Fischer: "Spaniens Erfolg ist kein Zufall"

Von Interview: Florian Regelmann
SPOX-Redakteur Florian Regelmann (l.) traf Holger Fischer zuhause in Balingen
© spox

Leistungsdruck im Profisport: Es ist eine der großen Debatten der letzten Wochen. SPOX hat jemanden besucht, der genau in dieser Thematik schon mit Sportlern gearbeitet hat: Holger Fischer. Der 49-jährige "Guru" über Fremdwertgefühle, emotionale Macht und Burnout-Prophylaxe. Außerdem: Warum es die Elite in Deutschland besonders schwer hat.

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SPOX: Herr Fischer, was denken Sie, wenn Sie die angesichts der Häufung der Burnout- und Depressionsfälle entstandene Debatte über (zuviel) Druck im Leistungssport in der letzten Zeit verfolgen?

Holger Fischer: Na ja, es ist ein Teil des Menschseins. Ich kann mich noch erinnern, als Robert Enke starb und sein behandelnder Professor sagte, dass jeder fünfte Deutsche psychisch krank ist oder psychische Probleme hat. Da ist es doch klar, dass das auch im Profisport vorkommt. Momentan kommen viele dieser Fälle ans Licht, das ist für mich aber nichts Erstaunliches.

SPOX: Man hört viele "Experten" über dieses Thema reden, aber wohl die wenigsten haben schon tatsächlich mit Profisportlern in dieser Thematik zusammengearbeitet. Sie aber schon. Über was für eine Problematik sprechen wir Ihrer Meinung nach überhaupt?

Fischer: Wenn wir schauen, was genau stattfindet, dann ist das doch sehr diffus. Was ist eigentlich ein Burnout? Was ist ein vegetatives Erschöpfungssyndrom? Wo fängt eine Depression an? Die Psyche ist ja ein Paradoxum an sich. Man muss es sich so vorstellen: Das zentrale Nervensystem macht irgendwann einmal schlapp, aber das geschieht nicht von jetzt auf gleich. Es ist ein schleichender Prozess. Weil die meisten Menschen aber den normalen Ausschalter ignorieren, kommt dann der Not-Ausschalter. Es ist einfach die Reaktion auf eine bestimmte Situation.

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SPOX: Was führt denn ursächlich dazu, dass das Nervensystem schlapp macht?

Fischer: Wenn Menschen anfangen, das Selbstwertgefühl durch ein Fremdwertgefühl zu ersetzen, kommen wir in diese Problematik hinein. Fremdwertgefühl heißt, dass ich es allen recht machen will, für sie Leistung bringen will. Ich entferne mich von mir selbst. Burnout ist für mich deshalb auch keine Krankheit im eigentlichen Sinne. Das Thema ist, dass wir uns verlassen und vom Selbstwert- in ein Fremdwertgefühl übergehen. Wir geben die emotionale Macht ab, wir übergeben die Wertung und Bewertung von uns anderen.

SPOX: Man würde aber eigentlich denken, dass erfolgreiche Menschen, ob aus dem Sport oder aus anderen Bereichen, ein gutes Selbstwertgefühl haben müssten.

Fischer: Es gibt das Selbstwertgefühl, das von innen heraus kommt. Und ein aufgesetztes. Das sind zweierlei Stiefel. Viele dieser Stars haben ein aufgesetztes Selbstwertgefühl. Sie identifizieren sich nicht über sich selbst, sondern über Erfolg, Ansehen, Geld. Das ist der Unterschied. Selbstwertgefühl ist immer etwas Schwankendes, alles, was gefühlt ist, kann nie konstant sein. Baue ich mein Selbstwertgefühl über das auf, was ich tue? Oder über das, was ich bin? Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sich meine Sportler nicht als Profisportler identifizieren. Dass sich Andrea Petkovic nicht als Tennisspielerin identifiziert, sondern als Mensch. Das ist ein völlig anderer Ansatz. Leider wird dieses "Ja zu sich selbst sagen" häufig mit Egozentrik verwechselt. Aber wenn ich ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl entwickle, dann ist es nahezu unmöglich, einen Burnout zu bekommen oder depressiv zu sein.

SPOX: Wenn Sportler aus der Bundesliga oder aus anderen Bereichen zu Ihnen kommen: Was schildern sie Ihnen für eine Problematik, ganz konkret?

Fischer: Man kann das nicht pauschalisieren, weil jeder andere Themen hat, aber es ist schon so, dass wir hier über Antriebslosigkeit reden. Kein Bock mehr auf gar nichts zu haben, sich über den Sinn des Lebens Gedanken zu machen. Ist das, was ich mache, wirklich das, was ich will? Häufig kommen Formkrisen dazu, Probleme mit dem Trainer, Probleme mit der Presse. Niemand ist davor gefeit. Die deutschen Medien gehen ja teilweise nicht gerade schonend mit den Sportlern um. Dass sie sensibel sind, Schwächen und Ängste haben - das will ja niemand sehen.

SPOX: Das mag sicher so sein. Aber man kann es auch von einer anderen Seite sehen. Hat nicht jeder Mensch in seinem Beruf Druck? Gibt es nicht Menschen, die in ihrem Beruf deutlich mehr Druck haben als ein Fußballprofi? Ich denke ja.

Fischer: Die Zeiten haben sich allerdings schon verändert in den letzten Jahren. Die mediale Berichterstattung hat eine ganz andere Dimension als noch vor 20, 30 Jahren. Es hat früher ausgereicht, wenn man Talent gehabt hat. Das reicht heute nicht mehr, um eine Karriere als Fußballer zu machen. Da gehören noch eine Menge weiterer Faktoren dazu. Außerdem hat die Hirnforschung belegt, dass sich die neuronalen Strukturen im Gehirn seit den 60ern verändert haben. So wird das Thema bei der Generation, die nach 2000 geboren wurde, wieder weniger werden. Weil sich die Hirnstrukturen auch anpassen. Man sieht ja, was auf der Welt passiert. Der Mensch rückt wieder mehr in den Vordergrund, es wird sich einiges verändern in den nächsten Jahren. Was jetzt alles so hoch kommt, sind die normalen Begleiterscheinungen in so einem Prozess.

SPOX: Wenn diese Sportler dann bei Ihnen sind und Ihre Hilfe benötigen, was stellen Sie mit denen an?

Fischer: Grundsätzlich gilt es als erstes herauszufinden, welche Themen vorliegen und dann Lösungen zu erarbeiten. Damit sie die emotionale Macht wieder zurückbekommen. Dafür gibt es eine bestimmte Methodik, bestimmte Techniken und unterstützend kommt auch die Energetik hinzu. Häufig reicht da schon ein Tag, um sie wieder fit zu machen.

Teil 2: Holger Fischer über Burnout-Prophylaxe und Hochbegabung a la Federer

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