Haustür, Fehler in der Vergangenheit und verrät, was er im heutigen Fußballgeschäft am meisten vermisst.
SPOX: Herr Közle, Sie spielen derzeit beim Bochumer Lokalverein VfB Günnigfeld. Sie haben Ihre Karriere also offiziell noch gar nicht beendet?
Peter Közle: Wenn man das noch als Karriere bezeichnen will, dann nicht (lacht). Ich spiele dort mit Ausnahme von zwei Jahren seit 2003. Ich werde am Saisonende aber endgültig aufhören. Die Knochen machen einfach nicht mehr mit und irgendwann lässt auch die Lust nach.
SPOX: Kriegt man in den unteren Ligen von übermotivierten Amateurspielern nicht ordentlich auf die Socken, wenn da der Ex-Profi daherkommt?
Közle: In den ersten drei, vier Jahren schon. Da war es für die Jungs immer noch etwas Besonderes, wenn sie gegen mich gespielt haben. Die waren alle heiß und wollten dem Közle ein paar Beinschüsse verpassen. Mittlerweile hat man sich aber an mich gewöhnt.
SPOX: Nebenbei arbeiten Sie als Trainer an der Fußballschule von Thomas Allofs. Welche Aufgabe haben Sie dort genau?
Közle: Ich arbeite hauptsächlich mit Ex-Duisburg-Profi Thorsten Wohlert zusammen und decke das Gebiet Düsseldorf bis Duisburg ab. Ich arbeite als Trainer für die Kinder, die sich dort für die Sommercamps anmelden.
SPOX: Als Sie noch jung waren, spielten Sie bei den Amateuren des FC Bayern. Wieso haben Sie den Sprung zu den Profis nicht geschafft?
Közle: Die Profis waren zu meiner Zeit unerreichbar. Man wusste in der A-Jugend schon, dass der Sprung nach oben unmöglich ist. Das Training war zwar damals schon sehr profihaft, sehr intensiv, auch der Druck war schon vorhanden. Bei den Amateuren kam ich letztlich mit dem Trainer nicht zurecht, der stand einfach nicht auf mich.
SPOX: Die Fans in Duisburg am Ende auch nicht mehr. Es existiert die Geschichte, dass aufgebrachte MSV-Anhänger Ihnen eine tote Katze an die Haustür genagelt haben.
Közle: Das ist nicht passiert. Ich habe keine Ahnung, wie die Geschichte überhaupt zustande gekommen ist. Ich habe in Duisburg meinen Vertrag vorzeitig aufgelöst, weil die Anfeindungen zu extrem und zu persönlich waren. Es hat dort keinen Spaß mehr gemacht.
SPOX: Am Anfang lief es beim MSV für Sie allerdings super.
Közle: Ja, im ersten Jahr lief es überragend gut. Ich habe 13 Tore gemacht und war der Held. Ich stand jeden Tag in der Zeitung und habe das volle Programm mitgenommen. Ich bin damals an keiner einzigen Kamera vorbeigelaufen, ohne irgendetwas zu erzählen.
SPOX: Und das kam im zweiten Jahr alles auf Sie zurück?
Közle: Man hat einen Sündenbock gesucht und der war letztlich ich. Da hat sich all das Positive ins Negative gewandelt. Ich habe es in dieser Zeit auch nicht eingesehen, warum ich nicht mehr in die Stadt gehen soll. Ich bin natürlich abends nach dem Spiel noch in die Kneipe oder Disko gegangen. Ich habe mich quasi hingestellt und gesagt: 'Komm', haut mir eine aufs Maul'.
SPOX: Und, gab's eine aufs Maul?
Közle: Es standen schon Fans bei mir vor der Haustür und wollten mich verprügeln. Manche sind auch hinter mir hergefahren und haben mich verfolgt. In dieser Zeit muss die Geschichte mit der toten Katze entstanden sein.
SPOX: In Bochum lief es deutlich besser für Sie. Vor zwölf Jahren spielten Sie mit dem VfL noch im UEFA-Cup, nun ist der VfL in der 2. Liga angekommen.
Közle: Ich war am letzten Spieltag der Vorsaison gegen Hannover im Stadion. Da ging es um alles und ich habe mich am Ende geschämt. Es war eine Schande, wie die Mannschaft aufgetreten ist. Die Verantwortlichen haben in den letzten Jahren eine tote Mannschaft zusammengekauft, die keinerlei Bezug zum VfL und den Fans hatte. Die haben blutleer und emotionslos Fußball gespielt.
SPOX: Was läuft aus Ihrer Sicht in Bochum falsch?
Közle: Man muss sich schon fragen, wer die Leute denn geholt hat. Da tragen Trainer, Manager und Präsident natürlich die Hauptverantwortung. Es wurde verpasst, frisches Blut in die Vereinsstrukturen hinein zu bringen. Der Altegoer regierte dort seit gefühlten 30 Jahren und hat wohl gewisse Strukturen auch nicht zugelassen. Stefan Kuntz hätte den Verein in dieser Hinsicht sicherlich nach vorne gebracht. Wenn man so einen gehen lässt, muss man sich schon die Frage stellen, ob der eine oder andere im Verein nicht will, dass ein starker Mann kommt, der die Dinge umkrempelt.
SPOX: Es gibt einige Ex-Profis wie Thorsten Legat, die einem Job beim VfL nicht abgeneigt wären. Wie sieht es mit Ihnen aus?
Közle: Ich habe da nichts zu suchen. Ich habe überhaupt keine Ahnung, was in einem Verein so alles vor sich geht. Ich könnte mir vorstellen, einmal eine der Jugendmannschaften zu trainieren. Ich finde es allerdings auch erschreckend, welche Ex-Spieler sich zu Wort melden und dem Verein helfen wollen. Die haben doch alle selbst nichts zu tun, da geht es nur um persönliche Eitelkeiten.
SPOX: Nach Ihrer Zeit in Bochum wechselten Sie zu Union Berlin. Stimmt es, dass Sie dort die Verantwortlichen vor Ihrem eigenen Image gewarnt haben?
Közle: Boah, da sind halt auch alles immer so Geschichten, das hört sich dann richtig gut an. Ich würde am liebsten sagen können: 'Ja, so war ich früher, ich war der geilste Typ überhaupt'. Ich bin einfach dorthin gegangen und habe gesagt, dass ich der und der Typ und mir für den Verein den Arsch aufreißen werde. Ich bin nicht besser und nicht schlechter als jemand anderes, aber ich bin halt auch einer, der sich mal die Haare bis zum Arsch wachsen lässt und mit 20-Euro-Klamotten herumläuft.
SPOX: Ist ja eigentlich in Ordnung. Wo war letztlich das Problem?
Közle: Mein Problem war Duisburg. Dort wollte ich jedem erzählen, wie unabhängig ich vom Fußball bin und dass ich trotzdem noch ein Bier trinken gehe. Ja, scheiß drauf, das macht jeder. Die anderen haben eben nur das Maul gehalten und ich hab's erzählt. Ich habe damals einfach zu viel gelabert und das wollte ich den Leuten bei Union klar machen. Ich habe zu Beginn meiner Karriere auch noch an die Ehrlichkeit im Fußball geglaubt.
SPOX: Inwiefern?
Közle: Als es den Grashopper Zürich nicht besonders gut ging, hat mich der Manager gefragt, ob ich auf Gehalt verzichten würde. Ich habe zugesagt. Er meinte, wenn ich in zwei Jahren meinen Vertrag wieder verlängere, gibt er mir das doppelt und dreifach zurück. Als es dann um den neuen Vertrag ging, sollte ich plötzlich noch weniger Geld verdienen. Zudem haben sie zu mir gesagt, dass ich andere Klamotten anziehen und mir die Haare schneiden soll. Damals bin ich in ein Riesenloch gefallen, da ich nicht geglaubt hatte, dass das für einen Fußballer entscheidend sein soll.
SPOX: Es ist aber bis heute so, dass Sie die Fußballfans mit den Begriffen wie lange Haare oder Tattoos verbinden. Wie stehen Sie selbst zu Ihrem Image?
Közle: Ich würde vieles nicht mehr so machen wie früher. Ich bin aus der beschaulichen Schweiz gekommen, habe dort viele Tore geschossen und bin Meister geworden. Trotzdem konnte man tagsüber in die Stadt gehen und keine Sau hat es interessiert. In Günnigfeld erkennen mich mehr Leute als damals in Zürich. Und plötzlich kommt man dann wieder nach Deutschland und alles läuft viel zu gut. Hinzu kommt das mediale Interesse, das einen überwältigt und man lässt sich zu Dingen hinreißen, die man nicht machen sollte.
SPOX: Gab es in Ihrem Umfeld niemanden, der Sie vor solchen Dingen gewarnt hat?
Közle: Ich hatte leider keinen Berater. Ansonsten wäre das super gewesen. Es gab mit Sicherheit im Umfeld einige Leute, die gesagt haben, dass ich mal ein oder zwei Interviews weniger geben soll, aber auf die hat man natürlich nicht gehört.
SPOX: Welche Entwicklung, die der Fußball seit Ihrem Karriereende genommen hat, sagt Ihnen gar nicht zu?
Közle: In den letzten Jahren ist der Fußball immer mehr in den Boulevard reingerutscht. Fußballer werden heutzutage ja von Paparazzi verfolgt. Heute reicht auch ein einziges gutes Spiel, um in allen Zeitungen zu stehen. Man wird zu schnell zum Superstar hochstilisiert. Mir fehlen die Typen, die Baslers, Effenbergs, Kahns. Es gibt nur noch Einheitsprofis. Wenn der liebe Gott zu mir sagen würde, dass ich wieder 25 bin, aber vom Kopf her so wie jetzt, dann würde ich nach zwei Wochen wahrscheinlich sagen: 'Leckt mich doch alle am Arsch, mach' mich wieder alt, das ist nicht mein Fußball'.
Peter Közle im Steckbrief