Jupp Heynckes als Trainertyp eindeutig zu kategorisieren, ist schwer. Ihn sympathisch zu finden, fällt dagegen leicht. Mit 66 Jahren ist Heynckes zum Beispiel bei weitem nicht mehr das, was man hierzulande als eitel empfindet - ein Makel, den Louis van Gaal stets vor sich her trug.
Heynckes ist das Äußerliche relativ wumpe - mit roter Cappy und hochgezogenen weißen Socken unterscheidet sich der Bayern-Trainer jedenfalls nicht sonderlich vom gemeinen Gardasee-Urlauber.
Wenn er in diesem Outfit vor Journalisten mit ein wenig Alterspathos über seine lange Karriere referiert (Wer konnte schon glauben, dass er 20 Jahre nach seiner Entlassung wieder beim FCB landet?), wirkt er bisweilen sogar drollig. Wie der charmante Onkel von nebenan.
66 - aber kein Dinosaurier
Auf dem Trainingsplatz gibt Heynckes jedoch ein ganz anderes Bild ab. Leidenschaftlich lebt der Mann im Rentenalter seinen Spielern vor, was er von ihnen erwartet. Nicht mehr ganz so drollig schreit Heynckes Anweisungen aufs Feld, gestikuliert, setzt Akzente.
Bayern München in der Sommerpause 2011/2012
Er unterbricht viel in den Anfangstagen seiner neuen, vielleicht letzten, Mission. Er sucht den Kontakt zu den Spielern, will lehren, dabei aber nicht belehrend sein. "Ich beobachte, korrigiere, rede mit den Spielern. Ich versuche, konzeptionell zu arbeiten", beschreibt Heynckes sein Handeln dieser Tage, in denen sich der FC Bayern am Gardasee auf die neue Saison vorbereitet.
Als Heynckes mit dem Trainersein anfing, nannte man das erste Trainingslager der Saison noch Konditionstrainingslager. Den Ball sahen manche Spieler nur von weitem. Doch Heynckes ging mit der Zeit, ist heute trotz fortgeschrittenen Alters kein Dinosaurier. Der Heynckes von heute spricht genauso von Leistungssdiagnostik, Prävention und von Beamern auf Leinwand projizierte Pressing-Schemen, wie die Tuchels und Dutts.
Die Starken schwächen, die Schwachen stärken
Eines steht für den neuen Bayern-Trainer jedoch über den Dingen: "Für mich ist Leistung für die Nominierung entscheidend, nicht der Status." Wohl wissend, dass mindestens acht der elf Positionen im Team eigentlich fest vergeben sind, ruft der 66-Jährige zum Kampf um die Positionen auf und denkt dabei vor allem an die Spieler, die bislang nicht so im Vordergrund standen.
Explizit lobte der Trainer am Montag Toni Kroos ("physisch in sehr guter Verfassung"), Breno ("sehr motiviert"), Daniel van Buyten ("äußerst leistungsbereit"), David Alaba ("wird seinen Weg bei uns machen") und Anatolyj Tymoschtschuk ("immer professionell").
Spitzenkräften wie Franck Ribery will der Coach in Zukunft hingegen keine Extra-Wurst braten. "Es ist wichtig, dass man sich nicht auf einen Spieler fokussiert. Franck muss sich wie jeder andere auch integrieren", sagte Heynckes unmissverständlich.
4-2-3-1 vorerst gesetzt
Wichtig sei, dass auf dem Spielfeld alle Positionen im System jederzeit besetzt seien - was hohe taktische Intelligenz von seinen Spielern fordert.
"Der FC Bayern muss beispielsweise die Außenpositionen immer besetzt haben, weil der Gegner sehr oft defensiv agiert. Bedingt dadurch müssen die Spieler in Ballbesitz das Feld sofort breit machen, bei Ballverlust allerdings sofort wieder umschalten und das Spielfeld kleiner machen", dozierte Heynckes gegenüber den Journalisten.
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Als Spielsystem soll das 4-2-3-1 bleiben. Heynckes kennt es aus Leverkusen, die Spieler von van Gaal. "Ich möchte und werde 4-2-3-1 spielen, das ist klar. Aber wenn ich sehe, dass die Mannschaft in Rückstand ist oder etwas nicht funktioniert, erwarte ich, dass sie flexibel reagiert", so seine Aufgabenstellung. Oder, neudeutsch: "Es ist für einen Spieler heute wichtig, polyvalent zu sein."
Defense wins championships
Sein Hauptaugenmerk liegt dabei schon jetzt im Umschalten von Offensive auf Defensive. "Der FC Bayern muss wieder dazu kommen, dass der Gegner sagt: Es ist schwer gegen die Bayern ein Tor zu erzielen", sagt Heynckes, "so wie es in vielen Epochen des FC Bayern der Fall war."
Es müsse von den Spielertypen her eine Balance zwischen Spielern mit Offensivpotenzial und Spielern mit Defensivcharakter geben.
"Meine Aufgabe ist es, diese Balance zu finden. Das ist das A und O", sagt Heynckes und bemüht dafür eine alte Weisheit: "Der Sturm gewinnt Spiele, die Abwehr gewinnt Meisterschaften. Das ist einfach so."
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