Matthias Sammer ist der Wunschkandidat des Hamburger SV für die Position des Sportchefs. Der Wechsel des 43-Jährigen vom DFB zu den Norddeutschen scheint nur noch Formsache. Sammer kommt mit einem eigenen Konzept und klaren Vorstellungen. Dadurch wird sich beim HSV einiges ändern. (Hamburger SV - Eintracht Frankfurt, 20.15 Uhr im LIVE-TICKER)
1. Die Situation: Sammer, Hamburg und der DFB
Am Dienstagabend um kurz vor 21 Uhr verkündete Hamburgs neuer Aufsichtsratsvorsitzender Ernst-Otto Rieckhoff auch offiziell, was längst alle wussten: Matthias Sammer soll neuer Sportchef beim HSV werden.
"Wir haben einstimmig entschieden: Falls der DFB ihm ermöglicht, sein Vertragsverhältnis dort aufzulösen, werden wir ihm ein Angebot unterbreiten. Seine Leidenschaft, seine sportliche Vision und seine Kompetenz sprechen für ihn", so Rieckhoff.
In einer mehrstündigen Sitzung hatte Sammer dem Aufsichtsrat der Hanseaten zuvor sich und sein Konzept vorgestellt und alle Anwesenden damit "vollkommen überzeugt", wie Aufsichtsrats-Vize Alexander Otto erklärte.
Konkretes Angebot vorgelegt
Mittlerweile hat Sammer ein konkretes Angebot vorliegen: Der 43-Jährige soll als neuer Sportchef den sportlichen Bereich des HSV verantworten, einen Sitz im Vorstand erhalten, dafür zwischen zwei und 2,5 Millionen Euro pro Jahr (mehr als der aktuelle vierköpfige Vorstand zusammen) verdienen und für drei Jahre unterschreiben.
Alles hängt nun an Sammer. Dessen Vertrag beim DFB, wo man den Sportdirektor nach wie vor schätzt und nur ungern ziehen lassen würde, läuft zwar noch bis 2013, klar scheint allerdings: Wenn Sammer um seine Freigabe bittet, wird ihm der DFB keine Steine in den Weg legen, auch weil sich der HSV bei der im Sommer kurzfristig geplatzten Verpflichtung von DFB-Chefscout Urs Siegenthaler vorbildlich verhielt und keinen Ärger machte.
Zwanziger will Klarheit
"Wir sind nicht in der Situation, dass der DFB an der Position des Sportdirektors zerbricht", sagte Präsident Dr. Theo Zwanziger dem "Kicker" und fordert für die anstehende Präsidiumssitzung des DFB Klartext von Sammer: "Ich will am Freitag von Matthias eine klare Aussage!"
Laut "Bild" wird es diese Aussage allerdings vorerst nicht geben. Öffentlich war von Sammer selbst ohnehin bislang kein Statement zu hören - weder in die eine Richtung noch in die andere. Die Tatsache, dass er sich aber offenbar intensiv mit dem HSV beschäftigt, dem Verein ein Konzept vorgelegt und schon mehrere Gespräche geführt hat, macht jedoch deutlich, dass die Aufgabe einen gewissen Reiz auf Sammer ausübt.
Beim DFB schien ihm der zuletzt etwas verloren gegangen zu sein, nachdem er den vermeintlichen Machtkampf mit Bundestrainer Joachim Löw über die Verantwortlichkeit für die U 21 verloren hatte und von Zwanziger auch öffentlich zurecht gewiesen wurde.
Nicht auszuschließen also, dass Sammer das Interesse des HSV vor der anstehenden Präsidiumssitzung des DFB und der für Ende Januar avisierten Entscheidung um die Zukunft von U-21-Coach Rainer Adrion auch als Druckmittel verstanden wissen will.
2. Die Personalie Matthias Sammer
3. Die Personalie Bernd Hoffmann
4. Die Personalien Bastian Reinhardt und Armin Veh
2. Die Personalie Sammer
Sammer ist beim HSV Wunschkandidat - und das seit langer Zeit. Schon nach dem Rücktritt von Dietmar Beiersdorfer im Juni 2009 war er einer der ersten, mit denen die Hamburger Gespräche führten. Damals allerdings war Sammer nicht verfügbar.
In der Folge glich die Suche nach einem neuen starken Mann im sportlichen Bereich einer Odyssee. Mit insgesamt zehn Kandidaten führte der HSV seit Sommer 2009 Gespräche (z.B. Bernd Wehmeyer, Martin Bader), verhandelte intensiv (u.a. Roman Grill, Oliver Kreuzer) oder war sich sogar schon einig (Siegenthaler).
Den Zuschlag erhielt im Sommer schließlich Job-Anfänger Bastian Reinhardt, nachdem die Position zuvor über ein Jahr lang unbesetzt geblieben war, wodurch zwar einige Dinge angestoßen, aber nicht konsequent zu Ende gedacht und nur unausgereift durchgeführt wurden.
Hauptaugenmerk auf den Nachwuchs
Dieses Problem soll nun Sammer beheben. Und wer könnte für diese Aufgabe besser geeignet sein, als der Mann, der viele Bereiche des DFB umstrukturiert und professionalisiert hat und dem Nachwuchsfußball in Deutschland mit seinen Ideen und Maßnahmen wieder Leben eingehaucht hat?
Genau da soll Sammer auch in Hamburg ansetzen: Ein Hauptaugenmerk seiner Arbeit soll dem lange Zeit vernachlässigten Jugend-Fußball und dem Nachwuchsleistungszentrum Ochsenzoll gelten.
Sammer versteht es, Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Er hat klare Vorstellungen, ist in der Lage, eine Philosophie vorzugeben und kann diese auch kompetent und überzeugend vermitteln und nach außen vertreten. All das vermisste man in Hamburg zuletzt ein wenig.
Allerdings: Im letzten Jahr wurde beim HSV auch die eine oder andere vielversprechende Maßnahme getätigt. Die Ideen dazu lieferte in erster Linie Siegenthaler. Mit Paul Meier (Nachwuchs-Koordinator) und Christofer Clemens (Chefscout) setzen momentan zwei Vertraute des Schweizers diese Vorstellungen in Zusammenarbeit mit Sportchef Bastian Reinhardt um - trotz Siegenthalers Rückzug.
Meier und Clemens sind zwar nicht unumstrittenen, leisten objektiv betrachtet allerdings durchaus gute Arbeit. Doch: Sieht das Sammer genauso? Und: Setzt er tatsächlich auf Leute, die von Siegenthaler installiert wurden? Beim DFB gilt Sammer nicht unbedingt als Freund des Löw-nahen Schweizers.
Sammer baut um
Gut möglich also, dass Sammer diese Personalien hinterfragt und schließlich nochmal von Null beginnt. Und das nicht nur in diesem Bereich. Laut "Bild" will Sammer DFB-Jugendtrainer Stefan Böger und den Sportwissenschaftler Dr. Karsten Schumann mit nach Hamburg bringen. Wohl nur der erste Schritt beim Aufbau des System Sammers beim HSV.
Durch die Kompetenzen, die ihm die Hanseaten versprechen, wird Sammer zum mächtigsten Mann im sportlichen Sektor der Hamburger, und das obwohl er in diesem Bereich noch keinerlei Erfahrung in der Bundesliga vorzuweisen hat.
Dass Sammer dennoch die Lösung mit dem größten Potenzial ist, darin sind sich fast alle Beobachter einig. Gibt man ihm die nötige Zeit, seine Ideen umzusetzen, ist er auch ohne Frage in der Lage, die Erwartungen zu erfüllen und den HSV mittelfristig wieder dorthin zu führen, wo sich der Verein selbst gerne sehen würde: in der Bundesliga-Spitzengruppe.
1. Die Situation: Sammer, Hamburg und der DFB
3. Die Personalie Bernd Hoffmann
4. Die Personalien Bastian Reinhardt und Armin Veh
3. Die Personalie Bernd Hoffmann
Der neue Aufsichtsrat ist gewählt, der Wunschkandidat für die Position des Sportchefs benannt - über diese zentralen Personalentscheidungen rückte die Situation von Bernd Hoffmann etwas aus dem Fokus der Öffentlichkeit.
Der Vorstands-Boss steht nach wie vor in der Kritik, sitzt nach den jüngsten Entwicklungen um Sammer allerdings wieder fester im Sattel. In Hamburg geht man davon aus, dass Hoffmanns Vertrag spätestens bei der nächsten Aufsichtsratssitzung im März verlängert wird, wenn Sammer zusagt.
Der 48-Jährige hat erkannt (oder zumindest den Eindruck erweckt), dass der HSV in der Klubführung Sportkompetenz benötigt und es nicht ausreicht, mit Wirtschaftsfachleuten besetzt zu sein. Deshalb bemühte sich Hoffmann im letzten Sommer um Siegenthaler, deshalb wollte er vor einigen Monaten Günter Netzer als sportlichen Berater gewinnen und deshalb kann sich Hoffmann auch für den Namen Sammer begeistern.
Darüber hinaus kennen und schätzen Hoffmann und Sammer sich seit Jahren. Nicht unwahrscheinlich, dass der DFB-Sportchef ein Engagement beim HSV auch vom Verbleib des Vorstands-Bosses abhängig macht.
Allerdings eilt Hoffmann auch der Ruf voraus, er könne mit einer starken Persönlichkeit neben sich nur schwer zusammenarbeiten. Zumal er, falls Sammer kommt, sämtliche Kompetenzen im sportlichen Bereich abtreten muss und noch nicht mal die Hälfte seines neuen Sportchefs verdient, obwohl er letztlich dessen Vorgesetzter ist.
Dennoch: Hoffmann ist angetan von der Idee, dem HSV mithilfe von Sammer eine eigene Philosophie zu implementieren und eine so unkalkulierbare und komplexe Sache wie den Profi-Fußball so planbar wie eben irgendwie möglich zu machen.
1. Die Situation: Sammer, Hamburg und der DFB
2. Die Personalie Matthias Sammer
4. Die Personalien Bastian Reinhardt und Armin Veh
4. Die Personalien Bastian Reinhardt und Armin Veh
Die Position, die Sammer beim HSV übernehmen soll (Sportchef mit Sitz im Vorstand) hat momentan noch Bastian Reinhardt inne. Der Ex-Profi hat in seiner ersten Saison als Sportchef beim HSV bislang noch wenig an Profil gewonnen, viel vorzuwerfen hat sich der 35-Jährige allerdings auch nicht.
Dennoch: Reinhardt muss Platz machen. Selbst wenn Sammer doch nicht kommt, ist er als Sportchef eigentlich verbrannt. Denn die Suche nach einem neuen starken Mann macht deutlich, dass man Reinhardt die schwere Aufgabe (noch) nicht zutraut.
Fest steht allerdings, dass Reinhardt auch künftig beim HSV eingebunden sein soll. "Er soll weiter eine wichtige Rolle im Verein spielen", sagt Aufsichtsrats-Vize Otto. "Im Prinzip findet nun eine Rollenverteilung statt, die ursprünglich im Sommer vorgesehen war. Da sollte Reinhardt von Urs Siegenthaler lernen, ehe die Sache geplatzt ist. Wir lassen ihn nicht fallen", so Rieckhoff, der darüber bereits mit Sammer gesprochen hat: "Er hat sich positiv dazu geäußert."
Was wird aus Veh?
Welche Aufgabe Reinhardt letztlich übernehmen soll, ist noch nicht klar. Doch obwohl er wohl sämtliche Entscheidungskompetenz einbüßen wird, droht von seiner Seite kein Problem. Schon als Profi überzeugte Reinhardt als loyaler Teamplayer.
Fraglicher ist da schon, was aus Trainer Armin Veh wird. In der Winterpause verständigten sich Klub und Coach mehr oder weniger darauf, zumindest bis zum Sommer zusammenzuarbeiten. Doch was wird dann? Trauen die HSV-Verantwortlichen und allen voran Sammer Veh zu, den dringend notwendigen Umbruch der Mannschaft zu vollziehen?
Mit Leuten wie Heung-Min Son, Muhamed Besic, Eric Choupo-Moting oder Änis Ben-Hatira hat Veh zwar schon einen Anfang gemacht. Zuletzt ließ er allerdings auch das Feuer und die Begeisterung vermissen, mit dem HSV langfristig etwas aufbauen zu wollen. Und genau das ist das erklärte Ziel der Hanseaten - vor allem, wenn Sammer kommt.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob das Duo Sammer und Veh überhaupt funktioniert. Veh ist längst ein etablierter Bundesliga-Trainer, der unter anderem mit dem Titelgewinn mit dem VfB Stuttgart 2007 bewiesen hat, wozu er im Stande ist.
Sammer hingegen kommt mit klaren Vorstellungen und einer eigenen Philosophie zum HSV und will diese im ganzen Verein und damit auch in der ersten Mannschaft durchsetzen.
Schon beim DFB installierte Sammer mit Leuten wie Steffen Freund, Heiko Herrlich, Horst Hrubesch (war schon im Verband) oder Ralf Minge Trainer, die seine Vorgaben ohne Wenn und Aber umsetzten und sich auch gegen seinen unmittelbaren Einfluss nicht wehrten.
So verriet Hamburgs Dennis Aogo, dass Sammer während der U-21-EM 2009 mehrere Trainingseinheiten intensiv beobachtete und anschließend Einzelgespräche mit den Jung-Nationalspielern geführt habe. Coach Hrubesch hatte damit kein Problem. Ob Armin Veh das allerdings genauso sieht?
1. Die Situation: Sammer, Hamburg und der DFB