Armin Veh ist froh, dass er Jerry hat. Jerry ist Vehs Hund. Mit dem acht Monate alten Flat Coated Retriever war der 49-Jährige in den letzten Tagen immer lange unterwegs in den Wäldern rund um seine Heimatstadt Augsburg. Bei Spaziergängen mit Jerry kann Veh abschalten. Mal nicht an Fußball denken.
Ein bisschen Ablenkung kann Veh derzeit gut gebrauchen. Denn während der HSV-Coach die wenigen freien Tage mit Familie und Hund genießt, wird in Hamburg über Vehs Zukunft spekuliert.
Mit Platz neun nach der Vorrunde und dem frühen Pokal-Aus hat Veh nach seinem ersten halben Jahr in der Hansestadt eine eher bescheidene Bilanz vorzuweisen. Hinzu kommen die ausbleibende Weiterentwicklung der Mannschaft und eine am Ende manchmal etwas unstrukturiert wirkende Suche nach einem geeigneten System und der richtigen taktischen Ausrichtung.
Veh stößt Diskussion selbst an
Dennoch schien Veh fest im Sattel zu sitzen. Der ausbleibende Erfolg und die taktischen Experimente wurden vor allem an der Verletztenmisere festgemacht. Veh schien nach wie vor der richtige Mann, um den fälligen Umbruch beim HSV zu meistern.
Die öffentliche Diskussion um seine Zukunft in Hamburg entstand erst in den Tagen nach dem letzten Bundesliga-Spiel - angestoßen von Veh selbst.
Recht unverblümt kokettierte der Fußball-Lehrer mit seinem Rücktritt. Er wolle nicht mehr ewig auf der Trainerbank sitzen, und der HSV sei ohnehin seine letzte Station als Coach in Deutschland, ein Ende deshalb absehbar. Explizit ließ er sich die Möglichkeit offen, im Mai von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch zu machen und das Engagement zu beenden.
Trennung in der Winterpause?
Veh sei ausgebrannt und habe die Mechanismen des Trainerjobs satt, interpretierten die einen, der Coach schiele auf einen Posten auf Management-Ebene, meinten andere. Eine Trennung noch in der Winterpause schien plötzlich realistisch.
Seltsam zögerliche Aussagen von Sportchef Bastian Reinhardt erweckten zudem den Eindruck, dass auch der Verein erst noch die Hinrunde abschließend bilanzieren will, bevor er langfristig die Weichen für die Zukunft stellt.
"Ich wäre überrascht, wenn Veh in der Rückrunde noch Trainer wäre", sagte Ex-HSV-Profi Carsten Kober, der Anfang Januar für einen Platz im Aufsichtsrat kandidiert.
HSV-Kenner Dieter Matz schrieb am zweiten Weihnachtsfeiertag in seinem "Abendblatt"-Blog gar, er gehe "hundertprozentig" davon aus, dass Veh "Ende der Woche kein HSV-Trainer mehr ist".
Veh rudert zurück
Danach sieht es inzwischen allerdings nicht mehr aus. "Ich möchte mein Amt weiterhin ausfüllen und auch in der Rückrunde auf der Bank sitzen. Ich habe nicht vor, zurückzutreten", ruderte Veh mittlerweile zurück. Auch Klub-Boss Bernd Hoffmann ist sich sicher, "dass Armin Veh im Spiel gegen Schalke unser Trainer ist".
Am Donnerstag wurde nun verkündet, dass Veh vorerst bleibt. Doch für beide Parteien kann es nicht nur um die Rückrunde gehen, vielmehr steht die mittelfristige Perspektive auf dem Spiel: Wer wird der Architekt der für kommenden Sommer angekündigten Umbauarbeiten in der Mannschaft?
Die letzte Chance
Fest steht: Durch seine Aussagen hat sich Veh unnötig selbst in Bedrängnis gebracht. Er steht in den ersten Spielen der Rückrunde ganz besonders unter Druck. Und damit ist er nicht der einzige in der Liga.
Extrem wichtig sind die ersten Partien des neuen Jahres auch für Gladbach-Coach Michael Frontzeck und Wolfsburgs Steve McClaren. Beide hinken den Ansprüchen nach der Hinrunde weit hinterher - beiden wurde von Vereinsseite allerdings noch eine Chance gewährt. Es wird die letzte sein.
Wenn die Ergebnisse in den ersten Spielen 2011 nicht stimmen, ist Schluss. So wie in der letzten Saison nach dem ersten Rückrundenspieltag für Hannover-Coach Andreas Bergmann und einen Spieltag später für den damaligen Wolfsburg-Trainer Veh.
Hoeneß mit klarer Forderung an McClaren
Ein ähnliches Szenario will man beim VfL in dieser Saison vermeiden, darum stärkte Manager Dieter Hoeneß nach dem Ende der Hinrunde seinem Coach den Rücken und drohte stattdessen den Spielern. "Wir werden aufräumen. Mit dieser Mannschaft ist in ihrer Zusammensetzung kein dauerhafter Erfolg mehr möglich", sagt Hoeneß. "Es bleibt von unserer Seite nichts unversucht, bis die Spieler endlich dauerhaft ihre Leistung abrufen."
Falls die erhoffte Leistungssteigerung allerdings ausbleibt, gerät wieder McClaren unter Druck. An seinen Coach formuliert Hoeneß klar und deutlich: "Wir erwarten von den Trainern, dass sie mit aller Konsequenz handeln und Fehlverhalten auf und neben dem Platz ahnden. Die Mannschaft verträgt es nicht, wenn man zu sanft zu ihr ist."
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Die Frage ist nur: Kann McClaren seinen Stil, mit dem er den FC Middlesbrough ins UEFA-Cup-Finale und Twente Enschede zur niederländischen Meisterschaft führte, innerhalb von wenigen Wochen ändern und eine Mannschaft, die ihm fast die komplette Vorrunde die Gefolgschaft verweigerte, wieder auf Vordermann bringen?
Frontzeck in der Kritik
Das muss auch Frontzeck in Gladbach gelingen. Nach mickrigen zehn Zählern aus 17 Spielen und keinem einzigen Heimsieg, braucht der 46-Jährige in den ersten Spielen der Rückrunde in Nürnberg, gegen Leverkusen und bei Eintracht Frankfurt dringend Punkte. Borussias Verantwortliche, die jegliche Trainerdiskussion in der Vorrunde im Keim erstickten, trauen ihm zu, dass er die Wende schafft.
Mit Mike Hanke, Havard Nordtveit und Martin Stranzl durfte Frontzeck drei Neue verpflichten. Zudem stehen die Langzeitverletzten Logan Bailly, Dante, Roel Brouwers und Tony Jantschke zum Rückrundenstart aller Voraussicht nach zur Verfügung. Die Voraussetzungen sind also geschaffen. Doch schafft es auch Frontzeck?
Bei den Fans haben Mannschaft und Trainer ihren Kredit (vorerst) verspielt. Zudem wird Frontzeck vorgeworfen, er suche zu häufig nach Ausreden, schütze seine Spieler zu sehr und bevorzuge vermeintliche Lieblinge wie Juan Arango und Michael Bradley. Startet Gladbach erfolgreich in die Rückrunde, wird diese Kritik verstummen. Andernfalls muss Frontzeck gehen.
Mögliche Nachfolger werden bereits gehandelt. Laut "Express" würde Hans Meyer erneut aushelfen, U-23-Trainer Sven Demandt gilt ebenfalls als Kandidat. Auch in Hamburg kursieren mit Christoph Daum, Martin Jol und Michael Oenning bereits Namen möglicher Veh-Erben. Und beim VfL gilt Christian Gross als Favorit.
Man darf also gespannt sein, was die kommenden Wochen auf dem Trainermarkt bringen werden.