Auf der Suche nach Konstanz

SPOX
11. Oktober 201112:19
Passend zum bisherigen Saisonverlauf trennten sich Leverkusen und Dortmund am 4. Spieltag 0:0Getty
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Acht Spieltage sind in der Bundesliga gespielt. Zeit für ein erstes Zwischenfazit. Was läuft gut bei den 18 Klubs? Was läuft schlecht? Und wo lauern Gefahren? Der zweite Teil der Bundesliga-Bilanz beschäftigt sich mit der oberen Tabellenhälfte, die vom erstaunlich inkonstanten Vizemeister Bayer Leverkusen bis zum bislang überragenden FC Bayern München reicht.Hier geht's zu Teil 1.

SPOXBayer Leverkusen

Das ist gut: Stuttgart-Leihgabe Leno hat eingeschlagen wie eine Bombe und Adler schon fast vergessen lassen. Auch die Youngster Bender, Toprak und da Costa haben noch mal einen großen Schritt nach vorne gemacht. Reinartz hat sich als Abwehrchef etabliert. Die in der Vergangenheit häufig und lange verletzten Ballack, Rolfes und Kießling sind seit Saisonstart ohne Beschwerden dabei.

Das ist schlecht: Die Konstanz fehlt bislang völlig, Platz neun nach acht Spieltagen ist eine Enttäuschung. Trainer Dutt und seine Mannschaft harmonieren noch nicht, immer wieder gab's Irritationen. Zuletzt sorgte auch Klubchef Holzhäuser mit seiner Kritik an Renato Augusto für unnötige Schlagzeilen. Sportlich hat Dutt bislang weder eine Stammformation gefunden noch die passende Taktik.

Da lauern die Gefahren: Ein Teil der Spieler trauert immer noch Ex-Coach Heynckes hinterher und ist mit Dutt noch nicht warm geworden. Der sorgte auch in der Öffentlichkeit immer wieder mit seltsamen Aussagen für Verwunderung. Obwohl Dutt zuletzt von seiner Linie etwas abrückte und auf die Mannschaft zugegangen ist, birgt das Verhältnis Zündstoff. Etablierte Spieler wie Ballack, Rolfes, Augusto oder Derdiyok nahmen ihre regelmäßige Versetzung auf die Bank öffentlich bislang klaglos hin. Doch wie lange?

SPOX1899 Hoffenheim

Das ist gut: Platz 8 klingt nach biederem Mittelmaß, doch einige gezeigten Leistungen (Mainz, Wolfsburg, Bayern) waren ein Indiz dafür, dass Hoffenheim oben angreifen kann. In der Mannschaft fehlt der herausragende Star, dafür ist die Mannschaft extrem tief und vielseitig besetzt - und bekam von Trainer Stanislawski das perfekte System geschnitzt: ein variables 4-2-4, bei der die Offensivspieler ihrer Rochade-Wut freien Lauf lassen können. Und: Die Transferbilanz ist bemerkenswert. Die Zugänge machen Hoffnung auf mehr (Williams, Johnson, Musona, zuletzt auch Schipplock), die Abgänge entlasteten das Budget (Simunic, Tagoe).

Das ist schlecht: Der im Angriff auf jugendliche Kreativität beruhende Stanislawski-Fußball hat einen Haken: Das variable 4-2-4 erweist sich im Vergleich zu einem herkömmlichen System als noch anfälliger für Formschwankungen - ein häufiges Phänomen bei den meisten 1899-Offensivspielern. So ist es zu erklären, dass den Gala-Auftritten in Mainz (4:0) und gegen Wolfsburg (3:1) ein in allen Belangen enttäuschendes 0:2 in Köln folgte.

Hier lauern die Gefahren: Stanislawski harmoniert mit Manager Tanner und brachte Stabilität in die zuvor von Zwistigkeiten geprägte sportliche Führung. Dennoch bleibt Hoffenheim auch wegen eigenem Missverhalten (Schall-Angriff) ein Hort der Unruhe. Außerdem geht das Comeback von Ibisevic und Salihovic mit einem gewissen Risiko einher: Beide dürften nicht mehr unumstritten sein, weil in der Zwischenzeit andere hervortraten. Ein möglicher Konfliktherd?

SPOXVfB Stuttgart

Das ist gut: Die Defensivbewegung stimmt, der VfB hat nach Bayern und Mönchengladbach die drittbeste Abwehr der Liga (erst sechs Gegentore). Der Start ist auch deshalb durchaus geglückt, die Mannschaft hat jetzt schon mehr Punkte (13) als in der kompletten letzten Vorrunde (12) gesammelt. Die beiden Zugänge Maza und Kvist dürfen als gute Verstärkungen angesehen werden. Kvist ist jetzt schon die spielbestimmende Figur, seine Verpflichtung für relativ kleines Geld (3,5 Mio. Euro Ablöse) hat Träschs Abgang (für 12 Mio. Euro) sowohl sportlich als auch finanziell kompensiert. Trainer Labbadia kann zudem zwischen den Spielsystemen springen, die Mannschaft ist flexibel genug aufgestellt.

Das ist schlecht: Die Mannschaft bringt ihre Spielidee nicht konsequent über 90 Minuten durch. Es gibt immer wieder schlechte Phasen im Spiel, die jetzt schon zu einigen völlig unnötigen Punktverlusten geführt haben. Besonders die Ausrutscher in Berlin und gegen den HSV taten weh. Von den acht Nachwuchsspielern, die vor der Saison mit Profiverträgen ausgestattet wurden, ist noch kein einziger im Dunstkreis der Bundesligamannschaft angekommen. Der einzige, der es gepackt hat, ist Leno. Und der spielt momentan in Leverkusen.

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Hier lauern die Gefahren: Die Leno-Ulreich-Dramaturgie könnte noch zu Ärger führen. Bis jetzt hat die Mannschaft vor allen Dingen die vielen Ausfälle in der Innenverteidigung auffangen können, Tasci und Maza haben jede Minute bisher absolviert. Auch wenn Bicakcic und Niedermeier wieder im Training sind, darf hier nichts passieren. Die letzte Saison sollte der Mannschaft eigentlich Demut beigebracht haben - die schwachen Phasen gegen Berlin und den HSV lassen aber darauf schließen, dass die Mannschaft immer mal wieder noch den Schlendrian einziehen lässt.

SPOXBorussia Dortmund

Das ist gut: Auch wenn der BVB erst 13 Tore erzielt hat: Nach den Bayern erarbeitet sich die Klopp-Elf die meisten Chancen der Liga. Ebenfalls positiv: Der Konkurrenzkampf im Team ist gestiegen, in allen Mannschaftsteilen hat Klopp Auswahl. Verletzte (z.B. Schmelzer) oder formschwache Spieler (z.B. Großkreutz) können ohne großen Qualitätsverlust ersetzt werden. Und: Kapitän und Führungsspieler Kehl ist seit Sommer ohne Verletzungssorgen.

Das ist schlecht: Chancen erspielt sich der BVB, Tore erzielt er daran gemessen viel zu wenige, was auch daran liegt, dass aus dem Mittelfeld zu wenig Torgefahr entsteht. Von der Form der Vorsaison sind viele Leistungsträger (Kagawa, Subotic, Großkreutz) noch weit entfernt. Von den Neuen hat bislang nur Löwe die Ansprüche erfüllt. Bislang lässt die Borussia noch die nötige Konstanz (Bundesliga) und Kaltschnäuzigkeit (Champions League) vermissen.

Hier lauern die Gefahren: Mit Blaszczykowski hat der erste Spieler seine Unzufriedenheit über seine persönliche Situation öffentlich zum Ausdruck gebracht und von einem möglichen Wechsel gesprochen. Sollte Lewandowski auf die Bank müssen, wenn Barrios wieder fit ist, droht auch hier Zündstoff. Gleiches gilt für Spieler wie Leitner, Zidan oder Santana, die bislang nur sehr selten zum Einsatz kamen. Dass bei Götze ständig über das Interesse verschiedener Top-Klubs berichtet wird, trägt nicht unbedingt zur Ruhe bei. Wichtig wäre außerdem, in der Champions League mindestens Platz 3 zu erreichen, um im europäischen Wettbewerb zu überwintern.

SPOXHannover 96

Das ist gut: Die Stabilität im "Jahr danach". Obwohl Hannover mit der ungewohnten Doppelbelastung zu tun hat und in dieser Spielzeit auf deutlich mehr Widerstände trifft als in der euphorischen letzten Saison, hat die Mannschaft in 13 Pflichtspielen bislang erst ein Mal verloren. Platz fünf in der Liga zeigt, dass sich das Gesamtgefüge auf einem überraschend hohen Niveau eingependelt hat. Trainer Mirko Slomka gelang es bislang, die Ansprüche hoch zu halten, ohne dabei allerdings zu überpacen. Konsequenz: Die Mannschaft hat sich noch einmal weiterentwickelt und 96 spielt bis jetzt eine sehr selbstbewusste und konstante Saison. Weiterhin die größte Stärke: Ein klares taktisches Konzept plus die nötige Geschlossenheit und Disziplin, es auch umzusetzen.

Das ist schlecht: Nur Kleinigkeiten. Hinter Moa Abdellaoue hat noch kein zentraler Stürmer seine Form. Didier Ya Konan kämpft nach seiner Verletzung immer noch um Anschluss, Neuzugang Artur Sobiech war erst angeschlagen und sah dann gleich bei seinem Debüt Rot - drei Spiele Sperre. Auch Henning Hauger konnte bislang noch keine echten Akzente setzen, wurde im Mittelfeld aber auch nicht wirklich gebraucht.

Hier lauern die Gefahren: Die Mannschaft wirkt gefestigt genug, um das Minimalziel eines einstelligen Tabellenplatzes zu erreichen. Allerdings muss Hannover praktisch in jedem Spiel ans Limit gehen, für einfache schmutzige Siege fehlt es in der Breite an individueller Klasse. Inwiefern die Mehrfachbelastung dabei zu Konzentrationsproblemen führt, wird sich zeigen. Abgesehen davon lauern atmosphärische Gefahren frühestens zur Winterpause: Einige Verträge laufen im Sommer aus - und die erneut starke Saison dürfte Begehrlichkeiten wecken.

Seite 2: Wundertüte Schalke, Gladbach, Bremen und die Bayern

SPOXFC Schalke 04

Das ist gut: Trotz des dritten Trainers innerhalb eines halben Jahres zeigt die Mannschaft eine gewisse Stabilität. Bundesliga-Platz vier mit nur einem Punkt Rückstand auf den Zweiten Bremen, die gute Ausgangslage in Europa League und DFB-Pokal, das alles ist bemerkenswert angesichts der Umstände. Huntelaar trifft konstanter als in der Vorsaison, Fuchs erwies sich zuletzt als die gewünschte Verstärkung und Raul genießt wieder mehr Freiheiten als unter Rangnick und dürfte dies mit Leistungen wie in der vergangenen Champions-League-Saison zurückzahlen.

Das ist schlecht: Das meist benutzte Wort auf Schalke lautet "Balance": Weil die Mannschaft ein Mischwesen ist aus dem pragmatisch-defensiven Magath und dem dogmatisch-offensiven Rangnick, fehlt eine Identität und die richtige Mischung aus Verteidigen und Angreifen. 17 geschossene Tore sind bester Wert hinter den Bayern, 13 Gegentore hingegen sind der Minuswert unter den besten elf Teams. Ein Hauptgrund liegt im defensiven Mittelfeld, wo auch Stevens noch nicht die Idealbesetzung fand.

Hier lauern die Gefahren: Derzeit lebt Stevens noch davon, dass er mit seiner positiven Herangehensweise ein Gefühl des Aufbruchs entfachte und den nicht verwendeten Spielern Zuspruch gibt (Jones, Kluge, Jurado). Aber auf Dauer wird auch er merken, dass das Kader-Fundament zwar ordentlich ist, es jedoch zu viele ähnliche Spielertypen gibt. Es fehlt ein zweiter dynamischer Flügel neben Farfan, genauso eine Entlastung für Huntelaar/Raul. Und es wird sich zeigen müssen, ob Torwart Fährmann aus der Kritik an ihm Kraft schöpft - oder doch kapituliert.

SPOXBorussia Mönchengladbach

Das ist gut: Der 1. FC Kaiserslautern gewann am 1. Spieltag der Saison 1997/98 beim FC Bayern mit 1:0 und wurde am Ende deutscher Meister. Teil I des Lauterer Kunststücks gelang in dieser Saison den Gladbachern. Auch wenn Teil II utopisch ist: der Sieg in München hat den Fohlen Flügel verliehen. Trainer Lucien Favre ist ein Glücksfall für die Borussia. Mit nahezu dem gleichen Personal, das im Mai den Abstieg in die 2. Liga gerade so verhindern konnte, steht die Mannschaft auf Platz drei. Favre hat Gladbach ein kompaktes 4-4-2 verpasst, in dem auch die Stürmer und Marco Reus durch viel Laufarbeit Defensivaufgaben verrichten müssen. Die Abwehr vor dem starken Torhüter ter Stegen ist die zweitbeste der Liga (erst 4 Gegentreffer).

Das ist schlecht: In sieben von acht Spielen erzielte die Borussia maximal ein Tor. Drei der neun Saisontreffer waren Elfmeter. Von allen Mannschaften in der oberen Tabellenhälfte spielen sich die Fohlen die wenigsten Großchancen heraus. Zudem blieben die Neuzugänge bislang blass.

Hier lauern die Gefahren: Gladbach hat das Maximum aus dem ersten Viertel der Saison herausgeholt. Bei vier von fünf Siegen reichte ein Tor. Favre wird deshalb auch nicht müde zu behaupten, "dass wir noch eine schwere Saison vor uns haben." Beim 0:1 in Freiburg liefeten die Gladbacher zuletzt eine schwache Leistung ab. Eine gewisse Abhängigkeit von Marco Reus ist zu nicht zu übersehen. Dennoch: Mit dem Abstieg werden die Fohlen in dieser Saison nichts zu tun haben.

SPOXWerder Bremen

Das ist gut: Die Mannschaft funktioniert auch wieder als solche, die Punktausbeute ist in Ordnung. Viele der Neuen - Sokratis, Ignjovski, Wolf - haben gut eingeschlagen; Sorgenkinder wie Marin oder Arnautovic konzentrieren sich wieder auf ihre Leistungen auf dem Platz. Die Abgänge wichtiger Spieler wie Frings oder Mertesacker konnten schnell kompensiert werden. Und Werder hat offenbar wieder eine vernünftige Balance gefunden zwischen aggressivem Offensivfußball und geordneter Defensive.

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Das ist schlecht: Auch wenn es zwei unterschiedliche Begebenheiten waren, sind zwei Rote Karten (für Wiese und Arnautovic) nach acht Spielen doch zu viel. Problemkinder gibt es trotz des Aufschwungs aber auch: Wagner versandet in der zweiten Mannschaft, Wesley sucht schon seit Monaten nach seiner Form, Borowski kommt mit einer Verletzung nach der nächsten überhaupt nicht mehr auf die Beine.

Hier lauern die Gefahren: So erfreulich Pizarros Form auch ist - letztlich ist die Mannschaft schon wieder ziemlich vom Peruaner abhängig. Das birgt beim verletzungsanfälligen Pizarro natürlich auch Gefahren. Bisher war der Spielplan recht human, die ganz dicken Brocken kommen erst noch (u.a. Dortmund, Gladbach, Bayern, Schalke). Dann wird sich auch zeigen, wie anfällig die Mittelfeldraute mit nur einem Sechser gegen die starken Mannschaften ist.

SPOXFC Bayern München

Das ist gut: So ziemlich alles. Die Bayern finden unter Heynckes die nahezu perfekte Balance zwischen Defensive und Offensive. Neuer ist seit über 1000 Minuten ohne Gegentor, der Angriff mit 21 Toren der beste der Liga. Das Offensivspiel der Bayern ist nicht mehr auf pausenlosen Ballbesitz ausgelegt, sondern auf Geradlinigkeit und Effizienz. Die Münchner erarbeiteten sich doppelt so viele Großchancen wie in der letzten Saison. Mit Ausnahme von Robben sind alle Stammspieler in einer körperlichen Topverfassung. Die Neuzugänge Neuer und Boateng überzeugen, Rafinha ist auf gutem Weg und Petersen erweist sich als brauchbarer Joker. Zudem funktioniert Heynckes' Rotationsprinzip.

Das ist schlecht: Wenn es einen "Kritikpunkt" gibt, dann am ehesten die Linkslastigkeit. Lahm und Ribery dominieren im Vergleich zu Rafinha/Boateng und Müller. Bayerns letzter Gegner Hoffenheim doppelte Ribery konsequent und nahm den Franzosen aus dem Spiel. Müller ist zudem kein klassischer Außenspieler.

Hier lauern die Gefahren: Robben bereitet dem FC Bayern große Sorgen. Der Niederländer schleppt sich mit mehreren Verletzungen durch die Saison und wird nach seiner Leisten-OP erneut voraussichtlich zwei bis drei Wochen ausfallen. Heynckes steht die vielleicht schwierigste Aufgabe seiner dritten Etappe als Bayern-Trainer noch bevor: die Integration von Robben in eine funktionierende Mannschaft. Der tragische Fall Breno hat beim FC Bayern für Unruhe gesorgt, die Leistungen der Spieler aber nicht beeinflusst.

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