Es ist ein altbekanntes Phänomen des Fußballs: Den Schiedsrichter für den eigenen Misserfolg verantwortlich zu machen und sich chronisch benachteiligt zu fühlen, ist längst nicht mehr das Privileg der Abstiegskandidaten. Auch Rudi Völler stellt die Unparteiischen mit ungebrochener Leidenschaft an den Pranger. Und selbst der Rekordmeister sieht sich neuerdings als Opfer der Schiedsrichter, die im Zweifel doch stets gegen den FC Bayern entschieden. Doch liegen Hoeneß und Rummenigge mit ihrer Verschwörungstheorie richtig? Haben die Referees keinen Skrupel, dem FC Bayern ab und zu einen reinzudrücken? Wir sind dieser Frage nachgegangen.
Aufwärtstrend mit Schönheitsfehlern: Was sich bereits zum Ende der Hinrunde abgezeichnet hat, verfestigt sich mehr und mehr: Die Bundesliga-Referees haben ihr Leistungstief vom Herbst, in dem sie mit zuweilen grotesken Leistungen aufwarteten, überwunden und pfeifen inzwischen auf durchaus akzeptablem Niveau.
Der Aufwärtstrend drückt sich auch in der Fehlerquote aus, die mit einem Wert von 0,98 Fehlentscheidungen pro Partie so niedrig wie zuletzt nach dem 8. Spieltag liegt. Fast die Hälfte der Unparteiischen leistet sich dabei weniger als einen Patzer pro Partie.
Die höchste Fehlerquote weist derweil nach wie vor der amtierende Schiedsrichter des Jahres, Manuel Gräfe, auf. Mit 1,8 Schnitzern pro Match liegt der Berliner Referee in dieser Kategorie abgeschlagen am Ende. Eine desolate Bilanz.
Am vergangenen Spieltag präsentierten sich die Unparteiischen indes in solider Verfassung - von Ausnahmen abgesehen, zu denen vor allem Guido Winkmann zählte. Der 38-jährige Unparteiische war mit der Partie zwischen dem 1. FC Köln und Hertha BSC vollends überfordert und lag gleich mehrfach daneben: So stand Brecko vor seiner Vorlage zum 1:0 im Abseits. Und eine Tätlichkeit von Podolski, die seinen Platzverweis rechtfertigen würde, war selbst bei größter Fantasie nicht zu erkennen. Ein abermals schwacher Auftritt Winkmanns, der mit der Note 5,5 bedacht wurde und sich nathlos einfügt in dessen höchst durchwachsene Saison.
Bayern-Malus? Für ein großes Medien-Echo sorgte unlängst die schroffe Schiedsrichterschelte der Bayern-Offiziellen. So kritisierte insbesondere Präsident Uli Hoeneß, die Unparteiischen entschieden im Zweifelsfalle gegen den FC Bayern, "weil sie dann die ganze Woche Ruhe" hätten. Die Bayern-Fans nähmen, so Hoeneß, Fehlentscheidungen sehr gut hin, während die Anhänger anderer Vereine Telefon-Terror veranstalteten.
Doch entscheiden die Referees tatsächlich tendenziell gegen den FC Bayern? Die Zahlen dieser Bundesliga-Saison können Hoeneß' These jedenfalls nicht belegen. An den bisherigen 25 Spieltagen leisteten sich die Schiedsrichter insgesamt 12 Fehlentscheidungen zu Lasten der Münchener. Das entspricht einer Quote von 0,48 Fehlentscheidungen gegen die Bayern pro Match. Durchschnittlich muss eine Bundesligamannschaft in dieser Saison mit 0,49 Fehlern pro Partie leben. Der FC Bayern gehört insofern sogar noch eher zu den privilegierten Teams, zumal man selbst auch von 12 Fehlentscheidungen (zu Lasten des jeweiligen Gegners) profitierte.
Doch natürlich lässt sich eine vermeintliche Benachteiligung des FC Bayern nicht alleine anhand der Fehlentscheidungen ablesen. Oftmals geben vor allem die Entscheidungen in 50-50-Fällen den Ausschlag darüber, ob ein Referee eine bestimmte Mannschaft tendenziell bevorzugt bzw. benachteiligt. So reklamierte man von Bayern-Seite, dass Schiedsrichter Knut Kircher das Eigentor von Hamburgs Westermann beim Gastspiel in Hamburg am 20. Spieltag nicht hätte abpfeifen dürfen. Und in der Tat lag Gomez' vorangegangener Schubser gegen den HSV-Verteidiger wohl noch im Normbereich, so dass man - ohne hier gleich von einer Fehlentscheidung zu sprechen - die Aktion durchaus hätte weiterlaufen lassen können.
Doch Fakt ist, dass auch die Bayern in der laufenden Saison oftmals in Zweifelsfragen begünstigt wurden. So war Luiz Gustavos Armeinsatz gegen Höger, in dessen Folge das 1:0 der Bayern gegen die Schalker am 23. Spieltag fiel, zumindest grenzwertig, wenn nicht gar regelwidrig. Schiedsrichter Weiner, ansonsten eher als Umstandskrämer in Sachen Zweikampfbewertung bekannt, unterband das Spiel gleichwohl nicht und machte auch ansonsten nicht den Eindruck, die Gastgeber benachteiligen zu wollen.
Ähnliches galt auch für den Stuttgarter Referee Markus Schmidt, der am 21. Spieltag mit der Leitung des Bayern-Heimspiels gegen den 1. FC Kaiserslautern betraut war. Schmidt leistete sich zwar keinen gravierenden Fehler, entschied in der Zweikampfbewertung jedoch auffallend häufig zu Gunsten der Münchener und ließ sich dabei auch von der einen oder anderen Schwalbe (Rafinha) täuschen.
Insgesamt jedoch haben die Unparteiischen in Bayern-Spielen fast durchgehend ordentliche bis gute Leistungen abgeliefert. Die Durchschnittsnote der Referees in Bayern-Spielen liegt bei 2,92 und damit nur geringfügig über dem Schnitt (2,91). Die Thesen der Bayern-Offiziellen finden insoweit keine Unterstützung in den Zahlen und dürfen mit Fug und Recht als Humbug abgetan werden.
Von wegen Elite: Es ist ein offenes Geheimnis, dass Renommee und internationale Erfahrung nicht unbedingt maßgeblich für die Qualitäten eines Unparteiischen sind. Gerade in der Bundesliga finden sich unter den weniger bekannten Referees durchaus hoffnungsvolle und leistungsstarke Talente. Umgekehrt sind die prominenten Vertreter der Schiedsrichterzunft oftmals nicht so kompetent, wie es ihr Ruf vorzugeben scheint.
Geradezu beispielhaft zeigte sich dies an den beiden Spieltagen Ende Februar. So gelang den Unparteiischen am 22. Spieltag mit einer Quote von 0,56 Fehlentscheidungen und einer Durchschnittsnote von 2,67 einer der wohl besten Gesamtauftritte in dieser Saison. Und das, obwohl an diesem Spieltag vor allem die unbekannteren Schiedsrichter zum Einsatz kamen. So lieferten sowohl der junge Christian Dingert bei der Partie zwischen Nürnberg und Köln als auch der frischgebackene FIFA-Referee Marco Fritz (Hertha gegen Dortmund) jeweils eine absolut fehlerfreie und überzeugende Vorstellung ab, die in beiden Fällen mit der SPOX-Note 2 bedacht wurde.
Auch der in der Winterpause heraufgestufte Tobias Stieler zeigte bei seinem Bundesliga-Debüt im Spiel zwischen Hoffenheim und Mainz eine ordentliche Leistung. Zwar unterließ er zunächst die zwingend gebotene Verwarnung gegen den Mainzer Zabavnik (nach Foulspiel an Vukcevic), wirkte ansonsten jedoch sicher und komplettierte damit den guten Gesamteindruck der Unparteiischen an diesem 22. Spieltag.
Eine Woche später präsentierten sich die Referees - diesmal vorwiegend durch anerkannte FIFA-Schiedsrichter vertreten - in deutlich schwächerer Verfassung und leisteten sich am 23. Spieltag einige schwere Fehlentscheidungen. Manuel Gräfe, der schon die gesamte Saison weit unter seinen Möglichkeiten bleibt, tat sich bei der Partie zwischen Dortmund und Hannover vor allem mit der Zweikampfbewertung schwer. So verzichtete er rätselhafterweise darauf, den bereits verwarnten Borussen-Kapitän Kehl nach einem überharten Foulspiel die Ampelkarte zu zeigen, und wirkte auch ansonsten bemerkenswert unsicher.
Auch FIFA-Schiedsrichter Dr. Felix Brych, in den vergangenen Wochen regelmäßig im Mittelpunkt der Kritik, wirkte bei seiner Spielleitung des Rheinderbys alles andere überzeugend. Dabei fiel besonders der unterlassene Elfmeterpfiff nach Lenos Einschreiten gegen Podolski ins Gewicht. Zusammen mit der überzogenen Gelben Karte gegen Riether sollten dies jedoch Brychs einzige schwere Fehler bleiben (Note 4).
Einen wahrhaft desaströsen Eindruck vermittelte an diesem Spieltag hingegen der sonst so verlässliche und souveräne Günter Perl. Doch bei der Begegnung zwischen Gladbach und dem HSV verlor der Münchener Referee zeitweilig vollends die Kontrolle und leistete sich vier klare Fehlentscheidungen, darunter neben dem fehlerhaften Freistoßpfiff vor dem 1:0 die übersehene Abseitsstellung von Hanke beim Treffer sowie eine überzogene und eine unterbliebene Verwarnung gegen Reus bzw. Neustädter.
Zwei Spieltage, die erahnen lassen, dass das vermeintliche Leistungsgefälle zwischen Stark & Co. einerseits und den jungen, unerfahren Kräfte andererseits so eben nicht der Wirklichkeit entspricht.
Sippels Schlussspurt: Auch die Schiedsrichterleistungen am 24. Spieltag ließen bei einer Durchschnittsnote von 2,56 kaum zu wünschen übrig. Bis auf Markus Schmidt, der bei der Leitung der Partie zwischen Hannover und Augsburg abermals absolut überfordert wirkte (SPOX-Note 5), wussten nahezu alle Referees zu überzeugen.
Ein solches Fazit war für diesen Spieltag kaum zu erwarten, setzte der DFB doch erneut auf die - nach dem bisherigen Saisoneindruck - eher schwächeren Unparteiischen. Doch selbst ein Robert Hartmann, in dieser Spielzeit durchweg mit bescheidenen Leistungen aufwartend, machte im Rahmen der Partie zwischen Hoffenheim und Köln eine ordentliche Figur (SPOX-Note 3).
Als geradezu sensationell muss man jedoch den Auftritt von Peter Sippel bei der Leitung der Partie zwischen dem HSV und dem VfB Stuttgart bezeichnen. Sippel, der sich in der Hinrunde seiner voraussichtlich letzten Bundesliga-Saison noch Patzer am Fließband geleistet hatte, lieferte eine blitzsaubere Spielleitung ab und lag in allen wichtigen Szenen (vor allem beim Platzverweis gegen Guerrero als auch in den Elfmetersituationen) richtig. Als Konsequenz stand erstmals in dieser Saison die Bestnote für ihn zu Buche.
So ganz überraschend kam Sippels starke Leistung gleichwohl nicht. Bereits zwei Wochen zuvor hatte der 42jährige Münchener im Rahmen des Spiels zwischen Schalke und dem VfL Wolfsburg (22. Spieltag) mit einem guten Auftritt (SPOX-Note 2,5) auf sich aufmerksam gemacht und hinterließ auch am vergangenen Spieltag bei der Partie Gladbach gegen Freiburg einen ansehnlichen Eindruck. Es scheint also, als hätte sich Sippel für seine letzten Spiele in der Eliteklasse noch mal etwas vorgenommen.
Schiri-Check 1 (1. - 4. Spieltag): Zwei Junge in Front - Kircher beispielhaft
Schiri-Check 2 (5. - 8. Spieltag): Mayer Superstar - Gräfe fällt ab
Schiri-Check 3 (9. - 12. Spieltag): Sippel am Ende, Gräfe uneinsichtig