Borussia Dortmund: Die Linie bleibt dieselbe

Von Jochen Tittmar
Einfach mal abhängen: Dortmunds Sebastian Kehl beim Krafttraining
© spox

Borussia Dortmund beendet am Montag im österreichischen Kirchberg das erste von zwei Trainingslagern. Ab dann muss sich Trainer Jürgen Klopp allmählich einer zentralen Frage widmen: Wer ersetzt Shinji Kagawa? Die Bringschuld in der Bundesliga reicht der Doublesieger erneut an den FC Bayern München weiter.

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So unbeschwert starten Trainingseinheiten beim Deutschen Meister nur selten: Am Samstag, an Tag drei im ersten von zwei Trainingslagern in diesem Juli, versammelte sich der mitgereiste Tross am Mittelkreis auf dem Sportplatz des SV Brixen, klatschte laut in die Hände und sang dabei ein Ständchen.

Der Adressat: Zeugwart Frank Gräfen. Das Geburtstagskind (47) bedankte sich artig, verschwand jedoch auch schnell wieder vom bestens gepflegten Grün. Der kurze Spaß musste schließlich dem langen Ernst weichen und so scheuchte das Trainerteam die Truppe im malerischen Schatten der Hohen Salve 90 Minuten über den Platz.

Noch eine abschließende Trainingseinheit am Montag und die Dortmunder, die aufgrund der zahlreichen EM-Urlauber bislang aus zwölf Profis sowie acht Spielern der U 23 bestehen, kehren für 13 Tage wieder in die Heimat zurück.

Laktattest: Spieler sind fit

Kein klassisches Konditionstrainingslager kündigte Trainer Jürgen Klopp beim Saisonstart am vergangenen Mittwoch an und log dabei etwa zur Hälfte. Das Programm der zwei täglichen Einheiten im österreichischen Kirchberg, wo sich der Verein exklusiv in einem Nobelhotel mit eigener Konditorei und Käserei einbuchte, bestand aus einer ausgewogenen Mischung aus fußballspezifischen Belastungen sowie intensiven Laufeinheiten.

Kraft-, Koordinations- und Stabilisierungsübungen wechselten sich dabei mit mehreren knackigen 1000-Meter-Läufen und Sprints ab. Morgens wurden die Einheiten individualisiert, da die acht Amateure bereits vor einiger Zeit den Betrieb aufgenommen hatten und zudem erst kürzlich von einem Trainingslager in Polen zurückkehrten. Am Nachmittag wurden dann gemeinschaftlich meist Spielformen geübt.

Wie die ausgezeichneten Werte beim Laktattest zur Saisoneröffnung bereits nachwiesen, war es für Klopp ohnehin nicht erforderlich, an der grundsätzlichen körperlichen Verfassung seiner Spieler zu zweifeln. Alle scheinen das vierwöchige Warm-Up-Programm im Urlaub eigenverantwortlich gemeistert zu haben.

Reus & Co. kommen nach

Vollständig wird das Team dann rechtzeitig zum zweiten Trainingslager im schweizerischen Bad Ragaz am 22. Juli. Drei Einheiten stehen dort pro Tag an. "Wir werden mit den Nationalspielern individualisiert im Ausdauerbereich arbeiten, taktische Dinge und weitere Spielformen aber auch in den Mittelpunkt rücken. Die Belastung wird dann immer wieder erhöht und dosiert", kündigte Klopp an.

Dabei wird der Trainer auch allmählich ausbalancieren müssen, wem er die Nachfolge von Shinji Kagawa auf der Position des Zehners zutraut und wie sich die Neubesetzung auf die Statik des Dortmunder Spiels auswirkt. Mario Götze, nun offiziell mit dieser Nummer auf dem Rücken, und Neuzugang Marco Reus sind neben Moritz Leitner, der wie zu beobachten war deutlich in seiner körperlichen Robustheit zugelegt hat, die Kandidaten mit den besten Chancen. Die Testspiele sollen genutzt werden, um jedem ausreichend Zeit zu gewähren, sich zu zeigen.

Spieltaktisch wird sich Klopp also einer ähnlichen Aufgabe stellen müssen wie beim Abgang von Nuri Sahin: "Die Problematik besteht darin, dass es nicht von heute auf morgen gehen wird. Ich bin davon überzeugt, dass wir Shinji ersetzen können. Unser Spiel wird sich ein bisschen verändern. Doch ich sehe darin auch eine Chance, auf Sicht einen größeren Variantenreichtum in unser Spiel zu bekommen", sagte er der "Welt am Sonntag".

Es gibt noch Baustellen beim BVB

Vollkommen offen ist dazu die Besetzung der Doppelsechs. Dort muss der Coach weniger proben, da mit Ilkay Gündogan, Sebastian Kehl und Sven Bender drei gleichwertige Alternativen zur Verfügung stehen, die im Vorjahr jeweils genügend Argumente für einen Platz in der ersten Elf zusammentrugen. Auch wenn der von Verletzungen nach und nach aus dem Rhythmus gerissene Bender im Saisonendspurt den Kürzeren zog - hier bahnt sich ein erster Härtefall an.

Positiv jedoch: Durch den späten Saisonstart bleibt noch ausreichend Zeit, sich allen Baustellen gezielt zu widmen.

Die erste, die der Doublesieger nach Gesprächen zwischen Klopp, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Manager Michael Zorc zuschüttete, ist die Frage nach dem Saisonziel.

Die dritte Qualifikation für die Champions League in Serie soll für die erfolgreichste Bundesligamannschaft der vergangenen beiden Jahre im Mai 2013 heraus springen.

Für Watzke, der in Österreich wie gewohnt zusammen mit Zorc von einer einsamen Trainerbank aus die Einheiten verfolgte, ist dies "kein weiches und kein hartes Ziel, sondern einfach realistisch." Klopp ergänzt: "Sollte aber - in Anführungszeichen - nur die Europa League dabei heraus kommen, rennen wir uns auch nicht über den Haufen."

Dortmund schiebt Bayern Favoritenrolle zu

Und so gibt man in Dortmund die Favoritenrolle wieder an den FC Bayern München ab, der dem eigenen Verständnis nach in der kommenden Saison einen Titel an die Isar holen muss. Spielertransfers in Höhe von bislang über 30 Millionen Euro und die Installierung von Matthias Sammer als Sportdirektor zeugen davon, dass in München ein drittes titelloses Jahr in Folge nicht akzeptiert würde.

Die Verantwortlichen der Westfalen haben dagegen erneut frühzeitig den Druck aus diesem Topf gelassen und sehen sich trotz der linear nach oben verlaufenden Entwicklung der letzten Jahre nicht in der Bringschuld: "Wir sind, obwohl wir zweimal hintereinander Meister geworden sind, ein Verein, der Erfolg nicht nur über den Meistertitel definiert. Das ist der Unterschied zu Bayern München. In unserer Wahrnehmung kann maximaler Erfolg auch etwas anderes sein als die Meisterschaft. Wir wollen uns am Ende über die Saison freuen, deshalb setzen wir uns ein hohes, aber realistisches Ziel", sagt Klopp.

Beobachtet man die Dortmunder in dieser frühen Phase der Vorbereitung, erinnert vieles ein Stück weit an den Juli im Vorjahr: Der Umgang mit dem Abgang eines Schlüsselspielers, erhöhter Druck und neue Erwartungen, die Herausforderung Champions League. Eines jedoch bleibt weiter felsenfest bestehen - die Linie, mit der man an diese Aufgaben herangeht, bleibt dieselbe.

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