Die neuen Bayern: Ein Jonker-Effekt?
Ob es nun am neuen Trainer Andries Jonker, am desolaten Gegner oder am günstigen Spielverlauf lag - Fakt ist, dass der FC Bayern gegen Leverkusen nicht nur ein unerwartet hohes Ergebnis, sondern auch völlig untypische statistische Werte erzielte. Selbst wenn man die lockere Trainingseinheit in den zweiten 45 Minuten herausrechnet.
So kamen die Münchner in Halbzeit eins auf lediglich 42 Prozent Ballbesitz, die niedrigste Quote, seit Louis van Gaal die Bayern übernahm. Insgesamt hatte dessen Team in 63 Pflichtspielen nur ein einziges Mal einen Wert unter 50 Prozent, in der laufenden Spielzeit betrug der Durchschnitt knapp 60 Prozent. Auch die Passquote lag in der ersten Hälfte mit 76 Prozent deutlich unter dem Saisonschnitt von 84 Prozent.
Beide Werte lassen zumindest auf eine leicht veränderte Herangehensweise schließen. So eröffnete der FCB gegen Leverkusen das Spiel von hinten häufig schneller und schnörkelloser als zuletzt: 22 lange Bälle in 45 Minuten wären unter van Gaal beispielsweise kaum denkbar gewesen. Und sie erklären die gesunkene Erfolgsquote bei den Zuspielen.
Der niedrige Wert im Ballbesitz dagegen erklärt sich - neben dem Verzicht auf frühes Pressing - auch aus der Tatsache, dass sich die Bayern in der Offensive weniger auf das bekannte Positions- und Kurzpassspiel fixierten, sondern oft unmittelbar das Eins-gegen-Eins suchten. So kam der in der ersten Halbzeit starke Thomas Müller in 45 Minuten auf stolze 26 Zweikämpfe bei 33 Ballkontakten, die Hälfte davon gewann er. Auch seine ungewöhnlich niedrige Passquote von nur 62 Prozent spricht eher für Risikobereitschaft und Spielfreude - belohnt mit zwei Torvorlagen.
In der Defensive dagegen agierte die Jonker-Elf kompakter und mit weniger Risiko als zuletzt. Mehr lange Bälle, keine gefährlichen Pässe in der eigenen Hälfte, auch die offensiven Mittelfeldspieler arbeiteten diszipliniert und aggressiv nach hinten. Anatolij Tymoschtschuk stabilisierte die Abwehr und Daniel van Buyten gewann in der ersten Hälfte alle sieben Zweikämpfe. Mit dem Ergebnis: null Torschüsse für Leverkusen, logischerweise Saisonrekord. Dass die Bayern allerdings auch von krassen Fehlern des Gegners, dem Spielverlauf und einer Portion Glück profitierten, zeigt ihre Bilanz in der ersten Hälfte: Drei Torschüsse - vier Tore.
Das leblose System: Kein Magath-Effekt
Einen deutlich schlechteren Einstand erwischte dagegen Felix Magath in Wolfsburg. Vier Spiele, zwei Punkte: Bei keiner seiner bislang acht Bundesligastationen als Trainer ist der 57-Jährige so schwach gestartet, wie nun bei seiner Rückkehr zum VfL. Daran ändert auch das schmeichelhafte Unentschieden gegen St. Pauli nichts.
Dabei war Magath am Samstag zu seiner früheren Erfolgstaktik mit zwei Spitzen und einer Raute im Mittelfeld zurückgekehrt. Aber die Mannschaft konnte das System nie mit Leben füllen. Zu verunsichert, zu lethargisch, zu nervös: Die Tabellensituation hat ihre Spuren hinterlassen.
Gegen das gut organisierte Pressing von St. Pauli hatte Wolfsburg keine spielerischen Lösungen. Anders als bei den Bayern war die schwache Passquote von nur 69 Prozent (Saisonschnitt 77 Prozent) eher das Ergebnis von vielen individuellen Fehlern und vor allem: jeder Menge langem Hafer. Immer wieder musste Torhüter Diego Benaglio den Ball von ganz hinten lang nach vorne treten, die Halbpositionen im Mittelfeld fielen als Anspielstationen aus, die Außenverteidiger rückten nicht konsequent nach und schlugen Flanken nur aus dem Halbfeld.
Beleg für die eindimensionale Spielweise in Zahlen: Alleine Grafite musste unglaubliche 47 Zweikämpfe führen, mehr als die Hälfte davon in der Luft - und immer wieder mit dem Rücken zum Tor. Flanken von der Grundlinie oder Pässe in die Tiefe: Fehlanzeige. Insgesamt schlug Wolfsburg ganze 46 lange Bälle. Zum Vergleich: Magaths ehemalige Schalker spielten gegen Werder nur 14 mal hoch und weit.
Zwar gewann der Grafite immerhin 54 Prozent seiner direkten Duelle, konnte den Ball in der Regel aber nicht lange genug behaupten, bis seine Kollegen nachgerückt waren. Ganze drei Bälle legte Brasilianer in 90 Minuten auf die Kollegen Mario Mandzukic und Diego ab. Vor allem am nominellen Regisseur lief das Spiel mithin komplett vorbei: Auswechslung nach 72 Minuten und enttäuschenden 42 Ballkontakten.
Dass das Umschaltverhalten auch in die andere Richtung nicht funktionierte und auch die Defensive phasenweise komplett verunsichert agierte, zeigt nicht zuletzt die Fehlerkette vor dem 1:2 (vgl. Video). Vor allem Simon Kjaer wurde gerade in der zweiten Hälfte von Minute zu Minute fahriger und spielte jeden zweiten Pass in die Füße des Gegners.
Gelb-Rot: Bruch im Gladbacher-Spiel
Die viel diskutierte Gelb-Rote Karte für Mike Hanke war eine der Schlüsselszenen für die 0:1-Niederlage von Borussia Mönchengladbach in Mainz. Auch wenn sich die Gastgeber in Überzahl kaum Chancen gegen die tapfer kämpfenden Fohlen erspielen konnten, zeigen die Zahlen die veränderten Kräfteverhältnisse. Bis zum Platzverweis war der Ballbesitz fast ausgeglichen, ab der 53. Minute erarbeitete sich Mainz ein Übergewicht von satten 68,5 Prozent. Auch die Passquote stieg mit einem Mann mehr von 69 Prozent auf fast 90 Prozent.
Auch wenn es am Ende der Hilfe des Schiedsrichters und einer Einzelaktion von Andre Schürrle zum Mainzer Sieg bedurfte, bedeutete die Hinausstellung einen Bruch im Gladbacher Spiel.Und das nicht zum ersten Mal. Acht Platzverweise in der laufenden Saison sind Negativrekord in der Bundesliga. In sechs Fällen kassierte die Borussia in Unterzahl auch noch spielentscheidende Gegentore.
Dass die Roten Karten aber beileibe nicht das einzige Problem darstellen, sondern die Gladbacher vor allem noch immer unter der gespenstischen Serie von nur drei Punkten zwischen dem dritten und dem 12. Spieltag leiden, zeigt eine andere erstaunliche Statistik: Zwischen Hin- und Rückspiel gegen die Mainzer machte die Borussia (16 Zähler) fast genauso viele Punkte wie die Tuchel-Elf (18). Und trotzdem träumt Mainz heute vom Europacup - und Gladbach den Alptraum von der 2. Liga.
Der 30. Spieltag im Überblick