"Ich hoffe auf den Magath-Effekt"

Von Interview: Haruka Gruber
Christian Pander (r.) kehrte beim 2:0 gegen die Bayern auf die Bundesliga-Bühne zurück
© Imago

Vor zwei Jahren schoss Schalkes Christian Pander die gefährlichsten Freistöße Deutschlands und wurde von Real Madrid beobachtet. Dann kehrten die Verletzungen zurück und führten zu 19 Monaten Pause - und zu Selbstzweifeln. Nach 573 Tagen kehrte der 27-Jährige gegen die Bayern jedoch auf die Bundesliga-Bühne zurück. Das Comeback-Interview.

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SPOX: Als Sie vor zehn Tagen beim 2:0 gegen den FC Bayern in der 77. Minute eingewechselt wurden, jubelten die 61.673 Zuschauer fast genauso laut wie bei den Schalker Toren kurz zuvor. Ein einzigartiges Erlebnis für Sie?

Christian Pander: Ich konnte die Situation in dem Moment überhaupt nicht realisieren, weil ich mich nur auf mich konzentrieren wollte. Beim Warmmachen hatte ich nur einen Gedanken: Bloß keinen Fehler machen, bloß keinen Fehler machen. Nach dem Spiel haben mir die Mitspieler zwar zum Comeback gratuliert, aber so richtig erfasst habe ich es erst am Abend, als mir meine Mutter, die auch im Stadion war, von der einzigartigen Atmosphäre erzählt hat.

SPOX: Sie waren zu angespannt, um den ersten Pflichtspieleinsatz nach 573 Tagen zu genießen?

Pander: Genießen konnte ich es nicht, dafür ging es einfach um zu viel. Aber einige Stunden später, als ich die Ruhe wieder fand, wurde mir bewusst, welch großartige Geschichte das ist. Es gab Tage, an denen man sich selbst gefragt hat, ob sich das alles noch rentiert. Aber nach dem Bayern-Spiel weiß ich endlich wieder, warum ich all die Strapazen auf mich genommen habe.

Schalke-Blog: Christian Pander - der ewige Hoffnungsträger

SPOX: Das heißt, dass Sie während der Verletzungspause daran gedacht haben, alles hinzuschmeißen?

Pander: Natürlich musste ich mich mit dem Karriereende befassen, als ich wieder einmal beim Arzt saß und er mir erklärte, dass ich schon wieder operiert werden muss. Frei von solchen Gedanken kann sich niemand machen. Aber ich war nie so weit, um konkret über eine Zukunft nachzudenken, die über den Fußball hinausgeht. Ich hatte immer dieses Urvertrauen in mich, dass ich es noch einmal schaffe. Dieser feste Glaube hat mich über die schwere Zeit hinübergerettet.

SPOX: Bekamen Sie psychologische Hilfe?

Pander: Ich war und werde wohl nie ein Fan von so etwas sein. Unter Ralf Rangnick habe ich einen Mentaltrainer kennengelernt, mit dem ich eine Sitzung abgehalten habe. Das hat mir aber gereicht, denn ich habe schnell gemerkt, dass es nichts für mich ist. Man muss der Typ dafür sein, um sich darauf einzulassen. Ich konnte mich nicht darauf einlassen, dementsprechend habe ich mir andere Dinge gesucht, mit denen ich mich ablenken konnte.

SPOX: Haben Sie während der Pause ein neues Hobby gefunden? Das Rappen haben Sie ja aufgegeben, wie Sie während eines Treffens mit Schalke-Fans jüngst erzählten.

Pander: Auf dem Fan-Treff habe ich das nur gesagt, um diversen Gesangseinlagen aus dem Weg zu gehen. Am Ende erfolglos, ich musste ja dann doch "Rapper's Delight" von der Sugarhill Gang mitrappen. (lacht) Nein, nein, Hip-Hop ist immer noch meine große Leidenschaft, die ich niemals aufgeben werde. Dennoch habe ich die Musik in den letzten Monaten hinten angestellt, weil ich mich auf die Reha konzentrieren wollte. Man mag es nicht glauben, aber ein verletzter Spieler hat wahrscheinlich sogar weniger Freizeit als ein gesunder Spieler. Ich war von morgens bis abends bei der Reha und hatte häufig eine Sechs- oder Sieben-Tage-Woche. Der Aufwand ist enorm, von daher musste ich klare Prioritäten setzen.

SPOX: Sie haben demnach keinen neuen Rap-Song aufgenommen wie noch vor vier Jahren, als Sie ebenfalls verletzt waren?

Pander: Ich rappe schon noch - aber nur noch hinter verschlossenen Türen. (lacht) Die Resonanz für "Meine Story" war fast durchweg positiv, wenn ich jedoch damals geahnt hätte, dass mich heute noch jeder darauf anspricht, wäre der Song wohl sofort in der Schublade gelandet.

SPOX: Wie sah ein normaler Feierabend bei Ihnen aus? Haben Sie besonders viele Fußballspiele im Fernsehen verfolgt, um auf dem Laufenden zu bleiben?

Pander: Ich habe mir von den Schalke-Spielen abgesehen nicht so viele Partien angeschaut - was wohl eine Art Selbstschutz war. Mir kam es vor wie eine Selbstfolterung, weil ich mir immer vor Augen führen musste, was hätte alles sein können, wenn ich fit geblieben wäre. Um sich nicht selbst verrückt zu machen, blieb der Fernseher auch mal aus.

SPOX: Die WM sahen Sie aber schon?

Pander: Selbstverständlich.

SPOX: Und was dachten Sie, als deutlich wurde, dass die Linksverteidiger-Position die große Schwachstelle der deutschen Nationalmannschaft ist, weil dort die gelernten Innenverteidiger Holger Badstuber und Jerome Boateng aushelfen mussten?

Pander: Es ist ja seit Jahren so, dass auf dieser Position Bedarf besteht. Entsprechend traurig machte es einen bei der WM, wenn Erinnerungen an die Zeit aufkamen, als man selbst sehr nah dran war an der Nationalmannschaft. Vielleicht hätte ich bei der WM dabei sein können, wenn alles nach Plan gelaufen wäre. Aber ich möchte nicht zu lange in Was-wäre-wenn-Kategorien denken. Ich bin im Hier und Jetzt angekommen, das ist das Entscheidende.

Hier geht's weiter zu Teil II: Pander über Jogi Löw und den Magath-Effekt

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