Dominanz ja, Leichtigkeit nein

Von Thomas Gaber
Luiz Gustavo schoss das Siegtor für den FC Bayern München gegen Wolfsburg
© Getty

Nach dem Sieg in Wolfsburg wird der FC Bayern mal wieder mit dem vereinseigenen Dusel konfrontiert. Das Glück erspart den Münchnern unangenehme Debatten, verschleiert aber nicht die Probleme.

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Irgendwann in den 70er-Jahren entstand in Deutschland ein Fußball-Mythos: der Bayern-Dusel. Der Begriff hat es sogar in die englische Version von "Wikipedia" geschafft. Dort wird der Bayern-Dusel als "undeserved luck" (unverdientes Glück) bezeichnet.

Ob und wie viele Spiele, Meisterschaften und Pokale der FC Bayern München seinem Dusel zu verdanken hat, ist empirisch ebenso wenig zu belegen, wie der genaue Ursprung des ganzen. Am Samstag in Wolfsburg soll es mal wieder soweit gewesen sein. Luiz Gustavo erzielte das 1:0 in der Nachspielzeit.

Als müssten sie sich für das späte Tor und ihren ersten Saisonsieg entschuldigen, sprachen die Spieler und Trainer Jupp Heynckes unisono von "etwas Glück".

Wo ist die Leichtigkeit?

Glück, das einen kompletten Fehlstart verhinderte, vor allem aber Glück, das die Bayern vor dem ersten richtig wichtigen Spiel in der CL-Quali gegen den FC Zürich (Mi., ab 20.30 Uhr im LIVE-TICKER) unangenehme Fragen und Debatten über Anspruch und Wirklichkeit und das strategische Vorgehen von Heynckes vorerst erspart.

Der Sieg verschleiert aber auch nicht die Probleme, die die Bayern (noch) haben. Die Münchner betreiben sehr viel Aufwand, der Ertrag ist überschaubar.

Die Dominanz kommt allmählich zurück, auch gegen Wolfsburg hatten die Bayern über 60 Prozent Ballbesitz. Doch wo ist die Power, wo die Leichtigkeit? Die Bayern sind nicht in der Lage, den Gegner dauerhaft unter Druck zu setzen und so Fehler zu provozieren.

Sammer: "Sie machen das mit Willen wett"

"Lange Ballbesitzzeiten dürfen nicht zur Abnahme von Biss und Zielstrebigkeit führen", sagte Christoph Daum bei "Sky90" exemplarisch.

In 180 Minuten Bundesliga-Fußball erarbeiteten sich die Münchner aus dem Spiel heraus nur eine echte Torchance, als Bastian Schweinsteiger den Ball mit einem vertikalen Pass durch die Wolfsburger Viererkette auf den nachrückenden Toni Kroos scharf machte.

Die von Heynckes oft gepredigte "Balance" zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen, sei "eindeutig noch nicht da", sagte DFB-Sportdirektor Matthias Sammer. Allerdings, so Sammer, täten die Bayern genau das richtige, um die schwierige Phase zu überstehen: "Sie machen das mit Willen wett und die Leichtigkeit kommt dann irgendwann von allein."

Dass die Bayern noch eng im van-Gaal-Korsett stecken, findet Sammer keineswegs problematisch. "Grundsätzlich wäre es schlecht, wenn die Handschrift eines Trainers nicht erkennen würde, der fast zwei Jahre mit einer Mannschaft arbeitet und das vor allem im ersten Jahr sehr erfolgreich getan hat", so Sammer.

Es brauche eben seine Zeit, bis die Mannschaft die Pläne eines neuen Trainers gewinnbringend umsetzen kann.

Ansteigende Form bei Ribery

Günter Netzer sagte der "BamS", dass man nicht den Fehler machen dürfe, "nach nur zwei Spieltagen die wahre Leistungsstärke der Bayern genau einschätzen". Aufgrund ihrer individuellen Klasse sei die Mannschaft in der Lage, in dieser Saison zu dominieren.

Dennoch fordert Netzer deutlich mehr Tempo und Aggressivität. "Nur so können sie aus einem kultivierten Aufbauspiel heraus den Rhythmus entwickeln, der zu Torchancen führen kann", so Netzer.

Noch hat Heynckes seine Wunschelf mit allen Kreativspielern nicht aufbieten können. Franck Ribery und Arjen Robben haben außer in der letzten halben Stunde gegen Mönchengladbach in dieser Saison noch nicht zusammengespielt.

Ribery zeigte in Wolfsburg eine ansteigende Form. Der Franzose hat Großes angekündigt vor der Saison. Er könne das Niveau von Lionel Messi erreichen, so Ribery. Wolfsburg war ein erster Schritt zur Normalform.

Dusel interessiert nicht

Ob Robben bis zum Zürich-Spiel seine Adduktoren- und Rückenprobleme in den Griff bekommt, ist fraglich. Aber ein Robben, der nicht in körperlicher Topverfassung ist, hilft den Bayern nicht. Das hat der Auftritt des Niederländers gegen Gladbach gezeigt.

Die Probleme der Bayern in der Offensive sind vielschichtig, die Defensive dagegen wirkt stabil. Die Neuzugänge Rafinha und Jerome Boateng bringen die nötige Aggressivität mit. Beide gewannen in den ersten Spielen stets über 60 Prozent ihrer Zweikämpfe.

Wäre noch die Sache mit dem Bayern-Dusel zu klären. Der Kapitän höchstpersönlich sprach ein Machtwort. "Ob es Bayern-Dusel war oder das stete Anrennen, spielt für uns keine Rolle. Wichtig sind nur die drei Punkte", sagte Philipp Lahm.

Wolfsburg - Bayern: Daten zum Spiel