In seinem letzten Spiel mit Hertha BSC war ein Sieg Pflicht nach der 1:2-Niederlage aus dem Relegation-Hinspiel zuhause gegen Fortuna Düsseldorf. Rehhagel versuchte sich zunächst in Lässigkeit, als er gefragt wurde, was ein Abstieg für ihn bedeuten würde. "Für mich? Dann fahr' ich in den Urlaub", sagte der nach der Niederlage im Olympiastadion, um kurz darauf alles als "papperlapapp" zu bezeichnen.
Otto Rehhagel will nicht verlieren, will sein Experiment Hertha BSC nicht als gescheitert enden lassen. Eloquent, spritzig und wortgewandt hatte er sich Rehhagel am 19. Februar dieses Jahres im Blitzlichtgewitter der Berliner Medien präsentiert. Otto Rehhagel der Retter, der Hoffnungsträger, der Heilsbringer. So inszenierte es der Klub, der es als Erfolg verkaufte, den Meistertrainer verpflichtet zu haben. Nach dem Missverständnis Michael Skibbe, nach dem Rosenkrieg mit Markus Babbel.
König Otto ist das Gesetz
"Ich bin bei Hertha BSC das Gesetz und alle hören ab jetzt auf mein Kommando. Ich bin Preuße und ein demokratischer Diktator", verkündete Rehhagel nach fast zwölfjähriger Bundesliga-Abstinenz forsch. Fürwahr - das volle braune Haar, zum Seitenscheitel gekämmt, schwarzer Kaschmirpulli über dem fein gebügelten Hemd, ließ "König Otto" nicht wie einen Frührentner erscheinen.
Der Medienmuffel Rehhagel genoss sichtlich die Aufmerksamkeit. Und Herthas Entscheidungsträger, Präsident Werner Gegenbauer und Manager Michael Preetz, waren sichtlich stolz auf den Coup - auch wenn Rehhagel sie zeitweise aussehen ließ wie kleine, unreife Jungs.
Es schien, als wäre Rehhagel, der richtige Mann zur richtigen Zeit. Einer, der mit all seiner Erfahrung für Aufbruchstimmung sorgen, die Mannschaft wieder einen, die Fans beruhigen, den Optimismus zurück bringen könne. Kurz, er war der Mann, der die Berliner vor dem drohenden Abstieg retten sollte. Hertha BSC war plötzlich nur noch Otto Rehhagel.
Nur, der Erfolg blieb aus. Otto Rehhagel wurde blasser, und das nicht nur im Teint. Die Pressekonferenzen passten sich den Auftritten der Hertha-Profis auf dem Rasen an. "Der Trainer schießt keine Tore. Die Mannschaft muss die an sie gestellten Aufgaben auf dem Platz lösen", erklärte Rehhagel nach den ersten Niederlagen.
Der preussische Diktator
Was blieb vom preussischen Dikator? Vier "Trainer", die bei jedem Spiel am Spielfeldrand gestikulierten - Manager Preetz, Rene Tretschok und Ante Covic. Am zurückhaltendsten zeigte sich noch Rehhagel selbst. Disziplinarstrafen gegen Spieler und schnelle Begnadigungen wie bei Tunay Torun. Prügeleien beim Training wie zwischen Christian Lell und Änis Ben Hatira - und ein resignierter Trainer Rehhagel, dem nur noch abwertende Handbewegungen blieben.
Dem im Europapokal erfahrenen Ottl bescheinigte der aktuell dienstälteste Trainer der Bundesliga zwar ein guter Fußballer zu sein, aber mit Zweikämpfen tue er sich schwer. Fortan spielte Ottl keine Rolle mehr. Und die Mannschaftsaufstellungen bei Hertha wechselten so oft wie die Kleider von Models auf dem Laufsteg.
Die Trainer-Legende Rehhagel hat in Berlin erlebt, wie sich das Geschäft Bundesliga verändert hat. Er selbst hat gebrannt, sein Temperament trieb ihn voran. Nur hat er in einer Mannschaft voller Egoisten, die kein gemeinsames Ziel mehr vorantrieb, niemanden mehr richtig erreicht. 14 Spiele waren zu wenig, mehr bekommt er nicht. Am Ende wirkte Rehhagel ausgebrannt, müde, gealtert. Man darf ihm glauben, dass er sich auf seinen Urlaub freut.
Hertha BSC im Steckbrief