Angst vor der Stimmungsschwankung

Von Fatih Demireli
Borussia Mönchengladbach kann am Samstag den Klassenerhalt schaffen
© Getty

Borussia Mönchengladbach hofft wieder! Der Klassenerhalt ist zum Greifen nahe und das ist vor allem ein Verdienst von Trainer Lucien Favre, der vieles richtig gemacht hat. Hinter den Kulissen tobt aber weiter der Machtkampf. Stefan Effenberg lässt die Muskeln spielen, hat aber einige Gegner.

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Vielleicht wollte Robin Dutt einfach nur nett sein. Vielleicht war es aber sogar eine durchaus brauchbare Prognose. "Wir sehen uns in der nächsten Saison ganz bestimmt wieder", sprach der Noch-Trainer des SC Freiburg, der zu Bayer Leverkusen wechselt, zu seinem Kollegen Lucien Favre.

2:0 gewann Favres Borussia Mönchengladbach gegen den Sport-Club und befreite sich erstmals seit dem 17. Oktober 2010 von einem Abstiegsplatz. Und plötzlich ist mit einem Sieg beim Gastspiel gegen den Hamburger SV am Samstag sogar die direkte Rettung für die Borussia möglich.

Zumindest den Relegationsplatz können die Fohlen sicher aus eigener Kraft schaffen. "Es ist ein gutes Gefühl, nicht mehr auf andere angewiesen zu sein", sagt Marco Reus.

"Auf uns hat keiner mehr gesetzt"

Viele Fürsprecher hatte die Borussia in Sachen Klassenerhalt nicht mehr: Gladbachs Abstieg war quasi besiegelte Sache - selbst im eigenen Lager: "Im Umfeld hatten uns schon viele abgeschrieben", erinnert sich Mike Hanke, "wir haben uns als Team gesagt: 'Diesen Experten zeigen wir es!' Es ist das geilste Gefühl, wenn man aus Drucksituationen als Sieger hervorgeht."

Max Eberl klingt ähnlich: "Auf uns hat keiner mehr einen Pfifferling gesetzt. Aus dieser gewissen Drucklosigkeit hat die Mannschaft das Beste herausgeholt." Der Sportdirektor will Platz 16 aber nicht überbewerten und bezeichnet den Relegationsplatz - frei von jeglicher Euphorie - als "Momentaufnahme". Auch die vermeintlich aussichtlose Situation vorher sei eine Momentaufnahme gewesen.

Favres Idee

Lucien Favre sieht es ähnlich. Der Schweizer war im Februar mit der Mammutaufgabe angetreten, Gladbach zu retten, als der Relegationsplatz sieben Punkte entfernt war. Aussichtsloser schien die Lage aber vielmehr, weil die Mannschaft Selbstvertrauen und insbesondere taktisches Verständnis vermissen ließ.

Favre arbeitete ohne Verzögerung an Letzterem und legte damit in dieser Phase den Grundstein für den aktuellen Aufschwung. Während andere Feuerwehrmänner auf inzwischen abgehalfterte Tugenden wie Kampf, Einsatzwille und Biss setzen, verpasste Favre seiner Truppe eine neue, modernere Fußballidee.

Maßnahmen greifen

"Klar braucht man Disziplin, Kampf, Laufstärke und die Balleroberung, aber Fouls können sehr teuer werden. Es ist bewiesen, dass zu viele Fouls den Spielrhythmus unterbrechen", begründet Favre seine etwas andere Idee vom Abstiegskampf. Viel wichtiger sei das "Herstellen einer Überzahl und das schnelle Spiel in die Tiefe". Gladbach wolle nicht destruktiv spielen.

Favres offensiv angehauchte Idee klang eigentlich kontraproduktiv, da Gladbach die meisten Chancen und die meisten Gegentore der Liga zuließ. Aber die Mannschaft nahm die Idee an und setzte sie beachtlich um. In den elf Spielen mit Favre holte Gladbach 19 Punkte und senkte den Gegentor-Schnitt auf 0,73 pro Spiel.

Es waren auch die personellen Umstrukturierungen, die Gladbach wieder Hoffnung im Abstiegskampf gaben: Die Maßnahme Marc-Andre ter Stegen ins Tor zu stellen, war eine von vielen. Die Hereinnahme von Tony Jantschke als Rechtsverteidiger war genauso ein Volltreffer wie das Vertrauen in die defensiven Mittelfeldspieler Harvard Nordtveit und Roman Neustädter. Das Umschalten zwischen Defensive und Offensive gestaltet sich eleganter als zuvor.

Dritter Abstieg?

Favre weiß aber auch, dass eine neue Spielidee und richtige Personalmaßnahmen nichts mehr wert sind, wenn Gladbach am Samstag zum dritten Mal nach 1999 und 2007 in die 2. Liga absteigt. "Wir haben noch nichts erreicht. Wenn wir in Hamburg verlieren und Frankfurt einen Punkt in Dortmund holt, sind wir tot", sagt Favre.

Und der Abstieg hätte durchaus Folgen: Gladbach würde zwar nicht in Panik verfallen, da die Pläne für die 2. Liga schon längst parat stehen, aber die politische Situation rund um den Verein könnte entscheidend beeinflusst werden.

Durchkreuzt Königs Effenbergs Pläne?

Die "Initiative Borussia", angeführt und repräsentiert von Stefan Effenberg, plant die Machtübernahme bei der Mitgliederversammlung am 29. Mai. Von Nöten ist hierfür eine Zweidrittel-Mehrheit für den Antrag der viel zitierten Satzungsänderung, durch die die Struktur des Vereins gravierend verändert und die bisherige Führungsmannschaft ausgetauscht werden soll.

Diese Pläne durchkreuzen könnte ausgerechnet Präsident Rolf Königs, der inzwischen leise von einem Rücktritt spricht: "Die Raute steht über allem. Ich klebe nicht auf meinem Stuhl." In diesem Falle ist es eher unrealistisch, dass die Gladbacher Mitglieder für eine Satzungsänderung stimmen.

"Es ist sehr schade, dass sich momentan so viele politische Dinge um ums ranken, obwohl wir sportlich etwas leisten können, womit in der Winterpause wohl niemand mehr gerechnet hätte", sagt Eberl. Besonders Effenberg versucht mit fan- und medienwirksamen Parolen Unterstützung zu gewinnen, doch so richtig will sich die Effe-Mania nicht verbreiten.

Fans gehen auf die Barrikaden

"Effe, du hast die falschen Freunde", stand zuletzt auf einem Plakat im Borussia-Park. Effenbergs Versuche, die Gladbacher Fans auf seine Seite zu bekommen, wirken gestellt. Warum er sich der Initiative anschloss? "Es kann nicht sein, dass der Verein hier nebenan vor Gladbach steht." Gemeint ist der Erzrivale 1. FC Köln.

Auch das Argument, dass er mit Rainer Calmund und Rudi Völler gut befreundet sei, zeugt nicht gerade von guter Vorbereitung. Viele Fans gehen inzwischen auf Distanz, vor dem Freiburger Spiel veranstalteten rund 1000 Gladbach-Fans sogar eine Demo und sprachen sich gegen die "Initiative Borussia" aus. "Ein klares Votum der Fans", meint auch Eberl.

Selbst ehemalige Gladbacher Spieler wie Bachirou Salou und Thomas Kastenmaier schlossen sich der Kundgebung an. "Wir sind schon länger mit Vertretern der Offensive befreundet. Wir haben uns beide Seiten angehört. Normalerweise würde ich immer hinter Effe stehen, aber nicht mit diesem Anhang", sagt Kastenmaier.

Auch Eberl wehrt sich noch einmal: "So schlecht machen wir es auch wieder nicht - das sieht man jetzt." Hat das Jetzt am Samstag weiter Bestand, behält Eberl recht. Sonst droht vielleicht doch eine Stimmungsschwankung...

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